DatenbankenKundenspezifisches Data-Warehouse-Konzept

Relationale Datenbank als Basis für zielgruppengenaues Direkt-Marketing

18.04.1997

Das Unternehmen begann vor 50 Jahren als Vollsortimenter mit Angeboten rund um das Direkt-Marketing. Das Herzstück der IT bildet heute ein massiv-paralleler Rechner "IBM RS/6000 Scalable Powerparallel System SP", der zusammen mit SSA-Platten und IBM Magstar 3590-Bandsystemen zur Datensicherung sowie der "Oracle Parallel Edition 7" als Datenbank auch ausgesprochen rechenintensive Datenbanktransaktionen mit mehreren zehn Millionen Datensätzen problemlos in kurzer Zeit bewältigt.

Bei allen Aktivitäten stehen Adressen im Zentrum des Interesses. Allein in Deutschland umfaßt der Adressenmarkt mehr als 35 Millionen Haushalte und nahezu fünf Millionen Firmen. Um aus dieser Vielfalt qualifizierte Zielgruppen und Potentiale zu ermitteln, sind präzise Zusatzdaten erforderlich. Im Consumer-Bereich sind dies beispielsweise Informationen zu Kaufkraft, Regionalstrukturen und zum Wohnumfeld. Im Bereich der Firmenadressen sind die Branchenzugehörigkeit, die Betriebsgröße sowie die Namen der Führungskräfte und Entscheider besonders wichtig.

Für die Auswahl paßfähiger Zielgruppen

"Schober unterscheidet die Firmen nach mehr als 20000 feinststrukturierten Branchen und hat zur Optimierung der Consumer-Adressen mehr als 15 Millionen Gebäude in Deutschland durch persönliche Begehung vor Ort bewertet", berichtet Ulrich Kahle, Geschäftsführer der Schober Direkt-Marketing GmbH & Co. Dabei wurden alle Gebäude anhand von 15 Kriterien wie Haustyp, Lage oder Nutzungsart klassifiziert. Zusammengenommen sind mehr als eine Milliarde dieser Daten in der Datenbank des Direkt-Marketing-Spezialisten vorhanden.

Anhand von Datenkombinationen aus diesem Pool lassen sich hochspezifische Marketing-Ansätze ableiten. Diese Basis ermöglicht die Entwicklung von Produkten zur Selektion paßfähiger Zielgruppen für Marketing-Aktivitäten ebenso wie die Durchführung von Basisanalysen für strategische Marketing-Entscheidungen.

Das Management dieser Datenvielfalt mit Unterstützung der DV gehört seit Jahrzehnten zu den Spezialgebieten der Schober Direkt-Marketing-Gruppe. In den Anfangsjahren wurden die Informationen in sogenannten VSAM-Datenstrukturen gespeichert, die naturgemäß Begrenzungen in der Vielfalt der Verbindungen zwischen den zu verwaltenden Daten, bei großen Datenmengen und bei nicht vorher festgelegten Abfragevarianten zeigen. Große Abfragen, zum Beispiel über die Anzahl der 35 Millionen Haushalte in Deutschland, waren mit diesen Strukturen nur schwer zu bewältigen und brachten im Laufe der Jahre einen drastischen Ausbau der DV-Leistungsfähigkeit mit sich. Weitere Gründe für das Wachstum der IT lagen in der kontinuierlich wachsenden Zahl von Adreßattributen und dem Gesamtumfang des Dienstleistungsangebots. Die Einführung eines S/390-Servers und die Verfünffachung der Speicherkapazität Anfang der neunziger Jahre markieren die Dynamik in der IT-Entwicklung bei Schober.

Um dem Datenwachstum und der Bindung von Rechnerressourcen auch im Hinblick auf zukünftige Anforderungen gewachsen zu sein, fiel 1993 die Entscheidung, eine relationale Datenbanktechnologie zum Aufbau eines umfassenden Data-Warehouse (DW) für die verschiedensten Anforderungen des Direkt-Marketings einzuführen.

