Schweizerischer Bankverein, Basel:

Realtime-Banking im Großrechner-Verbund

22.04.1977

BASEL - "Eine für schweizerische Verhältnisse neuartige und in ihrer Universalität erstmalige Computeranwendung" präsentierte der Schweizerische Bankverein kürzlich der Öffentlichkeit: Real Time Banking (RTB). Das Projekt, zu dem bereits 1971 intensive Vorstudien durchgeführt wurden, hatte - so Direktor E. Gautschi bei seiner Einführungsrede - "zum Ziel, grundsätzlich zu einer Automatisierung der Banksparten zu gelangen und so einen hohen Organisationsstand anzustreben, die Produktivität zu erhöhen und eine Steigerung der Ertragskraft der Bank zu erzielen."

Bereits bei der Grundlagenforschung waren Gautschi und seine Mitarbeiter sich darüber einig, daß nur eine Real-Time-Verarbeitung mit Terminals zum Einsatz kommen sollte "denn davon haben wir tiefgreifende Auswirkungen auf die Organisationsstruktur im administrativen Bereich erwartet".

Nach der Konkretisierung der Vorstellungen sowie einer umfangreichen Wirtschaftlichkeitsanalyse wurde dann 1974 das technische Konzept ausgearbeitet und die Konfiguration gewählt (Grafik).

Zum Schweizerischen Bankverein gehören drei gleich ausgerüstete Verarbeitungszentren, die je eine geographische Region bedienen - bis Ende 1977 rechnet man mit insgesamt 60 Niederlassungen. In jedem dieser Zentren stehen IBM 370/168-Duplex-Systeme, die untereinander über Standleitungen verbunden sind. Hier wird auch - so Gautschi - die "wohl vollständigste Datenbank der Welt" gespeichert: 1964 aufgebaut, beinhaltet sie heute alle Stamm-, Bestands- und Bewegungsdaten der SBV-Kunden. Über die sogenannte "Auskunftsbereitschaft" stehen diese

Informationen allen berechtigten Bankverein-Mitarbeitern zum Abruf bereit. Seit Einführung dieser Datenbank wurden bei der SBV über den Computer 11 Millionen Karteikarten ausgedruckt, davon konnten kurz nach der RTB-Umstellung bereits eine Million eliminiert werden - in einer weiteren Ausbaustufe sollen diese Karten ganz verschwinden.

Zur Steuerung der Datenübertragung - sowie der Terminals in den Zweigstellen - wurden den IBM-Systemen - ebenfalls in doppelter Ausführung - Burroughs-Frond-End-Rechner vorgelagert. Um den unterschiedlichen Anforderungen an den Arbeitsplätzen der einzelnen Zweigstellen gerecht zu werden entschied sich die SBV, fünf Terminal-Komponenten - alles Burroughs-Geräte - einzusetzen, die bausteinartig, je nach Bedarf, zusammengesetzt werden können: Bildschirm-Gerät, Eingabetastatur, Lesegerät (liest mit einem Magnetstreifen versehene Plastikkarten, um SBV-Mitarbeiter gegenüber der Datenbank zu identifizieren - im Schalterverkehr werden damit spezielle Kundenkarten gelesen), Kassendrucker (als Universalgerät für alle Schalteroperationen) sowie Office-Drucker (zum Ausdruck unterschiedlicher Informationen im Hintergrund). Durch den sinnvollen Einsatz dieser Geräte konnten im RTB sechs bisher manuelle Verarbeitungsschritte eingespart werden. W. Brupacher, Vizedirektor und H. Steiger, stellvertretender Direktor des SBV, erwarten künftig eine Steigerung des Arbeitsvolumens um bis zu 40 Prozent verkraften zu können, ohne zusätzliche Schalter einrichten zu müssen.

Die Datenübermittlung zwischen Terminals, Front-End-Rechnern und Zentralcomputern wird über programmgesteuerte Konzentratoren geführt. Da in jeder Geschäftsstelle mindestens ein derartiges System installiert ist, das die Steuerung von vier bis acht Terminals übernehmen kann hofft Gautschi, daß "beim Ausfall der Hauptsysteme, der Frontends oder der Übertragungsleitung der Bankbetrieb offline aufrechterhalten werden kann".

"Wir haben uns die auf unsere Organisation und auf unsere spezifische Problemstellung zugeschnittene Vorgehens- und Arbeitsmethodik selbst geschaffen", begründet Gautschi den Personalaufwand von 200 Mitarbeitern, die an der Realisierung des RTB beteiligt waren: Von 1974 bis 1976 wurden allein von speziell für die RTB-Konzeption geschaffenen Projektgruppen - bestehend aus etwa zwei Drittel Fachabteilungen, ein Drittel DV-Spezialisten - 280 Mannjahre Entwicklungsarbeit investiert sowie an die 10 000 Computerstunden für Tests aufgewendet.

Ende 1976 waren bereits 336 Arbeitsplätze des- SBV mit Terminals ausgestattet - 1979, gegen Ende des Einführungszeitraumes, sollen es 1300 sein.

Den heute bereits deutlich spürbaren Nutzen der RTB-Anwendung kommentiert Gautschi so: ". . . unser Personalbestand wird sich in den nächsten Jahren trotz steigenden Geschäftsvolumens auf dem heutigen Niveau stabilisieren. Der Nettonutzen aus dem Real Time Banking - also die Einsparungen und Kosten gegeneinander aufgerechnet - wird nach Abschluß der Einführungsphase auf etwa jährlich 30 Millionen Franken geschätzt."