Neues Netz für Bayerns Volks- und Raiffeisenbanken

Router-Plattform löst den Bandbreitenknoten

28.08.1998

Bankenalltag vor dem Jahrtausendwechsel: Die europäische Währungsunion steht vor der Tür, der Trend zur Selbstbedienung hält an, Electronic Banking via PC gewinnt an Gewicht. Kurz: Die Ansprüche der Kunden an die Servicefähigkeit ihrer Bank steigen enorm. Die Kreditinstitute stehen deshalb vor der Aufgabe, ihre Servicestellen zu dezentralisieren, die Ka- pazität der Netze zu erweitern und die IT-Infrastruktur flexibel und wachstumsorientiert zu gestalten.

Dieser Umbruch, so Michael Krings, Vorstandsvorsitzender der Rechenzentrale Bayerischer Genossenschaften eG (RBG), wird von drei wesentlichen Faktoren begleitet, die die gesamte Netzwerklandschaft in den kommenden Jahren beeinflussen werden: fallende Preise, der zunehmende Bedarf an höherer Bandbreite durch Multimedia-Anwendungen und eine stärkere Standardisierung. "Mittelfristig wird sich TCP/IP durchsetzen", konstatiert der Chef des IT-Dienstleisters der Bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken für den Netzwerkbereich.

Um sich darauf angemessen vorzubereiten, hat die RBG bereits 1996 das Projekt "NOW" (Netzoptimierung und -weiterentwicklung) ins Leben gerufen. Es sollte den Banken und ihren Filialen ein leistungsfähiges und zukunftssicheres Netz bereitstellen, das den erhöhten Anforderungen an Übertragungsgeschwindigkeit und -menge gerecht wird und dabei eine höhere Ausfallsicherheit und Wirtschaftlichkeit garantiert.

"Unser X.25-Netz konnte diesen Anforderungen nicht mehr gerecht werden", argumentiert Systemtechnikerin und Projektleiterin Christine Haslwimmer. Dreh- und Angelpunkt der RGB-Überlegungen war jedoch, mehr Stabilität und Zuverlässigkeit zu erreichen, denn fällt ein zentraler Kommunikationspunkt aus, stehen die Bankgeschäfte still.

In der Vergangenheit waren die Zweigstellen der Banken über eine Soft- und Hardwarekombination an die beiden Rechenzentren in Nürnberg angeschlossen. Aufgrund der Marktentwicklung war es absehbar, daß die eingesetzte PC-orientierte IBM-Lösung "Routexpander/2" sowie die "WAC"-Karte nicht weiterentwickelt und gewartet werden. Pro Communication-Server konnten nur acht Ports zur Zweigstellen-Anbindung genutzt werden.

Der Datenverkehr zwischen der Hauptstelle und den Filialen der Bank wurde "gebridged". Darüber hinaus machten der RBG Treiberprobleme mit den Kommunikationskarten zu schaffen. Bei möglichen Softwarefehlern wären Korrekturarbeiten in 4300 betreuten Lokationen angefallen. "Ein derartiger Aufwand läßt sich mit einer reinen Hardwarelösung in Form eines Routernetzes deutlich reduzieren", nennt Haslwimmer einen weiteren Grund.

Vor Beginn des Router-Projekts lief über das Netz im wesentlichen Cluster-orientierte SNA-Kommunikation. Zur Grundlast der Systemsoftware gesellte sich nach und nach Netbios-Verkehr hinzu, weil lokale Netze mit Beratungsprogrammen installiert wurden. Der Trend zu Bank-Selbstbedienungs-komponenten in Tankstellen, Einkaufszentren und in unbemannten Zweigstellen tat ein übriges, den Bedarf an Bandbreite in die Höhe zu schrauben.

Im April 1997 kam es dann zur Entscheidungsfindung. Zuvor waren mehrere Angebote unter die Lupe genommen worden. Die RBG prüfte die angebotene Lösung nicht nur theoretisch, sondern pilotierte sie auch: In einer Bankfiliale wurden die Router und Produkte der Wettbewerber installiert und unter realen Bedingungen getestet. Heraus kam, daß nur IBM-Router das aus OSI stammende Protokoll CMIP/ CMOL (CMIP = Common Management Information Protocol, CMOL = CMIP over logical link control) des LAN-Managers interpretieren konnten. Durch den gleichen Quellcode sowohl im Router als auch bei den Vorrechnern war auch die Kompatibilität zu den Großrechnern gewährleistet.

Darüber hinaus zeigte die IBM-Lösung, daß sie mit Komponenten aus eigenem Hause besser zurechtkommt, denn die Kernanwendungen der RBG-Rechenzentren (CReOS/2 und SB-Server) nutzen Protokolle aus Big Blues SNA-Welt ( unter anderem APPN = Advanced Peer to Peer Networking). IBMs "2210-Nways-Multiprotocol"-Routernetz ist zudem die Grundlage für ein flächendeckendes Client-Server-Netz auf OS/2-Basis.

