DDR-Kombinate sehen Joint-ventures als Schutz gegen Übernahme an

Robotron setzt zum großen Kooperations-Rundumschlag an

06.04.1990

Von CW-Redakteur Christoph Witte

LEIPZIG - Auf der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse wurden Kooperationsverträge unterzeichnet Absichtserklärungen abgegeben oder einfach Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgelotet: Kurz nach IBM werden nun auch Siemens und Philips mehr oder weniger enge Bindungen mit den Kombinaten Robotron und Nachrichtenelektronik eingehen.

Trotz vieler Spekulationen bezüglich einer engen Zusammenarbeit zwischen Robotron und Siemens wird es laut Dietmar Otto, dein Pressesprecher des Kombinats, "keine Elefanten-Hochzeit mit Siemens geben. Wir stehen da eher auf Polygamie."

Friedrich Wokurka, Generaldirektor von Robotron, meinte allerdings ergänzend gegenüber der COMPUTERWOCHE: "Sie können davon ausgehen, daß wir mit Siemens-DI und -PE Vereinbarungen zur Zusammenarbeit auf dem Hardwaresektor treffen werden." Sein Steilvertreter Dieter Walter ist zu entsprechenden Verhandlungen in München. Wie Wokurka der CW weiter mitteilte, sei mit konkreten Ergebnissen in drei bis vier Wochen zu rechnen; Ich könnte mir vorstellen, daß drei bis vier Robotron-Betriebe mit den Siemens-Bereichen DI und PE zusammengehen werden."

Hans-Jürgen Lodahl, Direktor bei Robotron und zuständig für die Softwareentwicklung, bestätigte, daß der Siemens-Bereich DI, die SAP AG und VEB Robotron Projekt Dresden eine GmbH gründen werden. Ziel sei die gemeinsame Entwicklung und der Vertrieb von Softwareprodukten. Lodahl weiter: "Es besteht eine Absichtserklärung, mit Multisoft zusammenzuarbeiten. Die ist perfekt. Ferner wollen wir mit Aeni in Köln kooperieren." Zudem betonte der Software-Chef, daß er auf der CeBIT noch zwei weitere Zusammenarbeiten mit bundesdeutschen Unternehmen unter Dach und Fach bringen wolle.

Eine wesentlich weiterreichende Vereinbarung hat man mit der deutschen Philips und der Philips Kommunikations Industrie AG (PKI) getroffen. Gemeinsam vorgehen wollen die beiden zukünftigen Partner in den Bereichen Kommunikation, Telekommunikation, Bürokommunikation, Meßtechnik und bei elektronischen Konsumgütern.

Wie diese enge Zusammenarbeit im einzelnen aussehen soll, wollten weder Robotron-Sprecher Otto noch Norbert Hahn, Pressesprecher der PKI, unter Hinweis auf die herrschenden politischen Unwägbarkeiten erläutern.

PKI nutzt Fertigungskapazitäten von Robotron

In der Mitteilung der beiden Unternehmen heißt es lapidar: "Die Schwerpunkte werden sowohl in der Vertriebskooperation als auch in der Zusammenarbeit in Entwicklung und Fertigung, auf den Gebieten der Unterhaltungselektronik, der optischen Speicher, der Personal Computer, der Hochleistungsdrucker sowie der Telekommunikation liegen."

Gemäß dem Motto "Gemeinsamkeit macht stark" haben sich Philips und Robotron ein hohes Ziel gesetzt. Sie "streben gemeinsam eine führende Position auf dem Gebiet der High-Tech nicht nur in der DDR, sondern auch in Zusammenarbeit mit Partnern in der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten an."

Als erstes konkretes Beispiel zukünftiger Kooperation führte Otto ein geplantes Joint-venture auf dem Gebiet der Meßtechnik mit Philips und einem Robotron-Betrieb in Dresden an; ein "letter of intent" sei bereits unterzeichnet.

Hahn ergänzte: "Wir werden die Fertigungsressourcen von Robotron nutzen und umgekehrt. Außerdem wird Robotron unsere Produkte in der DDR und den RGW- Staaten präsentieren und wir die Erzeugnisse des Kombinats im Westen."

Robotron selbst wird in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. "Die notwendigen Papiere", so Otto, "liegen bereits der Treuhandstelle zur Umwandlung von Volkseigentum vor." Um zu einem klaren Profil zu kommen, wird sich der Konzern zukünftig in folgende Unternehmensbereiche gliedern: Telekommunikation, Umweltschutz, Automobilelektronik (Asics), Schreibtechnik, Rechentechnik (einschließlich Peripherie), Meßtechnik, elektronische Konsumgüter (Unterhaltungselektronik) sowie als letzten Bereich Service, Vertrieb und Schulung.

