Prozessmessung ist kein Hexenwerk

21.03.2007
Von Klaus Dettmer
Die Analyse von IT-Services anhand von Kennzahlen muss regelmäßig geschehen und Folgen haben.

Viele Unternehmen setzen heute auf die Itil Best Practices, das heißt auf die Empfehlungen der IT Infrastructure Library. Bereits 2004 gaben 80 Prozent der von der Fachhochschule Aalen befragten Unternehmen an, Itil für die Prozessoptimierung zu nutzen. Eine Umfrage von Forrester aus dem Jahr 2006 bestätigt dieses Ergebnis: 87 Prozent der befragten Unternehmen arbeiten laut eigener Auskunft, nach Itil-Richtlinien. Itil kann daher als allgemein anerkannt und verbreitet angesehen werden.

Hier lesen Sie ...

• welche Kennzahlen zur Analyse der Prozesse wichtig sind;

• wie man an sie herankommt;

• unter welchen Voraussetzungen Tools dabei eine Hilfe sein können.

Das muss sein

Diese Leistungen sollte eine Prozessanalysesoftware erbringen:

• Berechnung von Prozesskennzahlen,

• Darstellung der Abhängigkeit von Prozessen,

• Identifizierung möglicher Gründe für Abweichungen anhand von automatisch generierten Ist-Prozessketten,

• Aufdeckung von Verbesserungsmöglichkeiten,

• Planung auf Basis von Kennzahlen und Werten der Vergangenheit,

• Management-Cockpit zur schnellen Übersicht der Prozessleistung,

• Überprüfung der Einhaltung von Service-Level-Agreements (SLAs),

• dynamische Analysen per Drag and Drop.

Bei der Tool- Auswahl beachten:

• Kann die Lösung in Ihre operativen Systeme integriert werden?

• Werden mit dem Standard bereits IT Service spezifische Kennzahlen und Analysen geliefert?

• Ist eine Prozessanalyse bis auf Detailebene möglich?

• Sind Anpassungen auch bei einem Upgrade Ihres operativen Systems Release-fähig?

Itil-Grenzen in der Praxis

Daraus zu folgern, dass bei diesen Unternehmen die IT-Service-Management-Prozesse in vergleichbarer Qualität und mit identischem Umfang implementiert sind, wäre jedoch ein Trugschluss. Auch den Grad der Unterstützung von Geschäftsprozessen und der Servicequalität für den Kunden sollte man nicht hoch ansetzen. Bedingt durch den konzeptionellen Ansatz stößt Itil an seine Grenzen, wenn es um die verbindliche Vorgabe von Mindestanforderungen geht.

Um international anerkannte Mindestanforderungen an ein IT-Service-Management zu spezifizieren, wurden diese in der Norm ISO/IEC 20 000 "IT Service Management" definiert. IT-Organisationen, die ihren Kunden die Qualität ihrer Services objektiv nachweisen wollen oder müssen, können sich die Erfüllung der Normanforderungen von einer unabhängigen Organisation zertifizieren lassen. Auch ohne Zertifizierungsabsicht kann der Vergleich der eigenen IT-Service-Management-Prozesse mit den Spezifikationen der ISO 20000 von Nutzen sein, da er zeigt, wie weit die Abläufe diesem Standard entsprechen.

Es gibt eine Vielzahl an Instrumenten, die Unternehmen einsetzen können, um Aufschluss über die Qualität ihrer Services zu erhalten. Ein häufig genutztes Mittel sind Anwender- beziehungsweise Kundenbefragungen. Diese sind jedoch zeitaufwändig und müssen regelmäßig und kurz nach den erbrachten Services vorgenommen werden, um repräsentative Ergebnisse zu liefern. Über die Messung der Prozessleistung erhält man dieselbe Information wesentlich schneller und zudem umfassender.

Kennzahlen kritisch hinterfragen

Die Bearbeitungszeit von Störfällen, die Sofortlösungsrate und die Liegezeit sind nur einige Indikatoren für die Qualität. Solange alle Kennzahlen gut ausfallen, besteht kein Bedarf an weiteren Analysen. Erst im kritischen Bereich stellen sich Fragen wie:

• Aus welchem Grund dauerte die Lösung der als kritisch gemeldeten Störung doppelt so lange wie vertraglich vereinbart?

• Weshalb liegt die Bearbeitungszeit für Störfälle weit über dem Durchschnitt der vergangenen Betrachtungsperiode?

• Wo entstanden lange Liegezeiten?

• Gab es Softwareänderungen oder -Releases, die ein höheres Aufkommen an Störfällen verursachten?

• Welche Geräte verursachen die meisten Vorfälle?