Kunden in zwei Phasen angeschlossen

Bei den Kunden der RBG handelt es sich um regionale Banken mit einer Hauptstelle und in der Regel einigen Geschäftsstellen. Die Netztopologie ist bis auf wenige Ausnahmen so strukturiert, daß eine Datendirektverbindung vom RBG-Rechenzentrum zur Hauptstelle und von dort sternförmig zu den einzelnen Filialen führt. In der ersten Phase des Projekts wurden die Zweigstellen der regionalen Banken über Router an das Rechenzentrum angeschlossen, in der zweiten Phase dann die Hauptstellen. Gleichzeitig führte die RBG überall APPN als Netzprotokoll ein. Ende 1998 oder Anfang 1999 soll sowohl im WAN- als auch im LAN-Bereich TCP/IP als Netzwerk-Protokoll-Standard installiert werden. Mit der Einführung des Euro wird das Router-Netz in Betrieb gehen.

Die Router-Lösung versetzt die RBG in die Lage, die Kundenwünsche bezüglich Netzverfügbarkeit und -verläßlichkeit rund um die Uhr zu erfüllen. Auch bei schnellem Wachstum des Netzes um weitere Selbstbedienungseinheiten (SB) kann der SB-Server diese weiterhin stabil überwachen.

Durch Einsatz des Datalink-Switching-Protokolls konnte der Zweigstellenverkehr im WAN auf die reinen Nutzdaten reduziert werden, die Router sorgen also für effektivere Ausnutzung der Bandbreite. Das Antwortzeitverhalten der Bankgrundorganisations-Software CReOS/2 wurde auch durch die Priorisierung des SNA- vor dem Netbios-Protokoll verbessert. Der Wechsel auf schnellere und teurere Datendirektverbindungen läßt sich somit zumindest teilweise vermeiden.

Die Trennung des Kommunikationsteils einer Verbindung (der Router-Welt) von den Anwendungsprogrammen in der PC-Welt umschifft Abhängigkeiten und reduziert Ausfälle. Die Banken müssen sich nicht mehr um Treibersoftware für die WAC-Karten von IBM kümmern und jeden PC-Arbeitsplatz bei System-Release-Umstellungen einzeln versorgen. Bestechend für die RBG war darüber hinaus, daß keine Kosten für die Inbetriebnahme der Router durch spezielle Installationsteams entstanden sind. "Die Router konnten tatsächlich im Plug-and-play-Verfahren montiert werden und haben eine absolut problemlose Inbetriebnahme ermöglicht", bestätigt Projektleiterin Haslwimmer.

Die Vorteile für die RGB infolge der Installation des Router-Netzes stellen sich folgendermaßen dar: Es gibt weniger Konfigurationsvarianten und somit weniger Verwaltungsaufwand. Zudem reduziert sich die Zahl der möglichen Fehlerquellen, was wiederum die Analyse erleichtert. Schließlich ist die Router-Konfiguration und -Betreuung durch den hohen Automatisierungsgrad mit einem Minimum an Personal möglich.

Rechenzentren und Netze

Die RBG betreibt zwei autarke Rechenzentren in Nürnberg, die sich gegenseitig Backup-Unterstützung geben. Auf den IBM-Mainframes mit einer Rechenleistung von über 1000 MIPS wird eine klassische Software-Umgebung eingesetzt: das Betriebssystem MVS, die Datenbanksysteme IMS und DB2, Communication Server CS für den Anschluß der Ban- ken und ihrer Filialen. Auf den Clients und Servern in den Banken und im RBG läuft OS/2 mit DB2/2. Für Online-Transaktionen mit geringeren Datenmengen zwischen Banken und den Rechenzentren nutzt die RBG ein Primärnetz auf X.25-Basis mit Geschwindigkeiten zwischen 9,6 Kbit/s und 19,2 Kbit/s. Größere Datenvolumina oder Fernwartungsanwendungen laufen über ISDN-Wählverbindungen mit 64 Kbit/s. Die Kommunikation zwischen Volks- und Raiffeisenbanken und Filialen sowie entfernt installierten Geldautomaten erfolgt über Datendirektverbindungen. Dieses Sekundärnetz liefert Geschwindigkeiten zwischen 9,6 Kbit/s und 2 Mbit/s.

Das Unternehmen

Die Rechenzentrale Bayerischer Genossenschaften (RBG), München, ist der zentrale Dienstleister für rund 620 bayerische Volksbanken und Raiffeisenbanken, die ein Gesamtbilanzvolumen von über 179 Milliarden Mark vertreten. Sie verwaltet mit 850 Mitarbeitern rund 17 Millionen Konten, die Zahl der jährlichen Buchungsposten liegt bei 760 Millionen. Pro Jahr stemmt das RZ 1,6 Milliarden Dialogtransaktionen. Neben den bayerischen Genossenschaftsbanken arbeitet es auch für Lagerhäuser, Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen, Wasserzweckverbände, Brauereien und Vereine.

Die RBG betreut knapp 4300 Lokationen in Bayern mit rund 29000 PCs, 3000 Server sowie mehr als 5000 Router in den Hauptstellen und Filialen. An die beiden Rechenzentren in Nürnberg sind außerdem über 7200 Selbstbedienungsgeräte angeschlossen.

Angelika Keller ist freie Fachjournalistin in Herrsching.