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Red-Green-Cards: Gipfelrunde beim Kanzler

08.03.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit dem Vorschlag, ausländische IT-Profis ins Land zu holen, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder eine hitzige Debatte ausgelöst. Bis jetzt ist noch nicht auszumachen, ob es die "Green Card" für IT-Experten aus Nicht-EU-Ländern wirklich geben wird. Der Streit, ob das künftige Wohl der deutschen IT-Branche von der Arbeitserlaubnis für 30 000 Computerexperten aus dem Ausland abhängt, wird vor allem anhand von Zahlen geführt. Dass die Computerindustrie wie keine andere Branche neue Stellen schafft, ist eine unbestrittene Tatsache. Bereits 1998, als das Wort E-Commerce noch nicht zum allgemeinen Wortschatz gehörte, stellten die IuK-Unternehmen 60 000 neue Mitarbeiter ein. Für 1999 gehen die Verbände von einem noch höheren Zuwachs an offenen Stellen aus, genaue Zahlen sind aber erst in einigen Monaten verfügbar.

Was die Zahl der nicht zu besetzenden Stellen anbelangt, wird mit den verschiedensten Größen hantiert: Die Branchenverbände sprechen von 75 000, Bildungsministerin Edelgard Bulmahn von 100 000 offenen Positionen. Zugleich wollen aber große Unternehmen wie IBM, SAP oder das Debis Systemhaus, die in den vergangenen Jahren mehrere Tausend IT-Profis einstellten, nicht bestätigen, dass Stellen nicht besetzt wurden. Dies sei in der Regel das Schicksal der kleinen und mittelständischen Partnerunternehmen, die nicht mit internationalen Arbeitseinsätzen locken könnten, gab Erwin Staudt, Chef von IBM Deutschland, im ZDF vor.

Auch für die Gewerkschaften ist die Debatte um die Green Card eine Frage von Zahlen. Sie weisen auf die 31 700 Arbeitslosen im IT-Bereich hin und kritisieren, dass IT-Unternehmen dem Jugendlichkeitswahn anheim fielen und älteren Arbeitnehmern keine Chance gäben. Tatsache ist aber, dass auch die Arbeitsämter über 40-Jährige als schwer vermittelbar einstufen. Zudem räumen Gewerkschaftsvertreter wie Ulrich Klotz vom Vorstand der IG Metall Probleme bei Umschulungsmaßnahmen ein: "Einen Programmierer von Assembler auf Java umzupolen ist schwieriger, als aus einem Hufschmied einen Elektroniker zu machen."

Mehr Transparenz in den IT-Arbeitsmarkt soll nun ein Gipfeltreffen von Kanzler Schröder mit der IT-Industrie am 13. März bringen. Bis dahin will Arbeitsminister Walter Riester den genauen Bedarf an IT-Profis ermittelt haben. Klärungsbedarf gibt es aber auch hinsichtlich des Profils der geforderten Spezialisten aus dem Ausland. Bisher signalisiert die Industrie die Absicht, dass sie ausschließlich hochqualifizierte Profis aus Osteuropa oder Asien ins Land holen und diese dann auch nicht schlechter als Einheimische bezahlen will. Gute Deutschkenntnisse sind Voraussetzung, da die Experten nicht nur programmieren, sondern auch beim Kunden Projekte abwickeln sollen. Ob die Unternehmen 30 000 solche Spitzenkräfte finden, ist jedoch fraglich. Im vergangenen Jahr wurden 884 Arbeitserlaubnisse für hochqualifizierte Ausländer erteilt. Eine Zahl, die die Industrie mit dem bürokratischen und rigiden Genehmigungsverfahren begründet. Dem halten die Arbeitsämter

entgegen, dass 1999 nur 18 Anträge abgelehnt wurden. Selbst wenn die ausländischen IT-Experten eine auf vier bis sechs Jahre befristete Arbeitserlaubnis erhalten, ist das Nachwuchsproblem für die Iuk-Branche nicht gelöst. Die Zahl der Informatikstudenten steigt zwar nach gewaltigen Einbrüchen in den 90er Jahren erstmals wieder an, und die Unternehmen bilden in den neuen IT-Berufen aus. Doch sollte die Branche in den nächsten Jahren weiter so wachsen wie bisher, müssen die Unternehmen noch viel mehr in Qualifizierung und Fortbildung investieren, damit sie in fünf Jahren nicht wieder vor dem selben Problem stehen wie heute.