Abhängigkeiten entdecken

Wichtig ist die Kenntnis von Abhängigkeiten, zum Beispiel sollte eine Prozessanalysesoftware Aufschluss darüber geben, ob die Anzahl von Störungen nach Softwareänderungen oder Release-Wechseln signifikant steigt. Interessant ist auch, wie viel Prozent der Problemfälle wirklich behoben wurden und für wie viele lediglich ein Workaround gefunden wurde. Das findet man nur heraus, wenn sich der Sofortbehebungsrate von Störfällen auch die Anzahl gleichzeitig bestehender Problem gegenüberstellen lässt.

Antwort auf solchen Fragen gibt eine Prozessanalysesoftware, die in die operativen Systeme integriert ist. Eine solche Lösung übernimmt aus dem operativen System Prozessdaten wie Laufzeiten, Datum, Uhrzeit, Aktionen, Servicetyp etc. und berechnet Kennzahlen, welche zum Beispiel über Ampel- oder Tachodarstellungen einen schnellen Überblick über die aktuelle Performance bieten. Detailanalysen können auf Prozessebene erfolgen, da jeder Prozess grafisch dargestellt wird. Einzelne Aktionen, Ereignisse, Bearbeiter und zugeordnete Kosten werden ersichtlich. Korrigierende Maßnahmen zur Prozessoptimierung lassen sich direkt ableiten und bei Bedarf in den operativen Systemen implementieren, dazu zählen Eskalations-, Benachrichtigungs- und Autorisierungsmechanismen.

Mit einer Prozessanalysesoftware wird die Leistung von Prozessen anhand von Kennzahlen gemessen und veranschaulicht. Dies setzt die Kenntnis des Ist-Prozesses sowie die Definition von Kennzahlen voraus. In der Praxis scheitern Unternehmen häufig schon an der komplexen Aufgabe, ihre Prozesse aufzunehmen. Das Projekt verläuft nicht selten im Sande, bevor es auch nur ansatzweise zur Definition und Messung von Kennzahlen geschweige denn zur Prozessanalyse kommt.

Prozesse erfassen

Firmen können diese Hürde umgehen, indem sie ein Analyse-Tool wählen, welches die Ist-Prozesse der operativen IT-Service-Lösung automatisch ermittelt und typische Kennzahlen anzeigt. Die Vorteile liegen auf der Hand:

• keine manuelle Prozessaufnahme und -dokumentation,

• sofortige Analysen,

• Erkennen und Umsetzen von Verbesserungsmöglichkeiten,

• vereinfachte Festlegung der eigenen Leistungsindikatoren.

Die von Prozessanalyse-Tools gewonnenen Daten stehen anschließend zur Kennzahlenmessung und Analyse zur Verfügung. Eine Prozessanalysesoftware verbindet das klassische Berichtswesen mit detaillierter Ursachenforschung auf Prozessebene. Der Vorteil dieser Verbindung liegt darin, dass grafische Reports immer griffbereit sind und Analysen dynamisch erstellt und verändert werden können. Um Kostentreiber zu identifizieren, lässt sich jeder Prozessschritt mit Kostensätzen oder Preisen hinterlegen.

Auch in der ISO 20000 sind der kontinuierliche Verbesserungsprozess und das Prozess-Management von großer Bedeutung. In diesem Bereich hat der Service-Provider durch dokumentierte Aufzeichnungen beziehungsweise Kennzahlen einen Nachweis der Konformität anzutreten.

Schließen des Prozesskreislaufs

Die retrospektive Analyse von Problemen und deren Ursachen ist wichtig, die Ableitung der richtigen Maßnahmen für die Zukunft der entscheidende nächste Schritt. Die grafischen Auswertungen zeigen, wo sich etwas verbessern lässt, wo also zum Beispiel ein Prozess effizienter ausfallen könnte. Die Auswertungen eignen sich auch als Planungsinstrument. Die mehrdimensionalen Analysen helfen zum Beispiel, anhand der Vergangenheitswerte die künftig benötigten Ressourcen besser abzuschätzen.

Der Qualitätskreis nach Deming (PDCA - Plan, Do, Check, Act), auf den sich die ISO 20 000 beruft, empfiehlt zur schrittweisen Verbesserung der Qualität einen interaktiven Zyklus aus Planung, Durchführung, Überprüfung und Implementierung von Verbesserungsmaßnahmen. Eine Prozessanalysesoftware unterstützt Unternehmen vor allem in der Phase der Überprüfung (Check). Die Leistung von Serviceprozessen wird anhand von Kennzahlen gemessen und transparent veranschaulicht. Unternehmen erhalten ein umfassendes Bild der Prozessleistung und sind in der Lage, die Stellen mit dem höchsten Optimierungspotenzial zu identifizieren. (ls)