"Wir haben uns immer an Standards orientiert"

SAA und AD/Cycle werden nicht im luftleeren Raum konzipiert

31.08.1990

Mit Earl Wheeler, IBM-Vice-President und General Manager Programming Systems, sprach COMPUTERWOCHE-Mitarbeiter Wolf-Dietrich Lorenz* auf der diesjährigen Frühjahrstagung der Share Europe in Berlin über das AD/Cycle-Konzept und SAA.

*Wolf-Dietrich Lorenz leitet die Abteilung Conferences, Seminars, Education (CSE) der IDG Communications Verlag AG in München; außerdem zeichnet er für die im selben Verlag erscheinende Zeitschrift "Information Management" (IM) verantwortlich.

Das "Anniversary Meeting" der IBM-Benutzerorganisation Share Europe wird heuer vom 1. bis zum 5.Oktober in Paris stattfinden. Auf dem Tagungsplan stehen neben dem Betriebssystem MVS die Themen Networking, Systems Management und Office Systems. Weitere Informationen erteilt das Headquarter der Share Europe (SEAS), 17 Rue de Pierres-du-Niton in 1207 Genf/Schweiz, Telefon 04 11-2 27 35 40 66.

CW:Welche Bedeutung mißt IBM dem Repository Manager bei?

Wheeler: Der Repository Manager/WS ist ein Entscheidungskriterium für die Informationsbeschaffung bei der Anwendungsentwicklung. Dieses Tool unterstützt die unternehmensinterne Anwendungsentwicklung auf allen Ebenen. Es berücksichtigt Informationen über die DV-Umgebung eines Unternehmens, die Organisationsstrukturen sowie die verschiedensten - Aktivitäten und Arbeitsprozesse.

CW:Können auch Anwender mittlerer Systemkonfigurationen vom AD/Cycle-Konzept und seinem Kernstück, dem Repository Manager, fitieren?

Wheeler:AD/Cycle ist für alle IBM-Systemanwender interessant. Die von der IBM und deren Geschäftspartnern vorgestellten AD/Cycle-Produkte sind wesentlicher Bestandteil des neuen umfassenden Angebots für Programmentwicklungen.

CW:Wieviele Vorteile bietet das Konzept dem Anwender?

Wheeler: AD/Cycle unterstützt die Automatisierung der Programmerstellung. Dadurch werden die Programmierer entscheidend produktiver. Eine gesteigerte Produktivität wiederum wird dazu beitragen, die Arbeitsrückstände im Bereich der firmeninternen Programmierung langsam aufzuholen.

CW:Steigt dadurch nicht der Schulungsaufwand?

Wheeler:Die Produkte innerhalb des AD/Cycle-Konzepts sind auf die Richtlinien für unsere System Applications Architecture (SAA) abgestimmt. Für den Anwender bedeutet das, daß Programmanwendungen auf verschiedenen IBM-Computersystemen lauffähig sind. Dennoch kann er mit einer einfach zu bedienenden, einheitlichen Benutzeroberfläche arbeiten, die den Anlernaufwand minimiert.

CW:Es gibt Stimmmen, die behaupten, daß SAA und AD/Cycle sich niemals hundertprozentig durchsetzen werden, da die Probleme bei der Installation nicht in den Griff zu bekommen seien.

Wheeler: Was die angesprochenen Installationsprobleme betrifft, so hat IBM durchaus gegenteilige Erfahrungen gemacht. Man kann sogar sagen, daß wir sowohl für SAA als auch für AD/Cycle jeden Tag neue Kunden gewinnen. Unsere SAA-Plattformen sind mittlerweile fest etabliert. Um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden zu gewährleisten, werden wir in Zukunft eine breitere Palette an Lösungen anbieten, die die Leistung von Workstations und relationalen Datenbank-Managern für den gesamten Unternehmensbereich ausnutzen können.

CW: Wann wird das sein?

Wheeler:Was die einzelnen angekündigten Produktentwicklungen in diesem Rahmen betrifft, so möchte ich auf unsere AD/Cycle-Produktankündigung vom 19. September 1989 verweisen, in der alle voraussichtlichen Termine genannt wurden.

