Anwenderbericht Bekleidungswerke Friedrich W. Brinkmann, Herford:

Reservat für die Lochkarte

18.05.1979

HERFORD - Wie in vielen anderen, vor allem mittelständischen Unternehmen gehört es auch bei den Herforder Friedrich W. Brinkmann Bekleidungswerken zur Regel, daß die Verwaltungsarbeit nicht kontinuierlich anfällt, sondern stoßweise - man denke an das Eintreffen einer Lieferung mit Sasionware. Nun hat sich Brinkmann gegen derartige Engpaßsituationen nicht, wie zu erwarten wäre, mit einem "schnellen" Dialogsystem abgesichert, sondern vertraut der guten alten Lochkarte. Die Gründe dafür erläutert Manfred Steffens, Leiter der Organisation und EDV bei Brinkmann.

Man kann nicht sagen, daß wir der Lochkarte den Vorzug vor einem dialogfähigen System gegeben haben- es muß aber auch gesagt werden, daß es für die mittelständische Industrie noch kein rationelles und wirtschaftliches Belegleseverfahren auf der Basis von ausgedruckten Belegen gibt.

Wir haben daher unsere Organisation auf die 96spaltige Lochkarte abgestellt sie dient als Beleg in der Fertigung, Leistungskontrolle, Lagerwirtschaft und Fakturierung.

Auf schnellste Information angewiesen

In der Bekleidungsindustrie ist es eine ganz dominierende Aufgabe der nächsten Jahre, viel stärker als bisher den Dialog per Bildschirm an den Arbeitsplatz heranzubringen, insbesondere in den Bereichen Auftragsabwicklung und Materialwirtschaft. Hier nämlich sind wir wegen des saisonal ausgerichteten Marktes und anderer Gegebenheiten auf schnellste Information angewiesen.

Wir haben in der Bekleidungsindustrie die Problematik eines sehr hohen Rechnungsausgangs mit relativ kleinen Posten; und der Geldumschlag (die Debitoren) wickelt sich in drei oder vier Monaten ab; aber es sind unzählige Posten - wie will man das in einer konventionellen Buchhaltung machen? Da bleibt nur die Offene-Posten-Buchführung im Dialog.

Allerdings unterscheiden wir genauestens zwischen effektivem Dialog und reiner Datenerfassung. Datenerfassung setzen wir da ein, wo wir die hohen Kapazitäten von Locher oder Diskettenstationen ausnutzen können. Die erfaßten Daten werden dann per Computer diagnostiziert - im Batch-Betrieb beispielsweise - und die ausgegebene Fehlerliste dem Sachbearbeiter übergeben

Dies ist nach unseren Erfahrungen weitaus effektiver, als wenn wir den Sachbearbeiter an den Bildschirm setzen, der da nun einen Auftragseingang oder -bestand diagnostizieren soll. Antwortzeiten spielen da eine Rolle, und er hat auch nicht alles hundertprozentig im Griff, weil er am Bildschirm direkt seine Fragen nicht beantwortet bekommt. Er muß nämlich auch Rücksprache nehmen mit dem Verkaufsleiter oder mit dem Kunden, wenn es um eingeräumte Preise, Liefertermine oder ähnliches geht. Da hilft ihm der Bildschirm wenig.

Dialog um jeden Preis auf keinen Fall

Wenn die Antwortzeiten vertretbar sind und der Bildschirm sofort komplette Lösungen liefert (dazu gehören auch automatische Warnungen, wenn etwas nicht in Ordnung ist), dann ist der Dialog-Bildschirm angezeigt. Ist dies aber nicht der Fall - oder werden die Datenerfassungskapazitäten nicht erreicht - dann wieder weg vom Bildschirm. Dialog um jeden Preis auf keinen Fall!

Unser Haus beschäftigt sich jetzt im neunten Jahr mit EDV - angefangen haben wir mit dem Ursprung der System /3-Familie von IBM. Wir sind heute in der Lage zu sagen: Was ist machbar mit einem System, und was ist vor allem sinnvoll? Es ist nicht mehr so wie vielleicht vor sechs, sieben Jahren, daß man einem VB die Lobsprüche auf sein System abnehmen muß. Wir unterliegen daher auch nicht mehr der Gefahr, uns vielleicht mit einer dialogfähigen Anlage auszustatten, nur weil man ihr Wunderdinge zuschreibt. Ebensowenig wird es uns passieren, daß man uns eine Anlage andient, die dann in der Praxis hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Vor Vertragsabschluß prüfen wir konzentriert die Einsatzfähigkeit des uns offerierten Systems bis ins Detail, bis hin zum Austesten, zum Ermitteln des Antwortzeitverhaltens. Das Ziel dabei ist den Bildschirm-Arbeitsplatz wirklich arbeitsfreundlich und praktikabel zu machen. Denn nichts ist schlimmer als einen Sachbearbeiter, der nicht motiviert ist "mit dem Ding mitzuziehen".

Jedes Extra muß bezahlt werden

Fehleinschätzungen bei der Frage "Dialogverarbeitung beim Sachbearbeiter - ja oder nein?" dürften am ehesten darin begründet sein, daß man sich nicht ausreichend die Problemsituation klargemacht hat, die man lösen will, daß man die Voraussetzungen im eigenen Unternehmen nicht oder falsch wahrnimmt

Es steht also immer eine Art von Unwissenheit dahinter, die man fairerweise aber auch dem Systemhersteller zugestehen muß. Denn wie kann er in kürzester Zeit komplexe und individuelle Betriebsabläufe erkennen und beurteilen? Das ist heute wohl nicht mehr die Aufgabe eines Herstellers. Früher installierte ein Hersteller ja nicht nur die Hardware sondern gab auch noch die Software dazu. Heute ist das anders: Da wird nur noch verkauft, und jedes Extra, das man haben will, muß bezahlt werden.

Irrtümer und Fehler bei der Installation von Dialog-Systemen sind unverhältnismäßig teurer, als wenn man angemessen in die Vorplanungs-Phase investiert. Zur Vermeidung dieser Fehler gehört das detaillierte Durchforsten des Betriebs; und wenn die eigenen EDV-Kenntnisse nicht ausreichen, sollte man sich zur Unterstützung an ähnlich strukturierte, befreundete Unternehmen wenden, die so etwas schon gemacht haben - oder an einen Unternehmensberater.