Rabatt für die Räuber

31.08.1979

Der große Klau im Computerzentrum war für sie ein Klacks gewesen, doch beim Kassieren des Lösegeldes erwiesen sich die beiden Rechner-Profis als arge Anfänger: Statt der geforderten 275 000 Pfund Sterling zur Auslösung der stibitzten Stammdaten gab's vernickelte Armbänder und sechs beziehungsweise fünf Jahre Gefängnis.

Das epochale "Bit-Napping", dem die britishe Imperial Chemical Industries (ICI) zum Opfer gefallen waren, endete für Rodney Cox und Peter Jenkins vor den Perücken von Old Bailey (1978). Straftatbestand: Die Angeklagten, über die außer der Intensivbeschäftigung mit Computern nichts Nachteiliges bekannt war, hatten aus den niederländischen Datenbüros des Chemiekonzerns 540 Magnetbänder und 48 Plattenstapel mitgenommen und in einer konspirativen Wohnung in Antwerpen versteckt. Dann verlangten sie hohes Honorar für die tiefgestaffelten, schwer rekonstruierbaren Informationen (Kreditoren-, Debitoren-, Gehaltszahlen und viel Vertrauliches). Der geprellte Multi simulierte Verhandlungsbereitschaft mit den Erpressern . . . die Londoner Polizei sorgte für den Rest.

Sie sorgte ebenfalls für die "Geiselbefreiung" in Belgien, wo die Bit- und Byte-Beute mit fachmännischer Umsicht gestapelt worden war. Bevor die Gentlemen zur Kasse baten, hatten sie das Appartement unter dem Gesichtspunkt der besten Lagereignung (Temperatur, Luftfeuchte) ausgesucht und angemietet. Dort durften die erleichterten ICI-Organisatoren ihr teures Gut wieder abholen - komplett bis auf ein Magnetband, das die Untäter streckenweise gelöscht und zwecks Demonstration ernster Absichten den entsetzten Managern zugeschickt hatten.

Wie kam es überhaupt zu dieser spektakulären Entwendung?

Ganz einfach: Rodney Cox, Senior-Operator im RZ des Unternehmens, transportierte die Bänder und Platten unter den Augen des Aufsichtspersonals ab; ein betriebsüblicher Berechtigungsschein, leicht abgefälscht, machte es möglich.

Anklage und Verteidigung waren sich später darin einig: Die Verantwortlichen hatten es den Dieben zu leicht gemacht. Und: Erz-Kriminelle standen hier offenbar nicht vor dem Kadi, denn die beiden Rechtsbrecher, die sich bereits in loyaler Vorzeit über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen bei der ICI mokierten, betrieben die ganze Aktion als eine Art Sportveranstaltung mit finanziellem Sekundäreffekt.

Vor kurzem gab es einen nachträglichen Rabatt für die Räuber. Die sechs beziehungsweise fünf Jahre Freiheitsentzug wurden von Old Bailey auf vier und drei Jahre herabgemildert - vielleicht wegen unbestreitbarer Verdienste im Gebiet der praktischen Datensicherung...? Denn ein negatives Beispiel kann der Erkenntnisfindung bekanntlich sehr förderlich sein. Vielleicht aber auch, weil in einer Zeit, da Geiselnahme und Terror die Öffentlichkeit verunsichern, die innovativen Frevler eine humane Entführungsmasche praktizierten - völlig gefahrlos für Leben und Gesundheit (wenn man von den geschockten Nerven der Beklauten einmal absieht).