CW:Doch zurück zu den Installationsproblemen ...

Wheeler: SAA bietet eine offene Architektur. Der Kunde besitzt damit in jeder Hinsicht den Vorteil der Flexibilität, wenn es um die Auswahl der geeigneten Systemplattform geht. SAA unterstützt ISO, ANSI und OSF; die Architektur ist zudem so konzipiert, daß sie auch mit Neuentwicklungen in dieser Richtung harmoniert und die Vorteile von heterogenen Umgebungen nutzen kann. Schließlich wurde SAA zusammen mit dem Kunden für den Kunden konzipiert, um auf dem Gebiet

der Betriebssysteme Gemeinsamkeiten zu schaffen, wo sie aus der Sicht des Kunden gegeben sein sollten. Wir sind überzeugt, daß wir diesem Wunsch Rechnung tragen.

CW:Das Herz des AD/Cycle-Konzepts ist eine proprietäre IBM-Software, auch wenn sich an der Oberfläche die Produkte verschiedenster Hersteller tummeln.

Wheeler:Sie liegen falsch, wenn Sie annehmen, daß sich hinter SAA letztendlich nur IBM-Software verbirgt. Als wir SAA konzipiert haben, war es wichtig für uns, Standards zu schaffen. Wann immer eine Schnittstelle festgelegt werden mußte, haben wir uns

am Standard orientiert, sofern es diesen gab. Wir haben nur dann Ausnahmen gemacht, wenn es dem ausdrücklichen Wunsch des Kunden entsprach. Da wir fortfahren, SAA in Bereichen einzusetzen, in denen es bislang keine Standards gibt oder in denen diese sich gerade erst entwickeln, legen wir selbstverständlich auch unsere Lösungen vor.

CW:Häufig wird die Frage nach der Bindung des Anwenders an die IBM gestellt. Wie antworten Sie darauf?

Wheeler: Nichts hindert uns daran, die Entwicklung eines Standards, in dem jeweiligen Bereich aktiv zu unterstützen, wenn sich ein solcher herauskristallisiert. Die SAA-Spezifikationen sind offen und deswegen für alle verfügbar und interessant -

nicht nur für jene Gremien, die sich mit der Festlegung von Standards befassen.

CW:Inwieweit werden die Anwender in der Lage sein, ihre eigenen Applikationen unter AD/Cycle zu erstellen?

Wheeler:AD/Cycle wird die Anwender in diesem Prozeß in allen Phasen der Anwendungserstellung wie Analyse, Konzept- und Programmerstellung sowie Test und Wartung unterstützen. Die AD/Cycle-Produkte orientieren sich am Standard des Common User Access (CUS); also können Anwendungen erstellt werden, die sich eindeutig an den SAA-Richtlinien orientieren. Damit bietet IBM eine integrierte offene Architektur, die dem Anwender einen Vorsprung mit auf den Weg gibt.

Daran kommt niemand mehr vorbei

Am 19. September ist es ein Jahr, daß die IBM ihr Anwendungsentwicklungs-Konzept AD/Cycle vorstellte. Mit einem Schlag veränderte sich der Markt für das, was die Marketing- Software-Engineering-Tools, CASE-Umgebungen, IPSE oder wie auch immer getauft hatten: Seither werden alle Softwareprodukte, die im weitesten Sinn dem Bereich Anwendungsentwicklung zugerechnet werden können daran gemessen ob sie (wann, warum und inwiefern) in das Konzept des Marktführers einzupassen wären.

An AD/Cycle kommt einfach niemand mehr vorbei - die Konkurrenz nicht und die Anwender vermutlich noch weniger. Dies und die Tatsache daß sich der Schwerpunkt dieses Heftes dem Thema CASE widmet, ist Grund genug, die Anwendungsentwicklungs-Vision

der IBM einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

Zu Wort kommen auf der IBM-Seite der "SAA-Vater" Earl Wheeler sowie der Produkt-Manager Stephan Lettau. Als Branchenkenner und Anbieter eines Produktes, das mit dem "Repository Manager" konkurriert, setzt der MSP-Geschäftsführer Ernst Kelting ein Gegengewicht zu den Ausfühen der IBM-Manager. qua