Recht und Macht und Profit Am Dienstag, den 18. Februar beginnt beim US-District Court for the Southern District of New York der bis dato größte Wirtschaftsprozeß des Jahrhunderts USA versus IBM; Aktenzeichen: Civil 69200. Ziel der Anklage des US-Justiz

14.02.1975

Recht und Macht und Profit

Am Dienstag, den 18. Februar beginnt beim US-District Court for the Southern District of New York der bis dato größte Wirtschaftsprozeß des Jahrhunderts USA versus IBM; Aktenzeichen: Civil 69/200. Ziel der Anklage des US-Justizministeriums ist bekanntlich die Zerschlagung der mit rund 65 Milliarden Mark Börsenwert teuersten Firma der Welt in verschiedene weltweit konkurrierende Einzelfirmen.

Kann die Regierung das wirklich wollen, oder handelt es sich um ordnungspolitische Pflichtübungen übereifriger Anti-Trust-Beamter, insziniert um den Glauben an die "Free Enterprise Economy", zu stärken.

600 000 Aktionäre hoffen für IBM

Zu den rund 600 000 IBM-Aktionären gehört alles, was in den USA Geld und Besitz hat. Die großen Portefolios werden von Investmentfonds, Bankengruppen, Lebensversicherungen und privaten Universitäts-Stiftungen gehalten. Kaum ein wohlhabender Amerikaner, der nicht vom Stand der IBM-Aktie betroffen ist. Sinken die 147 Millionen IBM-Aktien um nur einen Dollar, bedeutet das einen Besitzverlust von 147 Millionen Dollar. Wenn als Ergebnis eines für die Antitruster erfolgreichen Prozesses die IBM-Aktien nur noch - sagen wir - zwei Drittel ihres heutigen Wertes hätten, bedeutet dies eine Reduzierung amerikanischen Volksvermögens um die gigantische Summe von gut 20 Milliarden Mark. Zur Größenordnung: das ist etwa halb soviel wie der Wert aller deutschen Aktiengesellschaften zusammengerechnet. Egal wie immer die Wirtschaftslage, - einflußreiche Kräfte werden dergleichen zu verhindern suchen.

IBM's Rechtsbataillone sind gerüstet

IBM ist auf den Prozeß wohl vorbereitet. Sechs Jahre sind bereits vergangen, seitdem die Regierung die Klage einreichte. Seither nur prozedurale Plänkeleien und Schattenboxen im Vorgerichtsfeld. 15 dem Fall zugeordnete Anwälte des Antitrust-Departments (insgesamt 300 Juristen, 100 anhängige Prozesse, Jahresbudget 15 Millionen Dollar) streiten gegen IBM's Rechtsbataillone, unter Führung des IBM-Vice-Präsidenten und Chefsyndikus Nicholas B. Katzenbach, einem vormaligen Justizminister der Johnson-Regierung, die unterstützt werden durch die New Yorker Staranwälte Thomes D. Barr und F.A. O. Schwarz, Jr. des renommierten WalIstreet-Rechtsanwaltsbüros Cravath, Swaine & Moore, dem Ex-US-Justizminister Bruce Bromley vorsteht. Ein ungleicher Kampf.

Billigere Preise oder Produktvielfalt?

Was geht das alles den Anwender an? IBM ist wegen ihrer Markt- und Machtposition in einer mißlichen Lage. Einerseits hält man ihr vor, sie mache exorbitante Profite, was IBM-Geheimakten auch eindeutig belegen. Dafür nur ein Beispiel: mit dem Modell 50 des Systems 360 wurden 2 200 Millionen Dollar Umsatz gemacht, davon waren 856 Millionen Dollar (!) oder 39 Prozent Gewinn vor Steuern. Die 360/50 konnte den für sie konzipierten Markt zu 85 Prozent erobern.

Andererseits wird IBM vorgeworfen, sie ersticke jeden Wettbewerb. Dabei lebt doch die ganze Konkurrenz nur deshalb, weil IBM mit Preisen arbeitet, die dem Wettbewerb noch Chancen lassen. Wie IBM reagieren könnte, zeigte sich 1972, als der 2314 eine um 20 Prozent billigere 2319 folgte, die zudem mit 16 Prozent Rabatt in Zweijahres-Verträgen angeboten wurde. Die Anwender waren's zufrieden. Damals schlug IBM zurück, weil ihr die Mixware-Konkurrenz doch gar zu lästig wurde. IBM's Dilemma: was immer sie macht, erscheintverkehrt.

Was aber will der Anwender? Produktvielfalt oder billigere Preise?

Was wollen IBM's Konkurrenten? Einen hohen IBM-Preisschild oder glasharten Wettbewerb? Was will die US-Regierung? Wirklich eine Zerschlagung der IBM oder nur irgendeinen Kompromiß der Entwicklungschancen für eine mannigfaltige Industrie garantiert?

Justitia und ihre Richter sind nicht zu beneiden.