President von Chips & Technologies über PC- und PS2-Markt:"RAM-Verteuerung killt Low-End-PCs"

13.05.1988

MILPITAS (IDG) - Klonen oder nicht klonen - das war nie eine Frage für die Chips & Technologies Inc. Das Unternehmen wurde mit dem Ziel gegründet, Chipsets für Anbieter IBM-AT-kompatibler Computer bereitzustellen. Der Erfolg - ein Anstieg des Nettogewinns von 1,9 Millionen US-Dollar im Jahr 1986 auf 24,7 Millionen in 1987 - gab den Unternehmensgründern recht. Im Kompatiblen-Sektor ist Chips & Technologies mittlerweile zu einem festen Begriff geworden.

Das Auftauchen der ersten PS/2-kompatiblen Maschinen (mit Chipsets von Chips & Technologies) wirft nun die Frage auf, ob professionelle Großanwender ihre Geräte von IBM selbst oder von Zweitanbietern kaufen werden, wenn für diese Unternehmen noch nicht einmal sicher ist, ob sie sich der Mikrokanal-Welt zuwenden werden. Sogar Gordon A. Campbell, President und Geschäftsführer von Chips & Technologies, bekäme Schwierigkeiten mit einigen seiner Mitarbeiter, wollte er die PC-Nachfolger in seinem eigenen Hause einführen.

Die amerikanische COMPUTERWOCHE-Schwesterzeitschrift COMPUTERWORLD führte ein Interview mit Campbell.

- Wie viele Kunden für PS/2-Chipsets, d. R.) haben Sie außer Dell?

Mindestens 30 bis 35 verfolgen Mikrokanal-Projekte. Ich denke, die meisten von ihnen werden irgendwann Mikrokanal-Maschinen herausbringen.

- Wie lange dauert die Entwicklung vom Erhalt der Chipsets bis zur Marktreife des Produkts?

Es gibt Leute, die schaffen das in zwei Wochen. Aber in der Regel dauert es zwei bis drei Monate.

- Wird es zur Jahresmitte eine Welle von Mikrokanal-Ankündigungen geben?

Ich denke, es wird eine Reihe von Produkten geben. Besonders der Comdex/Spring '88 kommt deswegen eine höhere Bedeutung zu als üblich.

IBM hat immer damit gedroht, Mikrokanal-Nachbauer zu verklagen. ist diese Drohung nicht reine Einschüchterung, um am Markt Zeit zu gewinnen?

IBM hat sich ziemlich klar ausgedrückt. Sie will Firmengeheimnisse, Warenzeichen etc. schützen. Aber hinsichtlich der Lizenzierung geschützter Funktionen folgt das Unternehmen seinen üblichen Richtlinien. Viele Leute haben die falsche Frage gestellt, nämlich "Wird IBM den Mikrokanal lizenzieren?". Statt dessen hätten Sie fragen sollen:

"Wird IBM eine Kollektion rechtlich geschützter Funktionen lizenzieren, die möglicherweise einige Mikrokanal-Patente enthält?"

Nachdem jetzt einige Mikrokanal-Clones angekündigt sind, ist es möglich, daß IBM einige Änderungen am Mikrokanal anbringt, um die Clone-Hersteller abzuschütteln?

Wir haben IBM im ersten Jahr nach der Firmengründung besucht und dort gesagt: "Wir haben einen Chipset, der es Ihnen erlauben würde, einen AT mit einem Fünftel der Schaltkreise zu produzieren. Warum benutzen Sie nicht unser Design und sparen eine Menge Geld?". Sie sahen uns an, grinsten und sagten: "Sie haben nicht verstanden, worum es geht."

Es stellte sich heraus, daß IBM für einen Rechner wie den AT den Distributionskanal mit Ersatzteilen füllen und gefüllt halten muß. Diese Pipeline ist so groß, daß eine Änderung darin den Kostenvorteil eines solchen Chipsets aufheben würde. Das bedeutet, daß es für IBM sehr schwierig ist, kontinuierliche Verbesserungen an einer eingeführten Maschine vorzunehmen. Womit wir rechnen müssen, ist die vorgezogene Präsentation neuer Modelle und die Möglichkeit, daß IBM Hardware und Software stärker bündelt.

Ist es möglich, Mikrokanal-Eigenschaften wie das Multiprozessor-Zuteilungssystem in den AT-Bus zu übernehmen?

Ein Versuch, den AT-Bus zu ändern, würde dazu führen, daß es keine Add-in- Karten mehr gäbe. Die Übernahme zusätzlicher Steuer- oder Kontrollsignale in den AT-Bus bewirkt, daß Standard-Karten nicht mehr auf dem geänderten Bus laufen. Die beiden Standards werden eine Weile nebeneinander existieren, aber solange wir keine Software oder andere Gründe haben, den PS/2 einzusetzen, würde ich nicht kaufen. Wenn es dafür Applikationen gibt wird sich die Situation ändern.

Wonach ist die Nachfrage größer - nach dem Chipset für das Modell 30 oder nach dem Mikrokanal?

Der Modell-30-Set läuft nicht überwältigend. Die Kompatiblen-Hersteller glauben eher an den Erfolg eines Modell-30-Clones mit dem 80286. IBM hat bereits bekanntgegeben, daß in Zukunft fast alle PCs mit dem 80386 bestückt sein werden, lediglich einige Low-End-Modelle noch mit dem 80286. Deshalb glaube ich nicht, daß es noch viele Maschinen mit dem 8088/8086 geben wird. Die Verknappung im Bereich der Speicherbausteine trägt sehr dazu bei, den unteren Modellbereich zu kippen. Wie es aussieht, nehmen die Hersteller zuerst die Modelle aus der Produktion, die wenig Profit bringen.