Coburger Energieversorger gibt SAP den Laufpass

R/3 - für Mittelständler schwer zu schultern

20.06.2003
MÜNCHEN (kf) - Die Städtische Werke Überlandwerke Coburg GmbH (SÜC) löst ihr bestehendes SAP-R/3-System durch eine Navision-Lösung von Microsoft Business Solutions ab. Mit der Abkehr von den Walldorfern hofft der mittelständische Energie- und Wasserversorger, seine laufenden Kosten drastisch zu reduzieren.

"SAP hat sich zu einem Moloch entwickelt, der nicht nur Geld, sondern vor allem auch Personal frisst", begründet Götz-Ulrich Luttenberger, Geschäftsführer des Coburger SÜC-Konzerns, seinen Entschluss, der hauseigenen SAP-Lösung den Todesstoß zu versetzen. Anders als beim Gros der Entscheidungen, die in seinem Unternehmen von einem Führungskräftegremium getroffen würden, habe er seine Mannschaft in diesem Fall "vor vollendete Tatsachen gestellt".

Schon 1992 bei seinem Eintritt in das Unternehmen hatte sich Luttenberger mit dem damaligen R/2-System nicht so recht anfreunden können. Allerdings habe er sich von den Werbesprüchen des ERP-Riesen beeindrucken lassen: "Damals hieß es, mit R/3 werde ein Mittelstandsprodukt geschaffen", erinnert sich Luttenberger. Daraufhin habe sein Unternehmen viel Geld für die Migration auf R/3 ausgegeben. Angesichts des immensen Customizing- und Schnittstellen-Aufwands und der personalintensiven Systempflege könne von einer Mittelstandsausrichtung der SAP-Software jedoch nicht die Rede sein. "Für ein Unternehmen unserer Größenordnung ist diese Lösung nicht zu schultern", so der Geschäftsführer. Bei dem SÜC-Konzern handelt es sich um einen mittelständischen, in drei Gesellschaften unterteilten Stadtwerkebetrieb mit Überlandbereich, der rund 350 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von etwa 90 Millionen Euro erzielt.

Nachdem der Abschied von SAP Ende 2001 beschlossene Sache war, wurde eine interne Projektgruppe damit beauftragt, Produktalternativen am Markt aufzuspüren und für die SÜC-spezifischen Anforderungen zu evaluieren - mit folgenden Resultaten: Als mit Abstand teuerste betriebswirtschaftliche Lösung erwies sich die Software von SAP mit laufenden Kosten (exklusive Anschaffung) von jährlich 437000 Euro, gefolgt von Wilkens ERP-Produkten mit 295000 Euro und dem Angebot von Soft-M mit 284000 Euro. Als die günstigste Produktvariante stellte sich nach Angaben des Unternehmens Navision von Microsoft Business Solutions mit Jahresaufwendungen von vergleichsweise bescheidenen 206 000 Euro heraus.

Amortisierung in zwei Jahren

Somit fiel die Entscheidung zugunsten einer Lösung auf Basis von Navision (ehemals "Attain"), die Materialwirtschaft, Rechnungswesen, Controlling, Investitions-Management und Instandhaltung abdecken kann. Mit der Anpassung und Einführung des neuen Systems wurde das Nürnberger Unternehmen Amball Business-Software betraut. Welche Module im einzelnen zum Einsatz kommen, steht laut Luttenberger noch nicht ganz fest. "Wir werden jedoch ziemlich umfassend damit arbeiten." Lediglich die SÜC-Bereiche Personalwesen und Verbrauchsabrechnung würden nach wie vor von anderen Produkten abgedeckt.

Vor der mit jeder Anschaffung und Implementierung neuer Unternehmenssoftware einhergehenden finanziellen Zusatzbelastung hat sich der Coburger Energiekonzern nicht abschrecken lassen: "Ich rechne mit einer Amortisierung der Lösung innerhalb von zwei bis zweieinhalb Jahren", ist Luttenberger zuversichtlich. Einsparungen verspricht er sich insbesondere im Personalbereich: "Die Betreuung des SAP-Systems erfordert bislang die ungeteilte Aufmerksamkeit einer kompletten Vier-Mann-Abteilung. In Zukunft werden wir gerade noch eine halbe Kraft brauchen."

Nach Angaben von Projektpartner Amball befindet sich die Navision-Lösung bis zum Juli in der Spezifikationsphase. Die Life-Schaltung des neuen Systems, das konzernweit von rund 100 SÜC-Mitarbeitern genutzt werden soll, ist für Anfang Januar 2004 geplant.