Richtlinien für den erfolgreichen Einsatz von Standardsoftware:Perfektionsanspruch treibt DV-Kosten hoch

28.08.1981

Böswillige Zungen behaupten, daß die Diskussion über Standardsoftware eine reine politische Entscheidung des DV-Management ist, um Angriffe auf die EDV-Abteilung abzuwehren. Durch den Einsatz von Standardsoftware könne der Anwendungsstau gelöst, der Kostenberg teilweise abgebaut und die Produktivität erhöht werden, lauten die Argumente. Die Diskussion wird selten ernsthaft, sondern eher als Alibifunktion geführt.

Das Ergebnis ist heute noch in der überwiegenden Zahl der Fälle, daß der Einsatz von Standard-Software grundsätzlich befürwortet wird - unter den konkreten Randbedingungen des anstehenden Problems aber nicht möglich ist. Der Anwendungsstau bleibt bestehen. Irgendwann hat dann die erste Fachabteilung im Unternehmen ihren Kleincomputer und arbeitet erfolgreich mit der zugehörigen Standardsoftware. Hier entsteht eine Glaubwürdigkeitslücke, deren Entstehen durch eine gezielte DV-Politik verhindert werden kann.

Teilabdeckung positiv

Diese DV-Politik sollte aus drei Hauptkomponenten bestehen. Erstens sollte eine Software-Evaluation Teil eines jeden EDV-Projektes sein. Zweitens sollte eine Verrechnung der DV-Entwicklungskosten die Grundlage für die Argumentation im Kosten-/ Nutzenbereich bilden. Zum dritten sollte man den Standardsoftware-Markt nicht auf den Isis-Katalog beschränken.

Das Phasenkonzept für die Abwicklung von DV-Projekten ist heute ein allgemein anerkannter und praxisbewährter Standard. Die Phase eins schließt bei allen am Markt dazu angebotenen Unterstützungs- und Dokumentationssystemen eine genaue Definition des Anforderungsprofils des Problems ein. Nur die Benennung dieser Phase - Istanalyse, Problemstudie, Voranalyse, Pflichtenheft etc. weicht voneinander ab, weniger der Inhalt. Nach Abwicklung der ersten Phase beginnen bei allen Systemen die konzeptionellen Phasen. Dies ist für den Einsatz von Standardsoftware zu früh. Hier muß, um ein Projekt softwareproduktionsneutral abzuwickeln, vor den konzeptionellen Phasen die gezielte Software-Evaluation einsetzen. Dabei darf nicht mehr nur nach 100prozentigen Lösungen gesucht werden. Auch eine Teilabdeckung der Anforderungen kann durchaus produktiv genutzt werden, wenn sie rechtzeitig vor Beginn der konzeptionellen Phase bekannt ist.

Verursachungsgerecht weiterbelasten

Die Weiterbelastung der DV-Entwicklungskosten ist eine wesentliche Argumentationshilfe für den Einsatz von Standardsoftware auch als Teillösung. Der Einzug der dezentralisierten Systeme in den Fachbereichen ist ja schwerpunktmäßig auch darauf zurückzuführen, daß die Bereitschaft zum Kompromiß zwischen Kosten und Leistungen besteht. Als Teilaufgabe innerhalb der Projektphase eins sind daher die Kosten einer 100prozentigen Lösung durch Eigenfertigung auf Basis des Mann-Tage-Verrechnungssatzes zu kalkulieren. Weiterhin muß es streng eingehaltene Politik des Unternehmens sein, die DV-Entwicklungskosten verursachungsgerecht weiterzubelasten. Unter diesen Voraussetzungen steigt die Akzeptanz einer 80prozentigen Lösung, die durch den Einsatz von Standardsoftware nur 60 Prozent der Ursprungskalkulation kostet. Der Perfektionsanspruch an eine Einrichtung, deren Rechnung andere begleichen, ist es nämlich, der die DV-Kosten im Gesamtunternehmen überproportional in die Höhe treibt.

Markt für Kooperation und Programm-Austausch

Und ein weiterer Punkt treibt die Kosten hoch, nämlich der

unumstößliche Glaube. "Bei uns ist das alles ganz anders" und "Gerade darin unterscheiden wir uns von unserem Wettbewerb". In der Industrie liegt

heute im Schnitt das Verhältnis von eigen erstellten Produktionsanlagen

zu Standardmaschinen bei rund eins zu zehn. Das Know-how des Durchschnittsunternehmens liegt also nicht in den Produktionsanlagen, sondern im Produkt. Für die Datenverarbeitung müßte im Grunde das Gleiche

gelten. Nicht die Programme sind wichtig, sondern die durch sie bewältigten Zahlen- und Informationsströme. Mit dieser Grundeinstellung könnte viel Geld gespart und ein weiter Markt für Kooperation und Programmaustausch geöffnet werden. In den entsprechenden Arbeitsgruppen der Verbände sitzen schon heute die DV-Manager der einzelnen Branchen zusammen. Wenn die Unternehmenspolitik es ihnen erlaubte, offen über ihre Programme zu reden und diese eventuell auszutauschen, wäre dies ein erster Schritt in diese Richtung. Zum Teil geschieht dies heute schon wenn auch nur, gemessen an den Gesamtmöglichkeiten, in geringem Maße.

Mit der strikten Befürwortung des Standardsoftwareeinsatzes durch die Unternehmenspolitik allein ist aber noch nicht der Erfolg garantiert. Nach Schaffung dieser Voraussetzung gibt es noch drei Richtlinien, deren Beachtung den erfolgreichen Einsatz von Standardsoftware abzusichern hilft.

Vor Vertragsabschluß sollte in jedem Falle eine Einsicht in den Quellencode genommen werden. Er ist gemäß den unternehmensinternen Qualitätsstandards zu prüfen. Ein Softwareprodukt sollte nur dann beschafft werden, wenn es den Qualitätsstandards des Unternehmens zum größten Teil genügt.

Jede Anpassung der Standardsoftware hat zu unterbleiben. Lediglich eine Ergänzung von Programmen oder Programmteilen darf ab fest definierten Schnittstellen erfolgen. Nur so bleibt die Standardsoftware als das erhalten was sie ist und wird nicht in den Strudel eines allgemeinen Programmdickichts herabgezogen.

Dies sichert auch die Möglichkeit einer konfliktfreien Wartung aufgrund eines Wartungsvertrages. EDV-internes Ziel des Standardsoftware-Einsatzes ist ja die Kapazitätsentlastung im Bereich Programmerstellung und Programmwartung. Dazu sollte man in jedem Falle den Abschluß eines Wartungsvertrages anstreben. Mit der Festlegung einer jährlich zu zahlenden Wartungsgebühr (meist zehn Prozent vom Anschaffungspreis) kann man den Qualitätsdruck auf den Hersteller der Standardsoftware enorm steigern.

Fazit: Die unternehmenspolitische Entscheidung für den forcierten Einsatz von Standardsoftware erschließt ein ungenutztes Rationalisierungspotential sowohl im Fachbereich als auch in der DV-Abteilung. Ganz offensichtlich geht es aber vielen Firmen heute noch so gut, daß sie es sich leisten können, dieses Potential brach liegen zu lassen.

Ulrich Füting ist Mitarbeiter der Diebold Deutschland GmbH.