Nach massivem Widerstand gegen geplante Erhöhungen:

Post taktiert bei Datex-Gebühren hinhaltend

11.05.1984

MÜNCHEN - Über den Umweg einer politischen "Paketlösung" sucht die Bundespost jetzt offenbar das durchzusetzen, was bei den Betroffenen bisher auf einhellige Ablehnung gestoßen ist: eine Erhöhung der Datex-P- und Datex-L-Gebühren. Am 25. Juni wird dem Postverwaltungsrat unter der Überschrift "25. Verordnung zur Änderung der Fernmeldeordnung" ein umfangreiches Maßnahmenbündel präsentiert, das neben Themen wie nutzungsabhängige Tarifierung, Gebühren für das 64-KBit-Modellnetz und ISDN auch die künftige Gebührenpolitik bei den Datex-Netzen beinhaltet.

Den Auftakt zur Attacke gegen die bisherigen Datenwählnetzgebühren gab Mitte November letzten Jahres der beamtete Staatssekretär im Postministerium, Winfried Florian. Vor einem ausgesuchten kleinen Kreis aus Repräsentanten der wichtigsten Wirtschaftsverbände erläuterte er die Situation: Die Kostendeckung von Datex-L liege nur bei 39 Prozent, diejenige von Datex-P gar nur bei 35 Prozent. Um wenigstens auf eine Kostendeckung von 50 Prozent zu kommen, seien von 1985 an Gebührenerhöhungen unumgänglich.

Wenig später, am 7. Dezember 1983, wurde die Arbeitsgruppe des Ausschusses für Datenfernverarbeitung beim Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) in Darmstadt, ein Beratungsgremium aus Vertretern von Anwendern und Herstellern, offiziell unterrichtet. Titel der schriftlichen Gedankenspiele, die von der Post als "vertraulich" eingestuft wurden: "Datex-Gebühren, Geplante Ergänzungen 1985" . Nach massiven Protesten aus den Reihen der Arbeitsgruppe - Modellberechnungen hatten ergeben, daß die Anwendungen um mindestens 60 Prozent teurer wurden - modifizierte das Ministerium in einem weiteren Papier vom 6. März seine Vorstellungen wenigstens in zeitlicher Hinsicht: statt einer Erhöhung auf einen Schlag eine Anhebung in drei Stufen 1985, 1986 und 1987.

Beim bisher letzten Treffen der Arbeitsgruppe am 29. März in Deidesheim votierten von den 15 vertretenen Verbänden und Einrichtungen 14 gegen das Gebührenmodell der Bundespost; einzig das Innenministerium hielt die Erhöhung zwar für "unumgänglich", plädierte aber für eine "Verschiebung der Gebührenmaßnahmen, die die zu erwartenden Haushaltsprobleme mindern würde".

In einer Resolution legte das Gremium seine ablehnende Haltung ausführlich dar:

- Die Anwender würden aus den Wählnetzen gedrängt; dieser Trend sei im Hinblick auf das ISDN ein Weg in die falsche Richtung.

- Die Ausbreitung der beiden neuen Dienste Teletex und Btx werde erheblich behindert.

- Höhere Gebühren führten zu einer Verkehrsverringerung beziehungsweise zu einer geringeren Verkehrssteigerung, wodurch in Frage gestellt sei, eine bessere Kostendeckung zu erreichen.

- Die Einstiegsschwelle für die Datenfernverarbeitung werde weiter angehoben; dies erschwere für weite Benutzerkreise, insbesondere die mittelständische Wirtschaft, die Nutzung der Telekommunikationsdienste.

- Hersteller und Anwender hätten auf Basis der derzeitigen Gebühren und im Vertrauen auf die Planungssicherheit große Investitionen in Endgeräte-Hardware und -Software getätigt, die bei den geplanten Erhöhungen erheblich gefährdet seien.

Abschließend meint die Arbeitsgruppe in ihrer Resolution: "Man sieht Möglichkeiten, mit anderen Maßnahmen zu einer verbesserten Kostendeckung zu gelangen. Es wird empfohlen, durch attraktive Gebühren mehr Verkehr in die Datenwählnetze zu ziehen und damit Mehreinnahmen zu erzielen."

Gespräch im kleinen Kreis

Am 12. April schließlich unternahm eine kleine Delegation des FTZ-Beratungsgremiums nochmals den Versuch, bei der Post eine Revision der Gebührenvorstellungen zu erwirken. In diesem Gespräch sollen die Vertreter des Ministeriums signalisiert haben, daß man nach Zugeständnissen in zeitlicher Hinsicht auch zu Zugeständnissen in der Höhe bereit sei. Das Ergebnis dieser postinternen Überlegungen, so heißt es seitens der Betroffenen, werde in der nächsten Arbeitsgruppensitzung am 16. Mai bekanntgegeben.

Für den Fall, daß die Post dennoch an ihrer harten Linie festhält, liegen bei den meisten Anwendern die entsprechenden Gegenstrategien bereits ausgearbeitet in den Schubladen. Außerdem will man bis zum 25. Juni, dem Termin der nächsten Verwaltungsratssitzung, sämtliche "politischen Kanäle" nutzen, um so die Gebührenerhöhung oder die geplante 25. Änderungsverordnung insgesamt zumindest zu verzögern.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist ein Thema, das im Zusammenhang mit den Datex-Gebühren wieder an Aktualität gewonnen hat und dem Postministerium schwer im Magen liegen dürfte: die Transparenz der Kosten- und Leistungsrechnung im Fernmeldewesen. Um die Gebührensteigerungen zu begründen, hatten die Fachleute aus dem Hause Schwarz-Schilling zwar 35 beziehungsweise 39 Prozent als Unterdeckung für die beiden Dienste genannt und mit einem Gesamtdefizit von 250 Millionen-Mark im Zeitraum 1976 bis 1982 operiert, es aber nicht für nötig gefunden, ihre Berechnungsgrundlage offenzulegen.

Bei Datex-L wunderten sich die Anwender über den radikalen Kurswechsel der Post, nachdem sie noch bis Herbst letzten Jahres von Gebührensenkungen gesprochen hatte. Bei Datex-P, so lautet der Vorwurf, sei man bei der Berechnung des Defizits nicht vom aktuellen Stand des letzten Jahres - am 31. 12. waren 3401 Anschlüsse geschaltet - ausgegangen, sondern von den 1405 Anschlüssen des Jahres 1982.

In der FTZ-Arbeitsgruppe wie auch im entsprechenden Ausschuß des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) in Bonn wird denn auch immer häufiger die Forderung laut, daß das Ministerium, wie im Postwesen bereits seit langem praktiziert, endlich auch im Fernmeldewesen jeden einzelnen Dienst gesondert in der Leistungs- und Kostenrechnung aufführt. So heißt es zum Beispiel in einem Schreiben des DIHT an Bundespostminister Schwarz-Schilling: "Das grundlegende Prinzip aller Gebührenpolitik ist das Äquivalenzprinzip. Ob in der Gebührenpolitik der DBP Äquivalenz gewahrt oder verfehlt wird, ist eine Frage, an der die Benutzer des Post- und Fernmeldewesens ebenso interessiert sein müssen wie der Bundespostminister selbst. Eine Beurteilung ist aber nicht möglich, wenn die Wirtschaftsergebnisse der einzelnen Dienstzweige als "unternehmensinterne" Angelegenheit behandelt werden. Als staatliche Leistungsverwaltung sollte sich die Deutsche Bundespost verpflichtet fühlen, im Fernmeldewesen mehr Publizität als bislang zu gewähren".