Web

Rauschgift Internet

12.09.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Für immer mehr psychisch labile Menschen wird das Surfen im Internet zur Sucht. Davor warnt der Münchner Universitätsprofessor Ulrich Hegerl, der zusammen mit dem Psychiater Oliver Seemann von November bis März 2000 eine nicht repräsentative Online-Umfrage unter 2341 Nutzern vorgenommen hat. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass 4,6 Prozent der Teilnehmer die Kriterien der Internet-Abhängigkeit erfüllen. Web-Süchtige fühlen ein starkes Verlangen zum Internet-Gebrauch, vergessen vor dem Bildschirm die Zeit und spüren deutliche Entzugserscheinungen während den Stunden, in denen sie nicht online sind. Außerdem isolieren sie sich in ihrem sozialen Leben und haben dadurch Probleme in Partnerschaft und Arbeit. Der Altersdurchschnitt der Abhängigen lag bei 28 Jahren, die Mehrzahl waren Männer.

Hegerl zufolge sind Menschen mit einer großen Selbstunsicherheit besonders gefährdet. Reizvoll sei für sie die Möglichkeit, im Netz anonym Kontakte knüpfen zu können. Im Internet könnten sie nach Geborgenheit und Sex suchen, ihr Selbstwertgefühl steigern und aus der Realität flüchten. Auch die sofortige Reaktion des Web auf jeden Tastendruck fordere das suchtähnliche Verhalten. Nach Ansicht des Psychiaters verstärke das Internet die Suchtgefahr bei Menschen, die ohnehin unter Depressionen, Angstneurosen oder anderen psychischen Störungen leiden. Auf der Homepage des Münchner Gesundheitsnetzes können Surfer testen, ob sie bereits Online-süchtig sind.