Freiberuflern sind 100 000-Mark- Computer zu teuer:

Risikoloser DV-Einstieg per Mikrocomputer

15.02.1980

Freiberuflich Tätige sind nach Unternehmensgröße und -struktur ideale Anwender von Mlikro-Systemen. Mit wenig Personal müssen vielfältige Aufgaben erledigt werden. Jeder Mitarbeiter muß sich mit einem gewissen Umfang an Routinetätigkeiten herumschlagen. Der Umfang der Tätigkeiten läßt die Verwendung von Rechnern der Größenordung um 100 000 Mark meist nicht zu. Dagegen bietet der Mikro einen risikolosen Einstieg in die EDV.

Als Erstanwendungen kommen die Taxtverarbeitung und die Adreßverwaltung (Klientendatei) in Betracht. Zusätzlich kann schon jetzt die Lohn- und Gehaltsrechnung dem Computer übertragen werden. ln naher Zukunft sind auch Finanzbuchführung und kleine lnformationsverwaltungssysteme zu erwarten. Mikro-Verbundsysteme werden schon bald die herkömmlichen Terminal-Systeme verdrängen.

Beim Kauf eines Mikros sollte der kommerzielle Anwender folgendes berücksichtigen: Der Reparatur-Service ist von wesentlicher Bedeutung, denn je effektiver der Computer eingesetzt wird, desto einschneidender ist sein Ausfall.

Chaos auf dem Software-Markt

Es wäre gut, wenn wenigstens eine Person im Betrieb mehr könnte als den Computer einschalten. Dieses Wissen kann in der Regel nur in Schulungskursen angeeignet werden.

Bei der Hardware ist in erster Linie der Speicherplatz ein Unterscheidungsmerkmal: Der interne Arbeitsspeicher sollte für das Anwenderprogramm mindestens 30 KB, das Floppy-Disk-Laufwerk mehr als 100 K pro Diskette bieten und mindestens zwei Laufwerke aufweisen (Datensicherung!).

Bei der Software sind zusätzlich zu quantitativen auch große qualitative Unterschiede möglich. Wie kann jedoch ein Erstanwender Mikro-Software beurteilen?

Der Händler sollte vor allem die Programme vorführen, die in Frage kommen. Denn in Softwarefragen sollte ein DV-Anfänger nicht allein dastehen, was bei dem Chaos auf diesem Markt teuer werden kann.

Man kann bei einer Vorführung nicht nachprüfen, ob das Programm tatsächlich fehlerfrei ist. Seriöse Programmersteller sichern jedoch Rückgaberecht oder Nachbesserung bei fehlerhaften Programmen zu (Garantie).

Da ein Programm prinzipiell nie fertig wird, muß es gepflegt werden. Grundsätzlich sollten neue Programm-Versionen für geringe Gebühren gegen alte Versionen umgetauscht werden, damit sie nicht wieder voll bezahlt werden müssen.

Bei schlampigen Dialogprogrammen wird der Computer zum Nervtöter

Ein weiterer Aspekt ist die Kompatibilität der Programme. Es sollte geprüft werden, ob das Textprogramm auf die Kundendatei der Adreßverwaltung zugreifen kann. Weiterhin, ob alle Programme einheitlichen Dialogaufbau haben oder ob bei jedem Programm andere Eigenheiten berücksichtigt werden müssen.

Bei schlampigen Dialogprogrammen wird der Computer zum Nervtöter, vor allem, wenn mit vielen verschiedenen Programmen gearbeitet werden muß und man nicht alle Feinheiten und Macken jedes einzelnen Programmes im Kopf behalten kann.

Dem Dialog kann man bereits bei der Vorführung auf den Zahn fühlen: Selbst tippen (der Verkäufer kann´s schon) und Unsinn eingeben. Wenn das Programm dann mit Unsinn antwortet, ist der Dialog nicht der Beste. Meldet sich der Rechner nach einer falschen Eingabe gar englisch (Systemfehlermeldung), dann vergißt man das Programm besser.

Die Hardware-Minimal-Konfiguration liegt bei knapp 10 000 Mark. Benötigt man anstatt des einfachen Matrixdruckers einen "Schönschreibdrucker" (Typenraddrucker), so kommt man auf 15 000 bis 20 000 Mark. Braucht man statt der Diskettenstation (300 KB) einen Plattenspeicher {10 bis 40 MB), so sind insgesamt zirka 30 000 Mark für die Hardware zu veranschlagen.

Für die "Grundsoftware von der Stange" sind etwa 2000 bis 5000 Mark zu planen. Wenn Programme speziell-angefertigt werden müssen, kann das zwischen 5000 und

20 000 Mark kosten.

Am Beispiel von (Standard-)Testprogrammen sollen zwei Preisbeispiele gebracht werden: Textprogramme für einen häufig installierten Mikrocomputer kosten zwischen 500 und 1000 Mark; für ein vergleichbares Programm bezahlen Sie bei einem selteneren Modell 2000 Mark. Kurse und "Anlernzeit" können mit etwa 2000 bis 4000 Mark angesetzt werden.

Textverarbeitung als Zugabe

In der Regel werden keine Arbeitskräfte durch Mikrocomputer ersetzt. Man muß aber auch nicht spezielles Personal einstellen, um den Computer bedienen zu können. Der Mikrocomputer bringt zum großen Teil qualitative Verbesserungen, die sich nur indirekt auf die Finanzen auswirken:

Das Personal wird von Routineaufgaben entlastet und gewinnt Zeit, für anspruchsvollere Tätigkeiten, die der Computer nicht übenehmen kann.

Mehrarbeit kann Schritt für Schritt durch den Computer aufgefangen werden. Die Einstellung zusätzlicher Kräfte kann (mindestens) hinausgezögert werden.

Der Computer kann durch Übersichten, Statistiken und graphische Darstellungen für mehr Transparenz bei Entscheidungen sorgen.

Zum Thema Wirtschaftlichkeit drei Bemerkungen:

Eine 20 TDM-Anlage kostet am Tag 20 Mark (fünf Jahre, 200 Tage), also etwa eine Brutto-Arbeitsstunde. Auch wenn die Anlage längst nicht voll ausgenützt wird, spart sie sicher eine Stunde pro Tag ein.

Ein Bildschrim-Textsystem kostet 15 000 Mark. Beim Mikro-System erhält man die Textverarbeitung praktisch als Zugabe.

Der Einstieg in die EDV per Mikrocomputer ist also kein finanzielles Abenteuer. Man hat vor allem die Möglichkeit trotz schlechter Ausnützung der Anfage erst einmal Erfahrungen mit dem "Kollegen Computer" zu sammeln.

Hannes Schießl ist Mitinhaber des Softwarehauses Schießl & Steiner