Die Konzeption des DW baute auf der Tatsache auf, daß sich der Marktbedarf nach Adressen grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen läßt. Zum einen werden selektierte Adressen direkt an Kunden geliefert, die diese unverändert einsetzen, wie beispielsweise bei Banken, Versicherungen oder Versandhäusern. In einer zweiten Gruppe lassen sich Interessenten wie Werbeagenturen zusammenfassen, die eingekaufte Adressen verwenden, aber mit zusätzlichen Agenturdienstleistungen kombinieren.

"Für beide Angebotsgruppen müssen die Daten in einer einheitlichen Form zur Verfügung gestellt werden", faßt Kahle den Ansatz zum Aufbau der Datenstruktur zusammen. "Das Data-Warehouse nimmt Adressen und Daten auf und stellt diese je nach dem individuellen Bedarf einer Marketing-Aufgabenstellung in strukturierter Form zur Verfügung. Dabei mußten wir für die DW-Lösung eine Decision-Support-Aufgabenstellung für die gezielte Auswertung nach Zielgruppen bewältigen. Einerseits brauchten wir eine Lösung für die aufgabengerechte Abspeicherung der Daten in Form des DW. Andererseits stand für uns die Ausbeutung der Daten mit Methoden des Data-Mining im Zentrum des Interesses", erläutert Kahle.

Die Integration beider Anforderungen wurde inzwischen in einem Projekt mit der internen Bezeichnung "Datenbank 2000" realisiert und basiert auf einer europäischen Firmenadreßdatenbank mit den entsprechenden Zusatzdaten. Mit Adressen aus allen europäischen Ländern, die unter anderem nach Branche und Unternehmensgröße selektierbar sind und zudem Namen von Kontaktpersonen enthalten, steht bei Schober heute einer der umfassendsten Datenbestände für sämtliche Direkt-Marketing-Aufgaben im Unternehmensumfeld bereit.

In einem zweiten Projekt wird derzeit ein DW für Consumer-Adressen mit je nach Produktart spezifisch auswählbaren Adressen entwickelt. Hier geht es wie in der Business-to-Business-Lösung darum, solche Adressen herauszufiltern, die voraussichtlich eine besonders hohe Affinität zu einem bestimmten Produkt haben werden.

Eigenentwicklung mit ungewisser Zukunft

1993 begann die Suche nach der richtigen Entwicklungsplattform zur Lösung der DSS-Aufgaben. Die Entscheidung für Unix kam maßgeblich aufgrund des Skalierbarkeitfaktors zustande. "Wir gingen damals davon aus, daß das von uns zu entwickelnde System in kurzer Zeit um das bis zu Zehnfache wachsen können muß." In den folgenden zwei Jahren wurden, ganz nach schwäbischer Tüftlermanier, viele Varianten des DSS selbst entwickelt und getestet.

In Benchmark-Tests wurden in den Jahren 1995 und 1996 die damals verfügbaren Hardwarelösungen untersucht, mit denen der prognostizierte hohe Rechenaufwand zu bewältigen war.

Den Zuschlag erhielt schließlich die massiv-parallele Rechnerarchitektur des IBM RS/6000 Scalable Powerparallel System SP. Diese Entscheidung wurde auch aufgrund von Erfahrungen von Direkt-Marketing-Unternehmen in den USA getroffen, die gleichartige Systeme bereits im Einsatz hatten. Dort fanden sich Systeme unterschiedlichster Kapazitäten, die in vielen Fällen auf Basis von IBM RS/6000 SP arbeiteten.

Gemeinsam mit dem Hersteller hat Schober auf der SP-Plattform bis zur Marktreife 1996 die "Market Universe Database" (MUD) entwickelt. Das Direkt-Marketing-Instrument unterscheidet sich grundlegend von den Einsatzmöglichkeiten herkömmlicher Kundenadreßdatenbanken. Während Kundendatenbanken lediglich mit Bestandskunden arbeiten, bietet die MUD eine marktweit einzigartige Lösung zur Neukundenidentifikation.

