Problemstoffe sind vor allem Schwermetalle Recycling von Bildschirmen erfordert viel Detailkenntnis

28.05.1993

Inzwischen hat fast jeder DV-Hersteller ein eigenes Umweltkonzept. Dieses zu verwirklichen, ist allerdings alles andere als einfach. Vor allem das Recycling von Bildschirmen stellt fuer viele noch ein grosses Problem dar. Gerd Behrens* zeigt auf, wie sich die Terminalkomponenten weiterberarbeiten lassen.

*Gerd Behrens ist Geschaeftsfuehrer der TES Technical Environment Solutions GmbH in Baldham bei Muenchen.

In den Bildroehren gelten besonders die Leuchtstoffe, die Glaslote, das Bariumoxid (BaOund Bleioxid-Zusaetze (PbO) im Glas als Schadstoffe. BaO beziehungsweise PbO setzt man dem Glas zu, um den Benutzer vor der in der Roehre entstehenden Radioaktivitaet zu schuetzen. Stossen naemlich die erzeugten Elektrostrahlen auf den Schirm oder andere Stoffe, wird die auftreffende Energie teilweise in Roentgenstrahlen umgesetzt. Diese lassen sich durch Schwermetalloxide bremsen.

PbO-Zusaetze sind fuer diesen Zweck sehr wirksam. Beim Schirmglas sollte man auf sie verzichten oder die Verwendung stark einschraenken, weil sich beim Aufprall der Elektronen auf dem Schirm der PbO-Anteil zu Pb und Sauerstoff zersetzt. Blei ist undurchsichtig, und bei hohen PbO-Zusaetzen im Schirmteil wuerde der Zuschauer bereits nach kurzer Zeit eine Verringerung der Leuchtdichte feststellen. Deshalb wird dem Glas des Schirmteiles das stabilere BaO zugesetzt.

Bei Schwarzweiss-Bildroehren sind Konen und Schirme miteinander verschmolzen. Die Ausdehnungskoeffizienten der Glaeser duerfen deshalb voneinander nicht stark abweichen. Daher sind bei diesen Bildroehren oft im Konus wie im Schirmteil bis zu zwoelf Prozent BaO-Zusatz zu finden. Der Bleioxidanteil betraegt im Konus bei diesen Roehren rund fuenf Prozent. Der Leuchtstoff ist gleichmaessig auf den Schirmteil aufgetragen.

Der Aufbau der Farbbildroehren gestaltet sich komplizierter. Die rot-, gruen- und blauleuchtenden Leuchtstoffe werden in staendiger Wiederholung streifenfoermig aufgetragen. Dazu ist zur Ansteuerung der Leuchtpunkte eine Flachmaske in der Roehre notwendig. Die Leuchtstoffe und die Flachmaske muessen im Gegensatz zur Schwarzweiss-Bildroehre aus technischen Gruenden vor dem Zusammenfuegen von Schirmteil und Konus eingebracht werden.

Die Temperatur beim Zusammenfuegen der Schirm- und Konusteile darf nicht zu hoch sein, da sonst die Leuchtstoffe beziehungsweise die Flachmasken beschaedigt werden. Deshalb kommt hier ein direktes Verschmelzen des Konus mit dem Schirm nicht in Frage. Der Kolben der Farbbildroehre besteht mindestens aus drei Glasarten: dem Halsglas mit rund 30 Prozent PbO-Gehalt, dem Konusglas mit etwa 20 Prozent PbO-Gehalt und dem Schirmglas mit zirka zehn Prozent BaO- Gehalt. Der Konus selbst wird mit einem Glaslot, welches gewoehnlich aus 80 Prozent PbO, zehn Prozent Zinkoxid und vier bis acht Prozent B2O3 und anderen Zusaetzen besteht, mit dem Schirmteil verbunden.

Dies geschieht bei Temperaturen um 440 Grad Celsius. Werden diese Roehren recycelt, stellt das Glaslot ein Problem dar. Wird naemlich Bildroehrenglas mit dem Glaslot zusammen eingeschmolzen, regt es das Glasnetz zum Auskristallisieren an. Die Schmelze wird dadurch truebe und fuer viele Zwecke unbrauchbar.