Die 21 volkseigenen Betriebe (VEB) arbeiten in Zukunft weitgehend selbständig unter dem gemeinsamen Dach. Aller Voraussicht nach formieren sie sich in GmbHs um. Die Dachgesellschaft bestimmt allerdings weiterhin die Strategie der Töchter. Beide Organisationsformen sind laut Otto offen für Kapitalbeteiligungen und Kooperationen, wobei Robotron-Chef Wokurka eher zurückhaltend meinte: "Über die Installierung der Holding als AG zu reflektieren, hat erst dann Sinn, wenn bestimmte, auch börsentechnische Bedingungen erfüllt sein werden."

Westdeutsche Banken schulen DDR-Manager

Angesprochen auf Mängel bei den betriebswirtschaftlichen Kenntnissen vieler DDR-Manager, winkte Wokurka ab. Man habe mit bundesrepublikanischen Banken bereits Vereinbarungen getroffen, das DDR-Führungspersonal dort weiterbilden zu lassen: "Die Banken waren da sehr schnell. Sie standen in der ersten postrevolutionären Phase bereit, unsere Leute auf internationales Managementdenken einzuschwören." Wokurka nannte die gesamte Crème de la Crème bundesrepublikanischer Geldinstitute wie die Dresdner Bank, Hypo Bank, Commerzbank und natürlich die Deutsche Bank.

Trotz aller Schwierigkeiten, scheint man bei Robotron keine Angst davor zu haben, vereinnahmt zu werden und die Kontrolle über die eigenen Geschicke zu verlieren. "Wir müssen den Verwaltungsapparat abspecken und betriebswirtschaftlicher agieren als bisher. Aber wir werden keine Schraubenzieherfabrik," erklärt Otto.

Eher besorgt über die Tendenz, daß sich bundesrepublikanische Unternehmen in DDR-Kombinate gleichberechtigt oder sogar als Mehrheitseigner einkaufen, gibt sich der Pressesprecher des Kombinats Nachrichtenelektronik (RFT) Heinz Mittank: "Im Vordergrund steht das Problem der wirtschaftlichen Entwicklung in der DDR. Es ist noch nicht geklärt, was mit den Kombinaten und Betrieben in der DDR passiert."

Seine Kombinatsleitung strebt eine Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen der Bundesrepublik an. In der Vermittlungstechnik kooperiert man mit SEL-Alcatel. Die betreffende Absichtserklärung ist bereits unterschrieben. Das französisch-deutsche Unternehmen will in der DDR sein digitales und ISDN-fähiges Vermittlungssystem "System 12" produzieren, um es zuerst der Deutschen Post (DDR) und in Zukunft auch an andere RGW-Staaten zu verkaufen.

Mit DDR-Kontakten Obstmärkte erobern

Als weiterer Partner hat sich die Siemens AG angeboten. Die Münchner wollen in Leipzig ihre digitale Nebenstellenanlage "Hicom" produzieren und über fünf Standorte vertreiben. Auch in diesem Fall ist bereits ein "letter of intent" unterzeichnet. In der Siemens-Pressemitteilung heißt es dazu: " Gegenstand der Vereinbarung sind Entwicklung, Fertigung, Vertrieb und Service."

Mittank betonte, daß er die, jetzige Situation durchaus für ermutigend hält, allerdings mahnte er auch zur Besonnenheit. Man müsse schließlich auch daran denken, inwieweit die notwendigen Rationalisierungen Arbeitslosigkeit erzeugen. Das Kombinat hat zur Zeit 37000 Beschäftigte in 18 Betrieben.

Im Raum steht die ängstliche Frage, wieviele davon gehen müssen. "Wir kooperieren, um wieder auf die Beine zu kommen. Denn wir sind weder technologisch auf dem gleichen Niveau, noch kann die Effektivität unserer Betriebe mit der westlicher Unternehmen mithalten."

Trotz aller Probleme, die die heutige DDR-Wirtschaft plagen, weiß der Kombinatssprecher doch, welchen Wert DDR-Betriebe und Kombinate für westdeutsche Unternehmen darstellen: "Wir bringen Erfahrungen und Kontakte in den RGW-Staaten mit. Unsere Experten kennen die dortigen Ansprechpartner seit Jahren und sprechen deren Sprache. Deshalb wollen wir den Export dorthin weiter ausbauen."

Dieser intensive Außenhandel der DDR mit den Staaten des RGW, der in Form von langfristigen Lieferverträgen gesichert ist, hat für die zukünftigen westlichen Partner allerdings zwei Seiten. Durch sie haben die Unternehmen zwar einen Fuß in den östlichen Märkten, aber die Frage, welchen Preis und in welcher Währung diese Kunden bezahlen, ist noch nicht beantwortet.