Sackgasse oder Perspektive?

26.04.2012
Wenn IT-Fachkräfte zum zweiten Mal beim selben Arbeitgeber anheuern, entstehen Unsicherheiten auf beiden Seiten. Wird der Kollege schnell wieder unzufrieden sein? Wird er sich voll engagieren?

Männer und Frauen geben der alten Liebe eine zweite Chance, verdiente Fußballer kehren zum Lieblingsverein zurück, abgetauchte Politiker werden unversehens zu neuen Hoffnungsträgern auserkoren. "Schön, dass du wieder da bist", wurde auch Jochen Gebhardt begrüßt, als er zu Computacenter zurückkehrte. "Ehrlich", freut sich der 42-jährige Senior Technology Specialist, "es gab keinen negativen Kommentar."

So nett wie der studierte Elektrotechniker und Microsoft-Experte empfangen zu werden, darauf sollte man nicht unbedingt wetten. Ist das Comeback nicht bloß eine Notlösung, das Eingeständnis, es woanders nicht geschafft zu haben? Gewiss ruft der Gedanke, erneut beim alten Arbeitgeber einzusteigen, zuweilen gemischte Gefühle hervor: Was mögen die alten Kollegen denken? Derlei Sorgen scheinen aber unbegründet zu sein, wie eine Studie der Unternehmensberatung Robert Half suggeriert. Drei Viertel der befragten Führungskräfte in Deutschland und Österreich würden es sogar begrüßen, ehemalige Beschäftigte in ihren Reihen wieder aufzunehmen.

"Dass wir offen sind für Rückkehrer", erklärt Heike Kandziora, Teamleiterin Recruiting bei Computacenter, "ist weniger dem Fachkräftemangel in der IT geschuldet. Comebacker sind für uns wertvoll." Kandziora, vor 15 Jahren selbst zum Kerpener IT-Dienstleister zurückgekehrt, zählt die Pluspunkte auf. Rückkehrer tun sich demnach leichter als neue Kollegen. Strukturen und Abläufe seien ihnen vertraut, ihre Netzwerke noch intakt. "So finden sie schnell Anschluss."

Das bringt den Unternehmen Vorteile: Wer zurückkommt, benötigt sechs bis zwölf Monate weniger Einarbeitungszeit, kalkulieren Personaler. Auch Kai Gottschalk (35) fackelte nicht lange, als er nach zwei Monaten beim neuen Arbeitgeber erkannte, dass sich seine mit dem Tapetenwechsel verbundenen Hoffnungen nicht erfüllten. Spontan meldete er sich bei seinem ehemaligen Chef. Seine Entscheidung bereut Gottschalk nicht: Das Comeback, sagt der Wirtschaftsinformatiker, der als Product Specialist bei Xing am Hamburger Hauptsitz arbeitet, verlief "unkompliziert und schnell".

Nur eine Woche verging von der Kontaktaufnahme bis zum neuen Arbeitsvertrag. Eröffnet wurden Gottschalk neue Perspektiven. Inzwischen darf er sich "Manager Quality Assurance" nennen. Wichtigste Bedingung für eine Rückkehr ist, sich zuvor nicht im Unfrieden verabschiedet zu haben. "Wenn man geht, sollte man sich in die Augen schauen können, aber auch wenn man zurückkehrt", sagt Projekt-Manager Niki Kozisek (38). Unlängst heuerte er bei seinem alten Arbeitgeber Cirquent/NTT Data in München an.

Noch einmal anklopfen kann auch, wer als IT-Experte betriebsbedingt gekündigt wurde. "Unternehmen, die gezwungen waren, fähige, erfahrene und hochqualifizierte Mitarbeiter zu entlassen, müssten Ehemalige eigentlich willkommen heißen", meint Gerhard Humbert, Headhunter von HSC Personalmanagement in Niedernhausen. Voraussetzung ist allerdings, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Dass Fach- und Führungskräfte sich wieder beim ehemaligen Arbeitgeber bewerben, sei nichts Neues in der Consulting-Branche, sagt Cirquent/NTT-Data-Personalleiter Uwe Kloos. "Eine professionelle Netzwerkpflege ist hier das A und O."

Kontaktpflege zu den Ex-Kollegen

Soziale Medien machen es einem leicht, Kontakte zu pflegen. So erfährt man schnell, was sich in der Ex-Firma zuträgt, etwa wenn eine Stelle frei wird. Führungskräfte, die den Faden zu ehemaligen Mitarbeitern nicht verlieren, können rasch nachhaken, sofern sich die Chance für ein Comeback ergibt. Das muss nicht immer sofort klappen, wie das Beispiel von Simon Mitchell zeigt. Der auf Finanzwesen und Controlling spezialisierte SAP-Berater hatte sich 2009 von Atos getrennt, als ihm eine in seiner Heimatstadt Regensburg ansässige Kundenfirma ein verlockendes Angebot unterbreitete. Doch der Schein trog, Mitchell klopfte erneut bei Atos an - jedoch ohne Erfolg: Einstellungsstopp. Nach einem Intermezzo bei der Allianz kehrte er schließlich Anfang 2012 zu Atos zurück.

