Reorganisationen bei SNI, Bull, Olivetti und ICL Rosskur keine Garantie fuer Europas DV-Anbieter

23.12.1994

PARIS (IDG) - Die grossen krisengeschuettelten DV-Hersteller Europas Bull, Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI) und Olivetti mussten im abgelaufenen Jahr die richtigen Weichen fuer die Rueckkehr in die Gewinnzone stellen. Mit zum Teil einschneidenden Reorganisationsmassnahmen versuchten sie, sich wieder fit zu machen.

"In der Vergangenheit konnten grosse DV-Konzerne ueberleben, auch wenn sie in bestimmten Bereichen durchschnittlich, in anderen schlecht und nur in einigen Sektoren wirklich gut waren", urteilt Glenn Guthbertson, bei der Gartner Group in England Vice-President und Research Director IT-Management. Heute koennten die grossen Player mit einer solchen "Strategie" nicht mehr bestehen. Wenn sie ihr Angebot nicht an Trends wie Client-Server-Verarbeitung anpassten, waeren sie nicht mehr in der Lage, den Veraenderungswuenschen ihrer Kunden nachzukommen.

Der Wettbewerbsdruck nimmt zu. Immer kuerzere Produktzy-

klen und niedrigere Hardwaremargen stellen die Europaeer vor das Problem, ihre Entwicklungsausgaben nicht mehr einspielen zu koennen. Ausserdem wird der erbitterte Kampf um Anteile am Consumer- Markt fast ausschliesslich ueber den Preis ausgefochten.

Diese Herausforderungen haben dazu gefuehrt, dass die Player nicht mehr so sehr auf den Hardwaresektor setzen, sondern sich verstaerkt um das Servicegeschaeft kuemmern. Schlankere Strukturen, Arbeitsplatzabbau und die Konzentration auf gewinnbringende Kerngeschaefte waren weitere Probleme, mit denen sich die Hersteller 1994 befassten.

Aufgrund dieser Anstrengungen und der erstarkenden Konjunktur hoffen die Manager von Bull, Olivetti und SNI auf ausgeglichene Halbjahresergebnisse. Zum Ultimo 1995 wollen sie wieder Gewinn ausweisen.

Eines ihrer Hauptprobleme haben die Unternehmen allerdings nicht geloest. Die Entscheidungsprozesse sind immer noch zuwenig an den veraenderten Markterfordernissen ausgerichtet. Noch immer dreht sich in den Firmen zuviel um Besitzstandswahrung.

"Wir muessen unsere Manager staerker unter Druck setzen", fordert beispielsweise Bull-Chef Jean-Marie Descarpentries. Er selbst kann sich ueber einen Mangel an anspruchsvoller Beschaeftigung nicht beschweren. Seine Aufgabe bestand 1994 darin, den franzoesischen Hersteller fuer private Investoren attraktiv zu machen. Bisher hat er sein Versprechen, das Geschaeftsjahr operational ausgeglichen abzuschliessen, nicht erfuellt.

Nach Ablauf der ersten neun Monate verbuchte Bull noch einen Verlust von 1,51 Milliarden Franc (rund 480 Millionen Mark) - gegenueber dem Fehlbetrag von 3,57 Milliarden Franc im Vorjahreszeitraum ein gewaltiger Fortschritt. Allerdings flossen die Restrukturierungsaufwendungen in Hoehe von 710 Millionen Franc nicht in die jetzige Abrechnung ein.

Positiv vom Rest des Unternehmens abgehoben hat sich die PC- Division Zenith Data Systems. Sie konnte gegenueber dem Vorjahr ihre Einnahmen um 55 Prozent erhoehen. Aehnliches gilt fuer das Segment Systems Integration and Services, wo die Umaetze um 20 Prozent stiegen. Diese Einheit ist gleichzeitig Bulls groesster Hoffnungstraeger fuer den Weg zurueck in die Profitabilitaet.

Aufgrund der positiven Veraenderungen interessieren sich einige IT- Schwergewichte fuer eine Beteiligung an einer privatisierten Groupe Bull. AT&T, IBM, NEC, Motorola, Acer und Samsung sollen Angebote abgegeben haben.

Waehrend sich Bull auch aufgrund dieser potentiellen Partner Hoffnungen auf einen Aufschwung machen kann, kaempft die SNI AG nach wie vor mit Problemen aus ihrer Gruenderzeit.

