Vorbemerkung zur CW-Serie: Projektmanagement in der Praxis

Praxis und Wissenschaft inkompatibel

06.03.1992

Die Literatur zum Thema Software-Engineering ist außerordentlich reich an Veröffentlichungen, in denen normativ Konzepte, Modelle, Methoden und Instrumente zur Gestaltung von Softwareprojekten dargestellt werden. Relativ selten wurde bislang beschrieben, wie in der Praxis Softwareprojekte tatsächlich abgewickelt werden.

Wie notwendig es ist, sich genauer mit der Praxis des Software-Engineering zu befassen, wurde in unserer Untersuchung immer wieder deutlich. Die praktizierte Wirklichkeit bei Softwareprojekten und die normative Welt des Software-Engineering haben wenig miteinander gemein; Praxis und Wissenschaft nehmen erstaunlich wenig voneinander Kenntnis. Dies wirkt sich für beide zum Nachteil aus.

Die Untersuchung, über die wir im weiteren berichten, soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Sie basiert auf dem soziologischen Teilprojekt, das von der Sozialwissenschaftlichen Projekt gruppe, München, im Rahmen des "Interdisziplinären Projekts zur Arbeitssituation in der Software-Entwicklung" (Ipas) durchgeführt und vom BMFT im Rahmen des Programms "Arbeit und Technik" gefördert wurde. Das Teilprojekt "Informatik" lag in den Händen von Professor Wolfgang Hesse, Udo Bittner und Johannes Schnath, Universität Marburg, das arbeitspsychologische Teilprojekt wurde bearbeitet von Professor Michael Frese, Felix C. Brodbeck, Torsten Heinbohel, Sabine Sonnentag und Wolfgang Stolte, Universität Gießen.

Wir stützen uns dabei auf die Untersuchung von 46 Software-Projekten, in deren Verlauf wir über 200 Gespräche mit Projekt-Managern, Projektleitern und Entwicklern führten.

Der Schwerpunkt unserer Untersuchung liegt auf der Auseinandersetzung mit der organisatorischen Seite der Projektabwicklung. Die Primär softwaretechnischen Aspekte einerseits, die arbeitswissenschaftlichen Aspekte andererseits bleiben ausgeblendet. Wir verweisen hierzu auf die Veröffentlichungen der anderen Teilprojekte. In unserer Darstellung beschränken wir uns weitgehend auf die Wiedergabe der empirischen Befunde unserer Untersuchungen. Die Praxis der Software-Entwicklung leidet weniger an einem mangelnden Angebot von Rezepten als an einer unzureichenden Berücksichtigung der Bedingungen und Anforderungen, mit denen die organisatorische Gestaltung von Softwareprojekten konfrontiert ist. Eine Darstellung eben dieser Zusammenhänge, so hoffen wir, kann zu einem verbesserten Verständnis beitragen.