Die Schattenseiten der Rückkehr

Dass Comebacker immer mit offenen Armen empfangen werden und gleich voll einschlagen, wie die Beispiele suggerieren, ist nicht realistisch. Doch angesichts des derzeit dünnen Personalangebots, meint Headhunter Humbert, "denkt jeder Personaler darüber nach, welches Potenzial er noch heben könnte". Wer als IT-Profi ein Comeback an alter Wirkungsstätte in Erwägung ziehe, begebe sich keineswegs in eine Sackgasse: "Für den Lebenslauf ist es nicht nachteilig, wenn man zweimal im selben Unternehmen gewesen ist. Das spricht für ein gutes Arbeitsverhältnis."

HSC-Mann Humbert würde ein Comeback durchaus empfehlen, wenn das frühere Ausscheiden "betriebsbedingt statt aus persönlichen Gründen erfolgt war und die Rückkehr sich im Lebenslauf als positive Weiterentwicklung darstellt". Möglichst vermieden werden sollte hingegen der Eindruck, der Kandidat sei "betriebsblind und fühle sich nur bei diesem Unternehmen wohl".Durchweg negativ beurteilt hingegen Heiko Mell das Thema Comeback. Seit rund 25 Jahren berät der Kölner Headhunter Bewerber im Karriereforum des Ingenieurverbandes VDI. Sein Fazit nach rund 15.000 geführten Bewerbungsgesprächen und abertausend studierten Lebensläufen: "Oft enden Comebacks unbefriedigend. Wer zurückkehrt, bleibt nicht lange."

Wichtiges Signal nach innen

Das Band des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter, begründet Mell seine ablehnende Haltung, sei durch die erfolgte Kündigung "zerschnitten" und werde bei einem Comeback lediglich "geflickt". Unweigerlich wüchsen Zweifel, und zwar auf beiden Seiten: "Beim zweiten Mal trennt man sich schneller."

Karriere vergleicht der Personalberater mit einer Rolltreppe: Bleibt man stehen, kommt man langsamer weiter. Wer aktiv vorwärtsstrebe, könne ein sich schnell wandelndes Umfeld erleben. Zurückzugehen hingegen rufe Probleme hervor: "Das wäre gegen die Spielregeln", begründet Mell seine Skepsis.

Das beurteilt Stephan Dahrendorf, Personalleiter von Xing, völlig anders. Sechs Comebacker, vom Management bis zu Entwicklern, kennt er in den eigenen Reihen. Für Dahrendorf ist die Rückkehr eines ehemaligen Kollegen ein wichtiges Signal nach innen: dass jemand um einer guten Entwicklungsmöglichkeit willen gehe, sei stets möglich. Kehre jemand zurück, sei dies aber Beleg dafür, dass er "nicht weg vom Arbeitgeber, sondern hin zu einer neuen Herausforderung will". Das gebe auch den Kollegen Sicherheit, beim richtigen Arbeitgeber zu sein.

Auch Computacenter-Recruiterin Kandziora hält die Vorbehalte für wenig stichhaltig. Auf Anfrage ermittelte sie, dass neun Prozent derjenigen, die das Unternehmen verlassen, zurückkehren. Eine überzeugende Firmenkultur oder "Nestwärme", wie es Computacenter-Comebacker Gottschalk nennt, hat zu seinem Wiedereinstieg ebenso beigetragen wie ansprechende Entwicklungsangebote auf breiter Front. "Zunächst wollte ich nur meine Fachkarriere fortsetzen, bewarb mich dann aber für eine Position auf der nächsthöheren Ebene", skizziert er seinen Neustart. Nach einem erfolgreich gemeisterten Assessment wurde Gebhardt zum Regional Manager ernannt.

Kozisek ist zurückgekehrt, weil ihm wichtig ist, nicht alles für den Beruf zu opfern: "Zeitaufwendige Reisen zwangen mich, große Abstriche im Privatleben zu machen." Dabei sind Arbeitnehmer besonders dann leistungsfähig, wenn die Work-Life-Balance stimmt, wie Arbeitgeber immer wieder auf Messen und ihren Karriere-Websites betonen. "Mit Geld lässt sich das nicht aufwiegen", hat Kozisek eine wichtige Lektion gelernt.

Attraktive Gehälter und Karriereoptionen, dieses Fazit kann man durchaus ziehen, reichen nicht aus, um Mitarbeiter - auch als Rückkehrer - langfristig ans Unternehmen zu binden. Sie wollen auch als Person Wertschätzung erfahren. Und daran scheint es oft zu mangeln, wie Xing-Personalchef Dahrendorf nicht ohne Selbstkritik anmerkt: "Als Arbeitgeber und als Führungskraft neigt man dazu, Mitarbeitern erst nach ihrer Kündigung zu sagen, wie wichtig sie sind und wie sehr sie fehlen werden." (hk)

Winfried Gertz ist freier Journalist in München.