Pioniere rund um Point of information und Point of sale Anwendungen zur Information und fuer die Verkaufsberatung

05.11.1993

Der Markt fuer Point-of-information-Systeme etwa auf Flughaefen und Bahnhoefen oder in Museen ist nicht unbegrenzt ausbaufaehig. Multimedia-Anbieter muessen daher auch beratungsunterstuetzende und verkaufsfoerdernde Point-of-sale-Loesungen fuer den kleinen und grossen Einzelhandel offerieren. Jens Laub* gibt Beispiele fuer beide Anwendungstypen.

Glaubt man den Marktforschungsstudien von Frost & Sullivan oder der Information Workstation Group, so sind Multimedia-Systeme eine kraeftig expandierende Branche innerhalb der Computer- und Kommunikationsindustrie. Waehrend die relativen Marktanteile am gesamten Hard- und Softwaremarkt noch eher gering sind, stuft das Marktforschungsinstitut Dataquest die Wachstumschancen mit jaehrlich 40 bis 50 Prozent als ausserordentlich hoch ein.

Gemaess Hochrechnungen werden mit Multimedia-Systemen bis 1996 weltweit neun Milliarden Dollar umgesetzt. Selbst die Experten des "Fachdienst Multimedia" sind der Meinung, dass die Vermarktung der neuen Technologie noch in den Kinderschuhen steckt.

Die Verknuepfung von Text-, Ton- und Videoelementen ermoeglicht allerdings schon jetzt die Erstellung hochwertiger Animationen fuer die Weiterbildung mit Computer-based Training (CBT), den Verkauf sowie Infotainment-Veranstaltungen auf Messen oder im Einzelhandel.

Ferndiagnose per Videokonferenz

Die Anwendungsschwerpunkte befinden sich am Point of sale (POS) wie Einkaufszentren, Kaufhaeusern und Supermaerkten oder am Point of information (POI) wie auf Messen, in Bahnhoefen, Museen oder Flughaefen. Hinzu kommen Videokonferenzen fuer die Buerokommunikation und fuer Veranstaltungen.

Komplexe Systemloesungen finden aber auch in Nischenbereichen wie der Kommunikation zwischen Krankenhaeusern ihren Markt. So bietet die Qualitaetssteigerung in der Darstellung von Bildelementen beim Video-Conferencing im medizinischen Bereich interessante Perspektiven.

"Radkom", ein von der Berliner Firma Detecon und der Siemens AG entwickeltes System, dient der radiologischen Datenkommunikation. Per Videokonferenz und dem digitalen Austausch von Krankheitsbildern koennen Aerzte unter Ausschaltung von Raum- und Zeithindernissen Diagnosen und Therapiemoeglichkeiten abstimmen.

Auf ein breiteres Anwendungsfeld stossen allerdings Multimedia- Angebote am POI. So bietet die elektronische Fahrplanauskunft (EFA) an deutschen Bahnhoefen in 24 Staedten die Moeglichkeit, Informationen ueber Nahverkehrsfahrplaene abzurufen. Das System krankt jedoch an mangelnder Flexibilitaet. Waehrend die Benutzungsfrequenzen mit 300 Anwendern taeglich relativ hoch sind, ist der effektive Nutzen fuer die Fahrgaeste nur mit einem gedruckten Fahrplan vergleichbar, da in das System mangels Online- Verbindung zur Betriebszentrale keine Verspaetungen oder Sonderzuege eingespeist werden.

Einen weiteren Einsatzbereich am POI, wo die taegliche Aktualitaet der Informationen weniger relevant ist, stellen Museen dar. Die Zeiten spektakulaerer Multimedia-Shows in Museen sind zwar vorueber, es werden aber zunehmend gezielt Texttafeln gegen Touchscreen Systeme ausgetauscht.

So kann der Besucher Hintergruende zu den realen Objekten bequem und je nach speziellen Interessen abrufen, ohne muehsam Texttafeln entziffern zu muessen.

Wichtig ist die wirkungsvolle Zusammenstellung der Informationen, da die Benutzungsdauer der Systeme nach einer empirischen Erhebung des Deutschen Museums in Muenchen bei durchschnittlich drei Minuten liegt.

