Produktionskosten zwingen zu neuem Technologiekonzept IBM setzt bei Mainframes auf CMOS und Parallelarchitekture

03.09.1993

MUENCHEN (CW) - Im Bemuehen, die Kosten der Produktion von Grossrechnern zu senken, scheint sich Big Blue einerseits auf die Nutzung der CMOS-Technologie fuer neue Prozessortypen zu stuetzen. Andererseits lautet das Ziel Entwicklung von Parallelmaschinen, bei denen Prozessorknoten ueber IBMs Sysplex-Architektur miteinander verbunden sind.

Wie Nick Donofrio, Chef von Big Blues Enterprise System Division, in einem Gespraech auf der CeBIT 93 vor der Presse bereits andeutete, setzt IBM vermehrt auf moderat-parallele Architekturen fuer die MVS-Rechner.

Erste Ergebnisse der Neuausrichtung praesentierte der angeschlagene blaue Riese auf der Hannoveraner Fachmesse mit dem unter AIX laufenden Mehrprozessor-System "SP1", das an eine RISC- Plattform gebunden ist.

Demgegenueber bestritt Donofrio schon damals, dass die /390- Architektur auf die RISC-Technologie umgesetzt werden solle. Allerdings wolle IBM moderat-paralle Systeme auf MVS-Basis bauen. Im zweiten Halbjahr 1993 werde Big Blue, so der IBM-Manager, eine "Query"-Maschine vorstellen, die ein erster Schritt in die parallele Zukunft sei.

In diesem Modell werde ein BiCMOS-Prozessor als Master Anfragen an CMOS-CPUs weiterleiten (vgl. CW Nr. 14 vom 2. April 1993, Seite 5: "Nick Donofrio: In puncto RISC...").

In diesem Sinne meldet der britische Brancheninformationsdienst "Computergram" nun, die IBM setze fuer die Rettung der Grossrechnersysteme alle Hoffnungen auf die Entwicklung von Einprozessor-Loesungen in CMOS-Technologie. Deren Rechenleistung soll der eines mittelgewichtigen 9221-Systems entsprechen. Zudem plane Big Blue eine 48-Prozessor-Maschine.

In dieser wuerden jeweils sechs der CPUs eng gekoppelt in einem Knoten organisiert, diese wiederum wuerden ueber die Sysplex- Clustering-Funktion miteinander verbunden. Ein solcher Rechner koenne etwa die Leistung eines ES/9021-Systems, Modell 822, erzielen.

Parallelsysteme sind

guenstiger zu produzieren

Gegenueber diesem wassergekuehlten Rechner sei das Parallelsystem, erwartet IBM, wesentlich kostenguenstiger zu produzieren. Somit sei es auch moeglich, in Zukunft heutige Rechenleistung zu einem Zehntel des bislang gueltigen Preisgefueges anzubieten.

Branchenbeobachter hatten allerdings schon im Fruehjahr Zweifel geaeussert, ob es Big Blue ueberhaupt gelingen koenne, verschiedene Software-Schluesselprodukte zu parallelisieren. "Computergram" erwartet, es werde sogenannte Multisystem-Releases der Klassiker geben, wobei eine ausschliessliche Lesevariante von DB2 den Anfang machen werde.

Dieser wuerden eine Schreib-Lese-Version der Datenbank folgen, eine Multisystem-Adaption von CICS, verbesserte MVS- sowie IMS- Software sowie ein Workflow-Manager. Fuer die Vermeidung von Flaschenhaelsen und die Zuweisung von Jobs an die Prozessorknoten im System werde ein zentral arbeitender Workload-Manager entwickelt.

Noch gar nicht sicher scheint zu sein, wie Anwender diese Systeme aufnehmen: Die Umstellung auf die neuen Rechner scheint sich zumindest nicht trivial zu gestalten.

Der Informationsdienst zitiert Big Blue zudem mit der Absicht, pro Jahr 40 Prozent an Produktionskosten fuer Grossrechnersysteme einsparen zu wollen. Das will man unter anderem erreichen, indem man bis zum Ende des laufenden Jahres sowohl den Mitarbeiterstamm fuer dieses Rechnersegment um 40 Prozent zurechtmstutzt als auch die Produktionsstaetten verkleinert. Gedacht ist hierbei vor allem an die drei Werke in Hudson Valley im US-Bundesstaat New York.

1984 beschaeftigte IBM im Mainframe-Business noch rund 31 300 Mitarbeiter, 1990 waren es noch etwa 26 400, im Juli dieses Jahres schrumpfte die Zahl auf 13 800. Einschnitte werden auch in Europa erwartet.