Eine MUD besteht aus einer Direkt-Marketing-Datenbank, die auf einem Abgleich zwischen einer bestehenden Kundendatenbank und den marktabdeckenden Schober- Adressendatenbanken beruht. Aus diesem Datenvergleich - also der Suche nach profilgleichen Kunden in den Schober-Datenbanken - entsteht eine Selektion potentieller Neukunden für ein bestimmtes Produkt. "Hinter diesen Datenbankoperationen steckt natürlich ein enormer Rechenaufwand, der mit RS/6000 SP-Rechnern in kurzer Zeit flexibel realisiert werden kann", berichtet Kahle.

Beträge in Millionenhöhe für die Datenpflege

Mit solch hochspezifischen Datenbankabfragen läßt sich der Werbeerfolg stark steigern, gleichzeitig gehen die Gesamtkosten durch Vermeidung des Gießkannenprinzips zurück. Eine bereits bestehende Kundendatenbank läßt sich ohne eigene Akquisearbeiten erweitern. Ein zusätzlicher Vorteil der MUD wird bei der Einführung neuer Produkte deutlich, die im Direktvertrieb vermarktet werden sollen. Hier kann beispielsweise für eine Direktversicherung der potentielle Absatzmarkt für ein spezifisches Versicherungsprodukt anhand vordefinierter Profile ermittelt werden. Da Adreßdaten pro Jahr um bis zu 30 Prozent veralten, beziehen Schober-Kunden je nach ihren Anforderungen monatliche bis jährliche Updates der Datenbestände. Schober investiert allein in die Pflege der Daten jährlich Beträge in Millionenhöhe.

Da noch ein Teil der Daten auf dem Host liegt, wurde eine kanalbezogene Anbindung des AIX-Rechners an das Host-Betriebssystem OS/390 entwickelt, die ebenfalls auf eine Kooperation mit IBM zurückgeht. Mit der Verbindung können die Daten vom Host sehr schnell für Rechenoperationen auf der RS/6000 SP zur Verfügung gestellt werden.

Paketlösungen für kleinere Unternehmen geplant

Neu im Portfolio wird im Laufe des Jahres 1997 ein ebenfalls zusammen mit IBM entwickeltes MUD-Paket für kleine und mittelständische Anwender sein. Das Paketangebot bietet vordefinierte Data-Mining-Aktivitäten innerhalb von ausgewählten Datenbeständen aus dem Gesamtbestand. "Mit diesen Komplettpaketen stehen Basisanalysefunktionen mit bedienerfreundlicher Oberfläche zum Einstiegspreis bereit", skizziert Kahle das Angebot. "Das Grundprinzip ist dabei das gleiche wie in der individuellen Gesamtlösung für Großkunden. Die künftigen Anwender sollen in der Lage sein, selbst zu erkennen, wo ihre Marketing-Aktivitäten besonders erfolgversprechend sind." Die Packages werden mit RS/6000-Rechnern als Hardwarebasis und vorinstallierter Software auf den Markt kommen.

ANGEKLICKT

Heute sind bei Schober Direkt-Marketing in Ditzingen bei Stuttgart nahezu alle Adressen von Konsumenten und Unternehmen in Deutschland und Europa vorhanden, die mit Marketing-relevanten Zusatzdaten verbunden sind. Allein für Deutschland werden 35 Millionen Haushalte und rund fünf Millionen Firmenadressen mit zahlreichen Zusatzdaten verwaltet. Mit Hilfe der massiv-parallelen Rechnerarchitektur und von Standarddatenbanken sind zwei Data-Warehouse-Eigenentwicklungen entstanden, die den Aufbau kunden- und zielgruppenspezifischer Direkt-Marketing-Aktionen durch Abgleich der Datenbestände nach profilgleichen potentiellen Kunden ermöglichen.

*Hubert Rasig ist freier Journalist in Alsbach.