Kolumne/

Plädoyer für den Know-how-Transfer

17.05.1996

Heinrich Vaske

Wenn deutsche Großunternehmen Informationstechnik einkaufen, steht die Industrie Gewehr bei Fuß. Ganze Lkw-Ladungen von Hardware-Equipment werden zum Kunden verfrachtet, wo sich Hundertschaften von Technikern über die Systeme hermachen, um sich von der Tauglichkeit der neuesten Rechnermodelle und Peripheriegeräte zu überzeugen. Nicht viel anders verhält es sich mit Software und Netzwerken. Anhand aufwendiger Testinstallationen im eigenen Haus finden die Großkunden heraus, ob beispielsweise eine Client-Server-Lösung für ihre Zwecke geeignet ist und wie sie am besten konfiguriert werden kann.

Anstatt nun die teuer erarbeiteten Testresultate mit anderen Anwenderunternehmen auszutauschen und somit die Kosten zu reduzieren, bunkern die Firmen ihre Ergebnisse an einem sicheren Ort. Ihr Argument: Es handelt sich um höchst individuelle Daten, die niemanden etwas angehen. Diese Begründung ist so alt wie absurd. Die komplette DV wird pauschal zu einem wettbewerbskritischen Faktor erklärt, weil man weder willens noch in der Lage ist, herauszufinden, welche Funktionen wirklich für den Erfolg des Unternehmens relevant sind.

Würde man sich die Mühe machen, käme man schnell zu der Erkenntnis, daß im Prinzip jede größere Company dieselben Produkte vergleicht und zu ähnlichen Resultaten gelangt. Der vielzitierte Wettbewerbsvorteil wird erst durch den richtigen Einsatz dieser elektronischen Werkzeuge erzielt. Dabei sind organisatorische Aspekte ausschlaggebend, vor allem die Definition und DV-technische Abbildung der unternehmenskritischen Prozesse.

Volkswirtschaftlich verursacht die Bunkermentalität der IT-Verantwortlichen einen immensen Schaden. In Hunderten von Unternehmen finden dieselben aufwendigen Tests statt, manchmal sogar direkt beim Nachbarn um die Ecke. Wie einfach wäre es, wenn sich die IT-Chefs der großen Konzerne zusammensetzten und über einen Know-how-Transfer nachdächten? Problemlos ließe sich eine Informationsbörse einrichten, aus der aktuelle Testresultate abgerufen werden könnten.

Letztendlich sind es wohl sehr menschliche Gründe, die Unternehmen dazu bringen, ihre Resultate unter Verschluß zu halten. Würden die Testergebnisse offengelegt, müßte man sich allzu häufig eingestehen, nicht die besten und preiswertesten Lösungen ausgewählt zu haben. Auf die Kaufentscheidung wirken auch andere Faktoren ein, beispielsweise die traditionelle Bindung an einen Hersteller, seine Einladung nach Rochester und Tokio oder auch das gemeinsame Golfspiel mit dem VB.

Doch Vorsicht: Längst macht das unternehmensweite Controlling vor den IT-Abteilungen nicht mehr halt. Was es dort serviert bekommt, stößt manchem Finanzchef sauer auf. Die Frage Make or Buy wird nicht zuletzt deshalb immer häufiger zugunsten des Fremdbezugs beantwortet, weil die Controller die Kaufentscheidungen ihrer IT-Chefs nicht nachvollziehen können.