Auf Anwenderproteste reagiert Anbieter mit totalem Unverständnis

Preiserhöhungen für VSE-nahe CA-Systemsoftware im Zwielicht

15.03.1991

MÜNCHEN - "Es ist immer das gleiche: Bei IBM wird bezahlt, und bei den Kleineren wird gespart", empört sich Mario Pelleschi, Geschäftsführer der Computer Associates GmbH (CA) in Weiterstadt. Gegenstand seiner Mißbilligung: Die CA-Kunden wollen nicht hinnehmen, daß ein Teil ihrer systemnahen Softwareprodukte unter VSE/ESA um 30 Prozent teurer sein soll als unter VSE/SP.

Seit Anfang des Jahres liefert die IBM eine überarbeitete Version des "kleinen" Mainframe-Betriebssystems Virtual Storage Extended (VSE) aus (siehe auch CW Nr. 30 vom 27. Juli 1990, Seite 1: "IBM nennt DOS/VSE auch ohne SAA-Konformität strategisch"). Die Anbieter systemnaher Softwareprodukte reagierten prompt: Neben Computer Associates können auch kleinere Unternehmen wie Software Engineering of America (SEA) und Goal Systems VSE/ESA-konforme Systemsoftware liefern.

Doch während die weniger bekannten Anbieter die neuen Produktversionen im Rahmen der bestehenden Wartungsverträge anbieten, überraschte CA seine Kunden kürzlich mit der Ankündigung einer 30prozentigen "ESA-Upgrade-Gebühr" für diejenigen Produkte, "die die erweiterte ESA-Funktionalität nutzen". Pelleschi begründet die Preiserhöhung mit dem Aufwand für Infrastruktur und Ausbildung sowie die Beschaffung der neuen Maschinen: "VSE/ESA ist ein komplett neues Betriebssystem; wir mußten viele Produkte von Grund auf neu schreiben."

Die Kundschaft sieht das offenbar anders. So stellt Fred Voigt, DV-Leiter der Elastoform Polstermöbel GmbH & Co. in Duisburg, die von Pelleschi vorgebrachte Rechtfertigung in Frage: "Mir ist völlig unverständlich, was die zum Beispiel an dem List-Generator CA-Earl durch die Nutzung der neuen Ressourcen besser machen wollen; das Produkt ist näher an der Anwendung als am Betriebssystem." Dasselbe gelte für die reine RZ-Software. "Was soll da unter ESA anders ablaufen als vorher?" fragt sich der CA-Kunde: "Dadurch verändert sich doch nicht die Organisationsform eines RZ!"

Im übrigen verwahrt sich Voigt gegen den Vorwurf, die Anwender würden der IBM klaglos geben, was sie CA verweigern. Aufgrund einer parallel erfolgten Neueinteilung der Rechnerklassen verlange IBM für VSE/ESA in den meisten Fällen weniger als für VSE/SP. Die Elastoform GmbH und Co. beispielsweise würde für das neue Betriebssystem monatlich 4786 Mark zahlen; VSE/SP Version 3 kostet den Duisburger Möbelhersteller 6571 Mark im Monat.

Allerdings ist sich Voigt über die möglicherweise nur kurzfristige Natur dieses Preisvorteils im klaren. "Daß auch die IBM sich ihre Entwicklungskosten bezahlen läßt, daran gibt es keinen Zweifel", bestätigt der DV-Leiter. "Irgendwann brauchen wir eine neue Maschine, dann müssen wir das alles nachzahlen." In der Leistungsgruppe 30, wo seine 4381 R 13 bislang eingeordnet war, kostet VSE/ESA nämlich stolze, 10 076 Mark. Der blaue Riese kommentiert seine Lizenzpolitik lapidar: "Unsere Preise sind vom Markt abhängig; wir müssen immer wieder neu überlegen, wie wir sie gestalten."

Daß sich gegen die Preisgestaltung der IBM generell wenig Kundenprotest regt, hängt laut Voigt in erster Linie mit deren Nachvollziehbarkeit zusammen. "Das ist durchschaubar", erläutert er. "Man darf nicht vergessen, daß sich zum Beispiel der Leistungsumfang von VSE erheblich verändert. Insofern wäre hier ein Nachschlag eher

verständlich." CA hingegen liefere keine Produktneuheiten, sondern lediglich Anpassungen an das neue Betriebssystem.

Wie das Echo in der Fachpresse beweist, steigen die VSE-Anwender unter den CA-Kunden weltweit einmütig auf die Barrikaden. Unterschiedlich sind jedoch die Konsequenzen, die sie aus dem neuesten Streich des vielfach ungeliebten Softwaregiganten ziehen wollen. "CA besitzt das Monopol im VSE-Bereich", klagt ein deutscher DV-Leiter, der ungenannt bleiben möchte. "Man kommt nicht ohne weiteres an CA vorbei; also muß man die Eskapaden dieser Firma ertragen."

