Schockreaktion oder echte Tarifreform?

Preissenkung: Telekom nennt noch keine offiziellen Zahlen

10.11.1998
MÜNCHEN (hi) - Ein heißes Ratespiel hat die Telekom ins Leben gerufen. Seit ihrer Ankündigung, die Tarife drastisch zu senken, brodelt in der deutschen TK-Szene die Gerüchteküche.

Für eine Überraschung sorgte die Telekom bei der Bekanntgabe ihrer Quartalszahlen: Der Carrier stellte massive Preissenkungen von bis zu 60 Prozent in Aussicht. Nachdem das Unternehmen im ersten Halbjahr 1998 eine positive Umsatzentwicklung verbucht hatte, stagnierten im dritten Quartal die Einnahmen bei rund 16,7 Milliarden Mark. Insider werten dies als einen Beleg dafür, daß die neuen Wettbewerber der Telekom bei den Ferngesprächen wohl tatsächlich einen Marktanteil von 25 Prozent abgeknöpft haben. Schuld daran ist, so die Telekom, die einseitige Regulierung, die die Wettbewerber bevorzuge. Insgesamt kam der Ex-Monopolist jedoch mit einem blauen Auge davon, konnte er doch gegenüber dem Vorjahr seinen Umsatz in den ersten neun Monaten von 49,6 Milliarden auf 51,4 Milliarden Mark steigern und dabei einen Konzernüberschuß von drei Milliarden Mark erzielen.

In dem mageren Ergebnis des dritten Quartals vermuten Branchenkenner denn auch den Grund für das Vorpreschen der Telekom in Sachen Preissenkung. Derzeit kursieren in der Branche Gerüchte, wonach der Bonner Carrier für ISDN-Kunden, also größtenteils Geschäftskunden, zum 1. Januar 1999 die Preise um bis zu 60 Prozent senken und nur noch nach zwei Tarifzonen (City- und Fernbereich) abrechnen will. Inhaber analoger Anschlüsse kommen erst drei Monate später, so unternehmensnahe Kreise, in den Genuß des neuen Gebührenmodells. Sollte die Regulierungsbehörde dieses Konzept genehmigen, dann würde künftig ein Ferngespräch tagsüber 24 Pfennig und nachts zwölf Pfennig pro Minute kosten.

Ein Preisniveau, auf das Telekom-Herausforderer Otelo dann reagieren würde. "Allerdings muß hierzu erst das genaue Tarifmodell der Telekom beim Regulierer vorliegen, alles andere sind vor- erst Spekulationen", schränkt Ote- lo-Sprecher Thomas Rompczyk ein. Ebenso zurückhaltend gibt man sich bei Mannesmann Arcor. Der Eschborner Carrier will ebenfalls erst einmal abwarten, bis der Tarifantrag der Telekom öffentlich vorliegt.

Für Wilhelm Hübner, Vorsitzender des Verbandes der Postbenutzer, ist die heiß diskutierte Tarifreform, sollte sie in dieser Form erfolgen, "ein erster Schritt in die richtige Richtung, der allerdings viel zu spät kommt". Hübner bezweifelt jedoch, ob ein Splitten zwischen ISDN- und Analog- Anschlüssen, wie von der Telekom geplant, in dieser Form zulässig ist. Des weiteren hält er es für fragwürdig, ob die neuen Preise wirklich marktgerecht sind. Die in Aussicht gestellte Vergünstigung für Internet-User, die gegen eine höhere Grundgebühr einen billigeren Zugang zu Online-Diensten bekommen, ist für den Verbandsvorsitzenden "schlicht ein Treppenwitz".