Mitbegründer Hector veräußert Stammaktien an britischen Trust

R/4-Diskussion und Verlust von Stimmrechten trüben SAP-Bilanz

24.05.1996

"Forrester Research hatte Zweifel an der Zukunft von R/3 geäußert, und schon war der Lack ab", kommentierte Dietmar Hopp, Vorstandssprecher der SAP AG, auf der Bilanzpressekonferenz die für sein Unternehmen turbulenten letzten Wochen, die von Unruhe unter der SAP-Kundschaft und zum Teil auch von Kursverlusten gekennzeichnet waren. Bereits im April war daher das SAP-Management auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz den Spekulationen der Marktforscher entgegengetreten, wonach R/3 angesichts des Trends zum Internet bereits im Jahr 2001 museumsreif sein werde und die Walldorfer längst an einem zu R/3 inkompatiblen Nachfolgeprodukt arbeiten.

Hopp wörtlich: "Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß das Internet oder Intranets R/3 eines Tages ersetzen könnten, aber es sind neue Kommunikationstechniken, mit denen sich R/3 optimal ergänzen läßt."

Im wahrsten Sinne auf dem falschen Fuß erwischt wurde das Management auch von einem Alleingang des SAP-Mitbegründers Hans-Werner Hector, der, wie vor rund zwei Wochen publik wurde, mindestens 10,46 Prozent seiner SAP-Stammaktien ohne vorherige Konsultation des Vorstandes an die UBS International Trustees Ltd. veräußert und mit den Anteilen offensichtlich auch die Stimmrechte auf den Trust übertragen hat. Man kenne die Motive Hectors nicht, gab sich Hopp bohrenden Fragen von Journalisten gegenüber hilflos, und die auf den britischen Jersey-Inseln beheimatete Fondsgesellschaft, die zur Schweizerischen Bankgesellschaft gehören soll, verweigere jegliche Auskunft.

Hector, der bis 1995 im SAP-Vorstand für das Schulungswesen zuständig war und danach in den Aufsichtsrat wechselte, hatte wie die drei anderen SAP-Gründer den größten Teil seiner 15,57 Prozent Stammaktien zum Jahreswechsel 1995/96 in Stiftungen sowie - abweichend von den Partnern - in den Trust Eugenia eingebracht und in einem gegenseitigen Konsortialvertrag gebunden. Aus diesem Konsortium hatte Hector vor einigen Wochen das Trust-Vermögen von 10,46 Prozent und sein Stiftungsvermögen von 0,78 Prozent herausgelöst - keine "sehr intelligente Lösung", wie Hopp nun verbittert feststellte und von "einer Panne" sprach.

Falls ein Paket dieser Größenordnung auf den Markt käme, hätte dies, wie Börsenexperten mutmaßen, unweigerlich Auswirkungen auf den Kurs der SAP-Aktie. Unter der Hand kursierten daher in Walldorf die wildesten Spekulationen bis hin zu einer feindlichen Übernahme des deutschen Vorzeigeunternehmens. Noch gehen allerdings die drei verbliebenen Gründungsaktionäre Hopp, Hasso Plattner und Klaus Tschira davon aus, daß sie mit jetzt noch 65,7 Prozent der Stammaktien die Geschicke in Walldorf weiterhin selbst bestimmen können. Hector indes soll, so Hopp, bei nächstbester Gelegenheit nahegelegt werden, sein Mandat im Aufsichtsrat, in den er bis 1998 gewählt ist, "niederzulegen".

Eitel Sonnenschein herrscht hingegen in Walldorf, was das Geschäftsjahr 1995 angeht. Den Hauptanteil des 2,7 Milliarden Mark hohen Umsatzes bildeten die Produkterlöse. Sie lagen bei 1,93 Milliarden Mark und hatten einen Anteil von 72 Prozent am Gesamtumsatz. Der Beratungs- und Servicebereich erhöhte seine Einnahmen von 359 Millionen auf 499 Millionen Mark, der Schulungsumsatz stieg von 135 Millionen auf 225 Millionen Mark.

R/3-Umsatz um 69 Prozent gestiegen

Besonders erfolgreich schnitt die SAP in den USA ab, wo der Umsatz um 50 Prozent gesteigert und knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes erzielt wurde. Wachstumsstärkstes Land war wie im Vorjahr Japan, wo sich der Umsatz 1995 um stolze 148 Prozent erhöhte. Der Anteil des internationalen Geschäfts stieg von 65 auf 70 Prozent. Der Jahresüberschuß kletterte nach SAP-Angaben um 44 Prozent auf 405 Millionen Mark. Pro Aktie hat die SAP damit 1995 exakt vier Mark verdient.

Wesentlicher Grund dafür war der Anstieg des R/3-Umsatzes. "Die Steigerungsrate von 69 Prozent gegenüber 1994 lag etwas über unseren eigenen Erwartungen", erklärte der SAP-Vorstandschef. Die Zahl der R/3-Installationen wuchs 1995 um 91 Prozent auf 5248. Unabhängig davon soll auch in Zukunft die alte R/2-Kundschaft nicht vernachlässigt werden. Ein vor kurzem gegründeter eigener Geschäftsbereich hat die Aufgabe, sich um die rund 2000 Accounts zu kümmern und bei Bedarf "ohne Druck" für eine sanfte Migration zu R/3 zu sorgen, hieß es.

Hopp wiederholte seine Prognose, daß das Unternehmen 1996 den Umsatz voraussichtlich um 40 Prozent auf rund 3,8 Milliarden Mark steigern werde. Ähnliche Erwartungen wurden auch in puncto Gewinn geäußert. Beide Vorhersagen werden durch den Verlauf des ersten Quartals bestätigt, in dem ein Anstieg des Konzernumsatzes um 40 Prozent auf 690 Millionen Mark sowie eine Gewinnsteigerung um 62 Prozent auf 117 Millionen Mark (vor Steuern) zu verzeichnen waren. Hopp stützte seine Jahresprognose unter anderem darauf, daß R/3 jetzt für die AS/400 verfügbar sei und SAP damit verstärkt den Mittelstand angehen wolle.