Rechenzentren im Aufwind

26.05.1978

Herbert Seitz, Komplemenentär und geschäftsführender Gesellschafter in

Rechenzentrum Herbert Seitz KG, Bremen-Pforzheim.

Schlagzeilen wie... Im Tal des Jammers, ... Dunkle Wolken am Horizont, ... Keine Chance auf Wachstum... sind nur einige von vielen negativen Kommentaren, welche vor Jahren plötzlich die Zukunftsmöglichkeiten der deutschen Rechenzentren begleiteten. Was war geschehen? Nach der harten Pionierarbeit in die EDV-Ära war nur eine kurze Zeit des Atemholens für die RZs gegeben, bis technologisch neuere Hardware und die damit verbundenen Möglichkeiten die gerade erst erstellten Organisationskonzepte und Programme schon Antiquariat werden ließen.

Man hatte diesen ersten "Technologie-Schock" noch nicht überwunden, als die MDT zum großen Schlage ausholte. Serienweise verließen die kleineren Kunden ihr RZ, um die Möglichkeit der eigenen Anlage zu nutzen. Was die Vertriebsbeauftragten der Hersteller nicht erreichten, das schaffte - als Statussymbol - das Gefühl der eigenen Anlage im Hause.

Als dann die MDT-Ernüchterungsphase eintrat, hatten einige RZs die Jagd nicht überstanden. Die richtige Freude, daß man zwischenzeitlich genügend Argumente gegen die MDT hatte und einige MDT-Enttäuschte ins RZ zurückkamen, war nur von kurzer Dauer. Gelegentliche Partnerschaftsversuche MDT und RZ als Angebot kombinierter Dienstleistungspalette schienen nicht überall auf Anhieb greifen zu wollen.

Als dann der Marktführer mit den - 3er Serien - attraktive "kleinere EDV-Anlagen" zu einem, für damalige Verhältnisse guten Preisleistungsangebot den Reigen dieser neuen Computer-Familien eröffnete, waren mancherorts die Sorgenfalten der RZ-Inhaber tiefer geworden.

Für den Außenstehenden nicht sichtbar, hatte in den RZs der Umstrukturierungsprozeß begonnen. Noch rechtzeitig hatte man sich den Gegebenheiten angepaßt und entsprechende Vorkehrungen und Planungen eingeleitet. Die Markterkenntnisse, daß MDT-Anlagen schnell ihre Grenzen erreichten und die neuen, angekündigten EDV-Anlagen eben doch nicht ohne EDV-Personal bedient werden konnten, taten ihr übriges. Die vordergründig so günstige Preiskonstellation für Miete und Wartung der neuen Hardware erwies sich bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung immer mehr als Trugschluß. Zusätzliche Investitionen, welche von den VBs der Hardware-Hersteller "vornehmerweise" verschwiegen wurden - man denke an Separator, Schneideeinheit, feuersicheren Datensafe, Band-Plattenregale, teure Datenträger - traten bei den Anwendern auf der Kostenseite zutage.

Die Rechenzentren gingen zur Gegenoffensive über. Mit eigenen Verkaufsorganisationen wurden kleinere EDV-Anlagen für Sofortarbeiten vertrieben. Die Massendatenverarbeitung wurde im RZ getätigt. Die Datenerfassung wurde immer mehr dezentralisiert, wobei den Kunden intelligente Dateneingabegeräte installiert wurden. Dadurch hatte man ein qualitativ besseres Ergebnis bei der Datenerfassung erreicht.

Die bereits beim Kunden festgestellten Fehler konnten vor Ort berichtigt werden, so daß im Rechenzentrum nur noch stimmende Daten zur Verarbeitung kamen. Wiederholungsläufe und Kulanzarbeiten nahmen rapide ab.

Die Anzahl der Rechenzentren hatte sich bis zum Ende des Jahres 76 verringert, wobei jedoch der Umsatz der verbliebenen RZs sich wesentlich erhöht hatte. Man hatte wieder sein Selbstvertrauen gefunden. Die Dienstleistungen waren erweitert worden, wobei neue Konzepte das bisherige Angebot ergänzen.

Der große Sprung nach vorne war aber bisher immer noch nicht geschafft worden. Der Blick auf die wichtige Möglichkeit der Datenfernverarbeitung wurde verschleiert durch die hohen Modem- und Postleitungskosten. Zudem zeigte sich deutlich, daß die meisten der installierten EDV-Anlagen Batchkonzeptionen waren und für Dialoglösungen mit teuren Zusatzaggregaten und Steuereinheiten "aufgebohrt" werden mußten.

Was man jahrelang nicht für möglich gehalten hatte, war Anfang 76 eingetreten. Kleinere Hardware-Hersteller, und hierbei insbesondere Hewlett Packard und Digital Equipment, hatten ausgezeichnete Dialogmaschinen auf den Markt gebracht, welche bisher ungeahnte Möglichkeiten zu einem günstigen Preis-Leistungsverhältnis boten. Nach skeptischer Überprüfung der Anlagen konnte man feststellen, daß hier geborene Dialog-Computer auf dem Markt waren, welche fast alle der bisher so schmerzlich vermißten Möglichkeiten zuließen.

Die zwischenzeitlich erfolgten Installationen haben bewiesen, daß von Herstellerseite nicht zuviel versprochen worden war. Eine scharfe EDV-Waffe war den RZs an Hand gegeben. Hatte man jahrelang mit stiller Wut zuschauen müssen, wie MDT und die großen Hardware-Hersteller die Kunden mit den besseren Argumenten aus dem RZ lockten, so war nunmehr die Chance zum Gegenzug gegeben. Mit den neuen Anlagen sind die Möglichkeiten der RZs wesentlich gewachsen, wobei die Kosten für Modem und Datenfernverarbeitungsleitungen für alle weitgehendst Chancengleichheit bieten. Als nunmehr die Bundespost mit ihrem Paketvermittlungsdienst auf den Plan trat, war ein weiterer positiver Aspekt für die RZs gegeben.

Intelligente Terminals mit fast unbegrenzter Ausbaufähigkeit sowie schnelle Zugriffszeiten auf den Rechenzentrums-Computer geben den RZ-Kunden zwischenzeitlich viele Anwendungsmöglichkeiten. Wo man jahrelang der Konkurrenz in der Akquisition hinterherlief hat man nun gleichgezogen oder teilweise schon einen Vorsprung erarbeitet. Mit der dialogorientierten Hardware ist es dem RZ-Akquisiteur möglich den Terminal "unter den Arm zu nehmen und über einen Akustikkoppler beim Kunden Demonstrationen vorzuführen.

EDV-Euphorie und Computerstatusdenken sind längst nüchterner und sachlicher Betrachtungsweise insbesondere aber detaillierten Kostenuntersuchungen gewichen. Wo einstmals der Computer in den Firmen das "Goldene Kalb" war, wird er heute aus anderem Blickwinkel betrachtet. Er ist zum Werkzeug geworden, welches, wenn für den eigenen Betrieb zu teuer, durch "Außerhausvergabe" ersetzt wird.

Um den Erfolg der Rechenzentren auch für die Zukunft sicherzustellen, hat der VDRZ ebenfalls die erforderlichen Maßnahmen getroffen. In wichtigen Arbeitskreisen werden die Weichen für die 80er Jahre gestellt.