Gleichwohl ziehen viele Kunden jetzt die Möglichkeit in Erwägung, ihre CA-Produkte durch Systeme anderer Hersteller zu ersetzen. Beispielsweise registrierte Reinhold Beckmann, Marketing Repräsentative des Konkurrenzunternehmens SEA, eine erhöhte Nachfrage nach dem Job-Scheduling-System CSAR: Während er normalerweise ein bis zwei Anfragen im Monat bekäme, hätten sich innerhalb der vergangenen drei Wochen bereits acht Interessenten bei ihm gemeldet.

Daran, daß die CA-Kunden ihre Drohung wahrmachen könnten, mag Beckmann hingegen nicht glauben. Seiner Ansicht nach werden die Kunden die Preiserhöhung schließlich "zähneknirschend" akzeptieren. Wie Voigt bestätigt, existiert zwar für nahezu jedes CA-Produkt ein Konkurrenzsystem, doch müßten im Falle einer Migration sicher einige Programme neu geschrieben werden. "Das wäre alles andere als schön," resümiert der Duisburger, beteuert ,jedoch, daß er notfalls davor nicht zurückschrecken würde.

Mehr als über die eigentliche Erhöhung der Lizenz- und folglich auch der Wartungspreise ärgert sich die CA-Kundschaft offenbar über eine "Marketing-Aktion" (O-Ton Pelleschi), mit der CA die potentiellen ESA-Anwender zu einem frühzeitigen Commitment verlocken will: Wer die neuen Versionen der CA-Produkte bis zum 31. März dieses Jahres lizenziert, zahlt statt 30 nur 20 Prozent Aufpreis gegenüber der VSE/SP-Version - allerdings bereits ab dem 1. April! Signifikanterweise endet im März das Geschäftsjahr des Softwarekonzerns.

"Eine reine Marketing-Aktion"

"Das halte ich für eine Frechheit", wettert Voigt. "Die wollen uns Anwendern Sand in die Augen streuen." Entweder CA brauche den Aufpreis von 30 Prozent, um die Entwicklungskosten zu decken, oder aber nicht; alles andere sei Augenwischerei". Nach Darstellung des CA-Geschäftsführers ist die Preisvergünstigung hingegen nicht im Zusammenhang mit dem Entwicklungsaufwand zu betrachten, der seiner Ansicht nach auch mit einer Lizenzkosten-Steigerung um 30 Prozent noch nicht gedeckt wird.

"Das, was wir gemacht haben, ist eine reine Marketing-Aktion, nicht anders, als IBM sie mit den neuen Maschinen macht", konstatiert Pelleschi. Was er mit dem Hinweis auf die Vertriebspraktiken der IBM meint, deutet der CA-Geschäftsführer nur vage an: "Kaum war die Ankündigung da, stand auch schon unser IBM-Vertriebsmann auf der Matte und hat mir alles erklärt: die Vorteile, die Preise, und was für einen guten Rabatt ich bekomme, wenn ich jetzt unterschreibe." Nach offizieller IBM-Lesart gibt es allerdings weder Subskriptionspreise noch generelle Rabatte.

Für die negative Reaktion seiner Kunden auf das vermeintlich günstige Angebot fehlt Pelleschi das Verständnis: "Ich finde die Empörung befremdlich" wundert sich der gebürtige Schweizer; "in anderen Branchen ist so etwas üblich, nur bei Software ist man zu empfindlich, um normal zu reagieren." Außerdem müsse der Kunde dieses Angebot schließlich nicht annehmen.

Die Anwender halten dem entgegen, daß sie mit einer Entscheidung für oder gegen den Einsatz von VSE/ESA derzeit noch überfordert wären, weshalb der erhoffte Preisvorteil sich - wenn überhaupt - erst in der ferneren Zukunft einstellen könnte: "Wir haben herausgefunden, daß das für uns erst in fünf oder sechs Jahren einen Gewinn bringt," berichtet, einer von ihnen. "Und ich weiß nicht, was in sechs Jahren sein wird; vielleicht steigen wir dann ja auf MVS um."

Interessant sei das Angebot, allenfalls für Unternehmen, die bereits im nächsten oder übernächsten Jahr auf VSE/ESA migrieren wollen.

Auch Voigt könnte den CA-Rabatt nicht nutzen, selbst wenn er es wollte. Als Hindernis nennt er den adressierbaren Speicherraum, der bislang noch auf 16 MB beschränkt sei. Zwar habe IBM Abhilfe versprochen: "doch da gibt es noch nicht einmal eine Terminvorstellung". Das derzeit ausgeliefert Produ(...) verkleinere die Online-Partition, mit der viele VSE-Anwender ohnehin Schwierigkeiten hätten. "Für uns ist die Möglichkeit, diesen Zwischenschritt zu gehen, überhaupt nicht gegeben", schimpft der DV-Fachmann.