Obwohl die Verluste von 750 Millionen Mark im Geschaeftsjahr 1990/91 inzwischen auf 350 Millionen Mark abgebaut wurden, ist die Hoehe des Fehlbetrags immer noch besorgniserregend. Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf Gerhard Schulmeyer, der im Oktober das Ruder uebernahm. "Wir muessen uns mehr auf unsere Kunden und nicht auf unsere internen Probleme konzentrieren", fordert der neue Chef. Er hat sich fuer das kommende Jahr nicht nur vorgenommen, die Produktivitaet um 15 Prozent zu erhoehen, auch die Auftragsabwicklung soll dramatisch beschleunigt werden. Die Bearbeitungszeit, die in einigen Bereichen bis zu 106 Tage betraegt, will er auf ein bis zwei Wochen verkuerzt sehen. Ausserdem plant Schulmeyer, im Management Personal abzubauen und die Vertriebsorganisation prozessorientierter auszurichten. Fuer das naechste Jahr sagt der neue Boss schwarze Zahlen voraus.

Zwar werden die eingeleiteten Schritte von Industriebeobachtern begruesst, aber niemand mag so recht glauben, dass Schulmeyer die geplanten Veraenderungen so schnell vornehmen kann wie angekuendigt. "Andere Unternehmen haben den gleichen Weg eingeschlagen, und es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie am Ziel waren", meint Helmut Guembel, Research Director bei der Gartner Group in Muenchen.

Waehrend sich SNI und Bull vor allem darum bemuehen, die hauseigene Buerokratie abzubauen, setzt Olivetti zusaetzlich auf eine Neuausrichtung des Kerngeschaefts. Im Zuge der internen Reorganisation versuchen die Italiener, ihren technologischen Schwerpunkt auf die Telekommunikation zu verlagern.

Seit September fasst Olivetti saemtliche Aktivitaeten im TK- und Multimedia-Sektor in dem eigens gegruendeten Tochterunternehmen Telemedia zusammen. Die neue Einheit soll TK-Systeme sowie - Services anbieten und Multimedia-Applikationen entwickeln. "Olivetti hat sich schon mehrmals neu erfunden", erklaerte Unternehmenschef Carlo De Benedetti anlaesslich der Telemedia- Ankuendigung im Herbst. Nachdem man sich von einem Schreibmaschinen- zu einem Computerhersteller gewandelt hat, hofft Olivetti nun, mit seiner neuesten Vision - ein Schluesselunternehmen beim Bau der Datenautobahn zu sein - im naechsten Jahr wieder in die schwarzen Zahlen zurueckzukehren.

Im ersten Halbjahr 1994 legten die Italiener bei den Umsaetzen zu, aber Restrukturierungskosten und das schlechte Finanzergebnis fuehrten zu hoeheren Verlusten. Vor Steuern wuchs der Fehlbetrag der Vorjahresperiode von 168,2 Milliarden auf 280,7 Milliarden Lire (rund 276 Millionen Mark).

Weiteren Umsatzanstieg erhoffen sich die Italiener nicht zuletzt von den Desktop-Services, die im laufenden Jahr ihre Einnahmen auf 1,37 Milliarden Lire steigern sollen. Ausserdem wird von den Aktivitaeten im Mobilfunkbereich einiges erwartet, schliesslich ist Olivetti federfuehrend an dem Konsortium Omnitel-Pronto Italia beteiligt, das von der Regierung im Fruehjahr den Zuschlag fuer die zweite italienische Mobilfunklizenz erhalten hat.

Die britische ICL Ltd. sieht sich im kommenden Jahr anderen Herausforderungen gegenueber als ihre Pendants auf dem Kontinent. Finanziell hat das Unternehmen, das zu 80 Prozent von der japanischen Fujitsu Ltd. gehalten wird, die Rezession der fruehen 90er Jahre ohne Verluste ueberstanden. Waehrend sich der Umsatz zwischen 1990 und 1993 von 1,6 Milliarden auf 2,6 Milliarden englische Pfund (rund 6,5 Milliarden Mark) erhoehte, sanken allerdings die Gewinne von 111 auf 48 Millionen Pfund. Die Ergebnisse fuer das laufende Geschaeftsjahr duerften aehnlich ausfallen wie im vergangenen Jahr.

Fuer ICL kommt es darauf an, Internationalitaet zu beweisen und nicht mehr nur fuer einen Player gehalten zu werden, der seine Auftraege in erster Linie von der britischen Regierung bekommt. 1993 beliefen sich die Orders der oeffentlichen Hand und die der privatisierten Anbieter von Gas, Strom und Wasser auf 40 Prozent des Gesamtumsatzes.

Seit 18 Monaten durchlaeuft das Unternehmen radikale Veraenderungen, die ICLs Stellung in Europa verbessern und den Anbieter im Multivendor-Servicegeschaeft etablieren sollen. Die Umstrukturierung hat zu fast 30 separaten Geschaeftseinheiten mit eigener Gewinn- und Verlustverantwortung gefuehrt.