In der Literatur wird hauptsaechlich ueber Verfahren berichtet, bei denen die Roehren vollstaendig geschreddert werden. Nach dem Schreddern liegen die Materialien, also etwa die verschiedenen Glaeser von Konus-, Hals- und Schirmteilen, die Leuchtstoffe, Flachmasken, Strahlsysteme, Anodenkontakte, Pressteller etc. als Gemisch vor. Das Auseinandersortieren gestaltet sich sehr schwierig. Waehrend man die Metallteile mit magnetischem Verfahren oder Windsichten herausholt, ist das Trennen der Leuchtstoffe nur mit Fluessigkeit moeglich.

Ungeloest ist auch das Problem, die verschiedenen Glassorten zu trennen. Im Schreddergemisch befinden sich Granulate vom Schirm- und Konusglas wie auch das Glaslot. Ein Recyceln des Bleiglases ist in dieser Form nur sehr schwer moeglich.

Nach einem neu entwickelten Verfahren werden die Bildroehren getrennt, die anfallenden Teile gereinigt und einer Wiederverwertung im Stoffkreislauf zur Verfuegung gestellt. Nach der Anlieferung empfiehlt es sich, die Bildroehren zu belueften und aus den Gehaeusen auszubauen. Danach wird der Implosionsschutz auf einer Spezialeinrichtung aufgetrennt und abgewickelt. Ueber Foerderbaender werden die so vorbereiteten Bildroehren der Entsorgungsanlage zugefuehrt.

Diese Anlage besteht aus einem Karussell mit vier Stationen. Im ersten Schritt werden die Bildroehren abgesetzt und automatisch justiert. Danach haelt sie eine Vakuumsaugeinrichtung fest. Eine Ritzvorrichtung schneidet eine Kerbe in den Bildschirm und sorgt so fuer eine Oberflaechenstoerung an der fuer die waagerechte Auftrennung der Bildroehre vorgesehenen Linie. In der weiteren Bearbeitung wird ein schmales Heizband auf die vorher eingebrachte Einkerbung der Bildroehre unter Spannung angelegt. Zur Aufrechterhaltung der Bandspannung ist eine Rutschkupplung an der Vorrichtung mit dem Heizband gekoppelt.

Das Band wird auf eine Temperatur von 120 Grad bis 150 Grad Celsius ueber eine Zeitdauer von bis zu drei Minuten erwaermt und anschliessend abgekuehlt. Dabei wirkt das anliegende Heizband jetzt als zusaetzliches Kuehlmedium. Die Erzeugung gezielter mechanischer Spannungen im Glas laesst die Bildroehre an der geschwaechten Stelle platzen.

Die so erhaltenen Teile der Bildroehre, naemlich Konus und Bildschirm, lassen sich separat weiteraufbereiten. Der Konus der Bildroehre wird mit einer Transporteinrichtung, die in das Loch des abgesprengten Bildschirmhalses eingefuehrt wird und nach dem Regenschirmprinzip arbeitet, vom Bildschirm abgehoben und aus dem Kreislauf geschleust. Die angebrachten Sauger entfernen die im Bildschirm vorhandenen losen Teile wie zum Beispiel Glassplitter.

Rotierende Buersten lockern in dem offenen Bildschirm innerhalb eines geschlossenen Systems durch Rotationsbewegungen das Beschichtungsmaterial von der Glasflaeche. Gleichzeitig wird das abgetragene Material ueber ein Filtersystem abgesaugt und gesammelt.

Nach diesem Verfahren anfallende Reststoffe sind

- BaO-haltiges Glas,

- PbO-haltiges Glas,

- metallische Werkstoffe,

- Kunststoffe und

- Leuchtstoffe.

Die Entsorgung der metallischen Stoffe sowie der Kunststoffe, es handelt sich um Polypropylen, sind geklaert. Das PbO-haltige Glas wird einem Verhuettungsprozess zugefuehrt. Vor dem Schmelzprozess wird dem PbO-haltigen Glas Kohlenstoff beigemischt. Nach der Reaktionsgleichung

2 PbO i C 2 Pb i CO

entsteht Pb, welches wiederverwertet wird.

Die Restschmelze dient als Schlackebildner bei Verhuettungsprozessen. Das BaO-haltige Glas fungiert als Zuschlagstoff fuer den neuen, harten Werkstoff "Magmavit". Der Leuchtstoffanteil wird einer Sondermuelldeponie zugefuehrt.