Interview

"Projekt-Management geht nicht ohne Schmerzen ab"

11.09.1998

CW: Es heißt, Sie und Ihr Partner Christopher Murray hätten ABT 1981 in einer Garage gegründet. Stimmt das?

Bienkowski: Nicht ganz. In einer Garage beginnen die Unternehmer im Silicon Valley. In New York sind Autostellplätze so teuer, daß wir unsere Appartements nutzen mußten.

CW: Sie haben sich dem Thema Projekt-Management verschrieben. Das gab es auch schon in den 60er und 70er Jahren.

Bienkowski: Ja, schon. Aber die damals verfügbaren Werkzeuge liefen auf Mainframes und stellten für viele kleinere Projekte einen Overkill dar. Außerdem eigneten sie sich eigentlich nur für das Projekt-Accounting und weniger für das Projekt-Management.

CW: Worin liegt der Unterschied?

Bienkowski: Die Mainframe-Tools waren keine Instrumente für den Projektverantwortlichen, sondern für die Unternehmensführung. Sie dienten der Zeitplan- und Kostenkontrolle, aber sie ließen sich nicht nutzen, um den Verlauf eines Projekts zu planen oder Probleme vorherzusagen.

CW: Viele Entwickler halten Projekt-Management für unnötig - mit der Begründung, es hindere sie daran, wirklich kreativ zu sein.

Bienkowski: Für ein Zwei-Personen-Projekt braucht man vermutlich auch kein computergestütztes Projekt-Management. Wenn das Vorhaben aber 30 Leute einbezieht und anderthalb Jahre dauert, ist eine strikte Planung notwendig. Recht haben Sie jedoch in einem Punkt: Projekt-Management in einem Unternehmen einzuführen ist ein schwieriger Prozeß, der nicht ohne Schmerzen abgeht. Dabei entsteht nämlich Transparenz - etwas, das die Leute zunächst einmal hassen. Der heikelste Punkt ist ja nicht die Planung, sondern die Überwachung des Projektverlaufs.

CW: Es bedeutet, daß die Leistungen kontrollierbar werden.

Bienkowski: Vor allem bedeutet es, daß der Projekt-Manager gegenüber sich selbst vollkommen ehrlich sein muß. Es ist gefährlich, einen Projektschritt, der zu 99 Prozent abgeschlossen ist, als vollzogen abzuhaken. Am Ende steht man dann mit einem Projekt da, dessen Unterprojekte samt und sonders beinahe fertig sind, das in seiner Gesamtheit aber höchstens zur Hälfte als vollendet bezeichnet werden kann.

CW: Wie hoch ist Ihres Wissens der Anteil der Großunternehmen, die Projekt-Management-Systeme einsetzen?

Bienkowski: Praktisch alle haben irgendein Werkzeug im Einsatz, aber wenige davon nutzen es beständig. Es geht ja nicht nur darum, einzelne Projekte zu handhaben. Vielmehr muß das Augenmerk auf dem Management aller Projekte liegen - einschließlich der projektübergreifenden Auswirkungen.

CW: Sie plädieren also für eine Art Meta-Projekt-Management.

Bienkowski: Ja, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen arbeiten oft dieselben Leute in unterschiedlichen Projekten. Daher muß sichergestellt werden, daß die Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter nicht für jedes Projekt zu hundert Prozent gefordert wird. Zum anderen sollte es ein "Programm"-Management auf übergeordneter Ebene geben, um Synergien zu erzeugen. Das kann sich sogar über mehrere Unternehmen erstrecken.

CW: Hat sich diese Idee in den Unternehmen durchgesetzt?

Bienkowski: In den USA hat wohl jedes zweite Fortune-500-Unternehmen ein oder mehrere Programmbüros eingerichtet, die für die projektübergreifende Definition von Prozessen und Methoden verantwortlich zeichnen.

CW: Trotzdem geht etwa ein Drittel aller IT-Projekte baden, und etwa die Hälfte der beendeten Vorhaben dauert doppelt so lange oder kostet zweimal soviel wie ursprünglich geplant. Diese Zahlen, die Sie selbst ja auch gern zitieren, veröffentlicht jedenfalls die Standish Group International.

Bienkowski: Nun, das läßt sich hauptsächlich darauf zurückführen, daß Projekt- und Unternehmensziele nicht übereinstimmen. Die Kommunikation zwischen IT-Abteilung und Geschäftsführung funktioniert nicht. Die IT-Abteilung entwirft das System, bevor sie verstanden hat, welche Ziele das Unternehmen damit verfolgt.

CW: Daran wird auch ein Projekt-Management-Werkzeug nichts ändern.

Bienkowski: Nein, Kommunikation ist nichts, was sich mit einem Tool erzwingen ließe. Aber wir haben beispielsweise ein Werkzeug im Angebot, das vom Projekt-Manager als allerersten Schritt verlangt, die Geschäftsziele zu definieren beziehungsweise zu diskutieren. Sicher können wir das Pferd nur zum Wasser führen, trinken muß es selbst.