Würzburger Wirtschaftsinformatiker starten MBA-Ausbildung

Praktiker werden Meister im Umbauen und Integrieren von IT

06.08.1999
Von Helga Ballauf* Will eine Firma ihre Geschäftsprozesse mit IT unterstützen, braucht sie einen "organisatorischen Arzt", wie es der Wirtschaftsinformatiker Rainer Thome nennt. Mitarbeiter, die über kombiniertes betriebswirtschaftliches und informationstechnisches Wissen verfügen, bildet die Universität Würzburg in dem neuen MBA-Studiengang "Business Integration" aus.

Angesiedelt ist die berufsbegleitende Weiterbildung für junge Fachkräfte mit Führungsambitionen am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik. Professor Rainer Thome und seine Kollegen haben in den vergangenen Jahren Produktions- und Handelsunternehmen sowie Verwaltungen bei der Reorganisation der Betriebsabläufe nach Einführung von IT-Systemen begleitet. "Wir haben dabei Know-how angesammelt, das wir an die Fachkräfte weitergeben wollen, die im beruflichen Alltag von den neuesten technischen und methodologischen Entwicklungen ein bißchen abgeschnitten sind", beschreibt Thome die Entstehungsgeschichte des Studiengangs.

Sein Bild vom "organisatorischen Arzt, der sich auf Diagnose und Therapie versteht", erklärt der Hochschullehrer so: Oft denken Unternehmen, die Electronic Commerce oder eine IT-gestützte Logistikabwicklung einführen wollen, es müßten nur Nachrichten von einem Rechner zum anderen übermittelt und dazu die Computersysteme kompatibel gemacht werden. Das Entscheidende sei jedoch, daß die technische Umstellung veränderte Abläufe im Geschäftsprozeß erforderlich und möglich mache: "Die Firma braucht Mitarbeiter, die diesen Zustand diagnostizieren und gleichzeitig konkrete Vorschläge erarbeiten, auf welche andere Art die Abläufe organisiert werden können." Ziel des Studiengangs ist es, Fachleute heranzubilden, die "solche organisatorischen Veränderungen vorbereiten und die Entscheider an der Firmenspitze davon überzeugen können."

Vier Semester dauert die berufsbegleitende Weiterbildung für Betriebswirtschaftler, Wirtschafts- ingenieure und -informatiker. Die zehn Veranstaltungsblöcke zu je zwei Wochen finden in der vorlesungsfreien Zeit in Würzburg statt. Bis zu drei Blöcke können die Studierenden von ihrem Wohnort aus via Extranet bearbeiten. Ein Block - die Analyse der Informationsintegration in und zwischen internationalen Unternehmen - wird an der Partnerhochschule, dem Bentley College in Boston/USA, absolviert.

Für die anderen Themen wurden Professoren aus Würzburg, Gießen, Magdeburg und Dresden gewonnen. Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Globalisierung ebenso wie mit Projekt- und Wissens-Management, Führung und Kommunikation, Geschäftsprozeßentwicklung und den betriebswirtschaftlichen Problemstellungen in und zwischen Unternehmen.

Dozenten aus der Wirtschaft miteinbinden

Die Arbeit an Fallstudien und die Kooperation mit Dozenten aus der Wirtschaft sollen bei allen Themen die Praxisrelevanz sicherstellen. Die Studiengebühr von 6000 Mark pro Semester wird benötigt, um die Organisation der Weiterbildung und das Honorar für die externen Experten aus Unternehmen und Organisationen zu gewährleisten, betont Thome: "Der Studiengang ist keine neue Geschäftsidee. An der Universität verdient niemand etwas daran."

Im Oktober dieses Jahres startet der erste MBA-Kurs mit voraussichtlich 20 Teilnehmern. Die formalen Voraussetzungen sind: einschlägiger Hochschulabschluß, mindestens drei Jahre Berufspraxis, gute Englischkenntnisse, Empfehlung vom Arbeitgeber. Nach den Erfahrungen bei den bisherigen Gesprächen mit Bewerbern weist Professor Thome daraufhin, daß es sich nicht um ein Ergänzungsstudium für Betriebswirtschaftler handelt, die sich grundlegende Kenntnisse aus der Wirtschaftsinformatik erarbeiten wollen: "Dafür ist unser Angebot bereits zu spezialisiert." Junge Unternehmer, die ihren eigenen Betrieb effizienter managen wollen, sind ausdrücklich willkommen. Allerdings befürchtet Thome, daß nur wenige von ihnen sich die nötige Zeit werden freischaufeln können.

Eine Umfrage bei aussichtsreichen Bewerbern fördert vor allem drei Motive zu Tage: Die Fachkräfte freuen sich nach Jahren im betrieblichen Alltagsgeschäft auf fachliche Anre- gungen durch die Dozenten und auf den branchenübergreifenden Austausch unter den Studierenden. Sie wollen lernen, wie sich in weltweit tätigen Unternehmen Geschäftsprozesse auf IT-Basis realisieren lassen. Nicht zuletzt versprechen sie sich durch den MBA-Abschluß verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten.

Betriebswirt Thomas Wolpert arbeitet bei Union Tank, einem mittelständischen, europaweit tätigen Unternehmen, über das Speditionen und Logistikunternehmen Tankstellenkosten und Autobahngebühren bargeldlos abrechnen. Ob Euro, neues Betriebssystem oder Data-Warehouse - Wolpert muß zwischen den Fachabteilungen und den DV-Spezialisten vermitteln und benötigt dafür Know-how aus beiden Bereichen. Außerdem will er früh wissen, "mit welchen Fragen der Prozeßorganisation sich global tätige Unternehmen in den nächsten Jahren beschäftigen müssen."

Nicole Köster ist bei der Firma Alpha Getriebebau für das Marketing zuständig. Wenn die Betriebswirtin die Zulassung zum MBA-Studiengang erhält, wird sie zwar bei der Projektarbeit im Betrieb kürzer treten müssen. Letztlich profitiere aber auch das Unternehmen davon, wenn sie "für die Einführung von Management- und Vertriebsinformationssystemen in unseren weltweit 40 Vertretungen konkrete Anregungen von der Uni mitbringt."

Die internationale Ausrichtung des Studiengangs und die Kombination von Forschung und Praxis sind auch für Andreas Stadler besonders wichtig. Er verspricht sich für seine Arbeit bei der Vogel Medien GmbH einen "Methodenbaukasten, um komplexe Geschäftsprozesse im internationalen Beteiligungscontrolling abbilden und kontrollieren zu können." Er will sich nicht nur fundierte Kenntnisse über den Nutzen der IT aneignen, sondern auch deren Grenzen ausloten.

Der Titel Master of Business Administration hat in der letzten Zeit ein wenig an Anziehungskraft verloren. "Es wurde zuviel Klamauk betrieben", sagt Professor Thome. Er schätzt daher den Versuch positiv ein, mit dem neuen Gütesiegel EQUIS (European Quality Improvement System) europaweit gültige Maßstäbe "für ein straffes und anspruchsvolles Studienprogramm" zu setzen. Auch in den USA unterliegen die MBA-Programme einer Qualitätsdiskussion und müssen neue Entwicklungen aufnehmen, allen voran die IT-Themen. Die Partneruniversität der Würzburger, das Bentley College in Boston, mischt dabei kräftig mit.

Bis 15. August 1999 nimmt die Universität Würzburg noch Bewerbungen entgegen: Dekanat der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Weiterbildungsstudiengang "Business Integration", Sanderring 2, 97070 Würzburg, Telefon: 0931/312 949, E-Mail: info businessintegration.de, Internet: www.businessintegration.de.

*Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.