Ein Beispiel für DV-gestützte Warenwirtschaft:

Rechnersystem steuert Warenhaus

28.10.1988

Mit einem eigenen DV-gestützten Warenwirtschaftsprogramm hat eine schwedische Warenhauskette ihren Kassendurchsatz und ihren Kundenservice optimiert. Im folgenden Artikel beschreibt Volker Heiner*, auf welchen organisatorischen Grundlagen dieses System aufbaut und welche Hardware- beziehungsweise Softwarelösungen zum Einsatz kommen.

Der Unternehmensverband Kooperativa Förbundet (KF) in Stockholm ist zusammen mit der Konsumgruppe das viertgrößte private Wirtschaftsunternehmen Schwedens mit einem Jahresumsatz von rund 15 Milliarden Mark. Im Rahmen dieses Verbundes ist die KF Handel AB für das eigentliche Warengeschäft verantwortlich. Hierzu zählt auch die Entwicklung und die ständige Verbesserung aller organisatorischen Abläufe. KF verfügt derzeit über ein halbes Dutzend Vertriebsschienen im Einzelhandel, darunter SB-Warenhäuser, Möbelhäuser, Nachbarschaftsmärkte.

Die Warenwirtschafts-Strategie

KF hat vor rund zwei Jahren umfassende Zielsetzungen für eine Warenwirtschafts-Konzeption definiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Verbesserung des Kassendurchsatzes und des Kunden-Service durch die Einführung von Scanning, die Stärkung der Wettbewerbsposition durch Einführung einer Kunden-Karte für Co-op-Mitglieder und die Verbesserung des Warenmanagements einschließlich der Verringerung der Inventurdifferenzen. Bislang sind 45 Prozent der SB-Warenhäuser und 50 Prozent der Möbelhäuser mit POS-Systemen, meistens mit stationären oder Handscannern, ausgerüstet worden. Der Anteil an Scanning in den traditionellen Supermärkten liegt bei 25 Prozent.

Die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Installation freistehender Kassensysteme nicht ausreicht, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Je nach Anforderungsprofil wird deshalb in jeder Filiale entweder ein Personal Computer oder ein Mehrplatzsystem installiert, um den Datentransfer mit der Zentrale abzuwickeln und Kassenabrechnung, Zeiterfassung, Planung und Budgetierung sowie Kalkulations- und Bestandskontrolle zu unterstützen.

Jede Filiale ist unabhängig

Im Rahmen des KF-Warenwirtschaftsprogramms kommt jeder Filiale eine autonome Rolle zu. Sie wird zwar von der Zentrale im übergreifenden Datentransfer unterstützt, aber in ihrer Tagesarbeit soll sie vollkommen unabhängig von der Zentrale arbeiten.

Dementsprechend wird der komplette Artikelstamm pro Filiale gespeichert. Ausnahmen bestehen lediglich bei Textil- und Modeartikeln, Saison- und Frischware.

KF hat dem Filialrechner alle Aufgaben des Warenkreislaufs von der Artikelpflege und dem Regaletikettendruck über Bestell- und Wareneingangserfassung bis zur Bestandsführung und Abverkaufsanalyse zugeordnet. Hinzu kommen EFT (Electronic Funds Transfer) für den elektronischen Zahlungsverkehr und die Integration von MDE-Geräten (MDE = Mobile Datenerfassung) und Zeiterfassungsanwendungen, während die Waagen direkt mit den Kassenplätzen verbunden sind.

Großen Wert hat KF auf die Schaffung der personellen Voraussetzungen gelegt. Hierzu gehören ein umfassendes EDV- und System-Training ebenso wie ausführliche Dokumentation von Systemverwaltung, Bedienung und Fehler-Handhabung. Installationen wurden stufenweise mit präzise definierten Einzelzielen und

klarer Zuweisung der Verantwortlichkeiten durchgeführt und kontrolliert. Ergänzend spielen auch die technische Zuverlässigkeit und die Erweiterungsfähigkeit des Systems eine maßgebliche Rolle. Dabei ist Servicebereitschaft während der gesamten Öffnungszeit gefordert (im SB-Warenhaus täglich von 9 bis 20 Uhr, geschlossen nur an sieben Tagen im Jahr).

Die EDV-Anwendungen in den SB-Warenhäusern, Möbel- und Cityhäusern wurden von KF in mehreren Stufen realisiert. Installiert sind zur Zeit das Basispaket für die Artikelpflege und die Umsatzauswertung, die Erweiterung um Bestell- und Wareneingangsfunktionen und die Programme für die Abwicklung von Kundenaufträgen für Großgeräte. Als viertes Modul kommt der Anschluß von EFT für Kundenkarten-Zahlungen und alle damit verbundenen Marketing-Programme hinzu.

In jeder Filiale ist (wird) ein Filialrechner installiert und mit Scannerkassen verbunden. Der Filialrechner ist für die Kommunikation mit dem zentralen KF-Rechenzentrum und mit den Kassen verantwortlich. Er übernimmt alle lokalen Aufgaben der Artikelstammpflege und der Kassenaufsichtsfunktionen sowie den gesamten Erfassungsaufwand für die Registrierung der Warenbewegungen.

Hierfür ist das NCR-Standardsystem Ultra um eine Reihe von Funktionen erweitert worden, unter anderem, um auch die zeitlich verzögerte Warenauslieferung an den Konsumenten abzuwickeln (Lieferschein- und Rechnungserstellung). So kann der Kunde ein Großgerät bei einem Verkäufer mit Bildschirm-Arbeitsplatz nach Muster bestellen und an der Kasse bezahlen, während er das Gerät in einem Lager später ausgehändigt bekommt. Auch Zustellung ist möglich.

Wesentlich für die Entscheidung zugunsten des Einsatzes einer relationalen Datenbank war schließlich die Möglichkeit, dem Filial-Management die Verantwortung für Auswahl und Gestaltung der Berichte überlassen zu können. Mit Hilfe der Abfragesprache SQL (Structured Query Language) kann der Mitarbeiter nach Bedarf jederzeit neue Berichtsselektionen vornehmen oder andere Berichtsinhalte vorgeben, die seinem (geänderten) Informationsbedarf entsprechen.

Positive Nebeneffekte blieben nicht aus

Seit der im Januar 1987 getroffenen Entscheidung sind in 14 Filialen Filialrechner mit insgesamt 333 Kassenplätzen und 123 Bildschirmen beziehungsweise PCs installiert worden. Die Zahl der Bildschirme und Kassen variiert dabei je nach dem vorherrschenden Sortiment (Lebensmittel, Möbel oder ähnliches). Als nicht geplante positive Nebeneffekte haben sich größere Mitarbeitermotivation infolge anspruchsvollerer Arbeitsinhalte und bessere Steuerungsfähigkeit der Filialen durch DFÜ-Verkehr herauskristallisiert. Entscheidend für den Erfolg aller Bemühungen ist laut KF jedoch, realistische Stufenpläne zu erstellen und keine überschnellen Ergebnisse zu erwarten. Die Integration und gleichzeitige Automatisierung der Einzel- und Großhandelsstufe ist eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Projektes.