Problematisch ist die Umsetzung audio-visueller Systeme in grossen Museumssaelen. Die Beschallung verschwimmt oft zu unangenehmen Klangwolken. Der Besucher verliert schnell das Interesse, wenn er bei der Benutzung des Terminals von den Klangfetzen des Nachbargeraets irritiert wird. Eine Unterteilung der grossen Raeume ist oft kaum moeglich, und Kopfhoerer halten der Zerstoerungswut mancher Besucher nicht lange stand. Diplomingenieurin Sylvia Hladky vom Deutschen Museum ist ausserdem der Meinung, dass Multimedia-Systeme nicht dominierend, sondern nur unterstuetzend in die Ausstellungsarchitektur integriert werden duerfen.

Multimedia im Wasserturm

Ein gelungenes Beispiel multimedialer Museumsarchitektur stellt das Wassermuseum Aquarius in Muehlheim an der Ruhr dar. Der Muenchner Multimedia-Anbieter Inter-Aktion hat zusammen mit der Rheinisch-Westfaelischen Wasserwerksgesellschaft RWW das abstrakte Thema Wasser in 30 Multimedia-Stationen spannend und zugleich mit hohen Lerneffekten aufbereitet. Beispielsweise kann der Besucher am Monitor "Gebrauchtes Wasser" selbstaendig verfolgen, welche Auswirkungen verschiedene Einleitungen auf die Wasserqualitaet haben.

Die Terminals verteilen sich ueber 14 Ebenen eines 50 Meter hohen Wasserturms. Der interaktive Charakter des Systems wird mit einer Magnetstreifenkarte fuer jeden Besucher unterstrichen. Hier kann der Besucher besonders interessante Informationen abspeichern, die beim Verlassen von "Aquarius" individuell ausgedruckt werden.

Die Zahl Multimedia-faehiger POIs ist nicht allzu gross. Deshalb sind die Anbieter darauf angewiesen, Anwendungsmoeglichkeiten an den POS im Verkauf, Vertrieb und Handel staerker zu beruecksichtigen. Alleine die Warenhauskonzerne bieten mit ihren Filialen eine Vielzahl potentieller Abnehmer fuer Kioskterminals oder Touchscreen-Systeme.

Da zahlreiche Kaufentscheidungen am POS fallen, ist es aus der Sicht des Handels naheliegend, vor Ort in die Kaufaktlenkung zu investieren. Die Anforderungen sind dort jedoch ganzheitlicher zu sehen als die reine Informationsvermittlung am POI.

Unabhaengig von der Anwendungsart sind folgende Ziele zu beruecksichtigen:

- hoher Informationsnutzen fuer den Konsumenten,

- gleichzeitige Abverkaufssteuerung und Foerderung von Impulskaeufen,

- Werbemoeglichkeiten fuer die Markenartikelindustrie,

- Auswertung des Nutzungsverhaltens fuer die Marktforschung sowie

- Vernetzung mit Rationalisierungspotentialen.

Vorrangig fuer den Konsumenten ist nach Auffassung des Psychologen Norbert Wittmann von der WN Unternehmenberatung in Muenchen, dass die Informationssysteme mit regelmaessigen Updates das Interesse an Mehrfachnutzungen wecken.

Im besten Fall sollte die Akzeptanz beim Kunden so hoch sein, dass er bei jedem Kauf auf die Systeme zurueckgreift. Nicht die Technik alleine entscheidet ueber den sinnvollen Einsatz eines Systems, sondern kommunikationspsychologische Erkenntnisse bilden das Anforderungsprofil fuer die Technik.

Der Einzelhandel muss von der ueblichen Einbahnstrassen-Kommunikation abkommen. Unter Beruecksichtigung der Werbeflut, die ueber einen Konsumenten undifferenziert mit etwa 2000 Werbekontakten pro Tag hereinstroemt, liegt es nahe, dass der Wirkungsgrad eines durch interaktive Medien gesteuerten Werbekontaktes viel hoeher liegt.

Erste fuer das Marketing verwertbare Erkenntnisse aus dem Einsatz von Cash-Maschinen im Bankwesen haben ausserdem gezeigt, dass beim ausschliesslichen Einsatz elektronischer Medien - wie bei der Citibank erprobt - die Entpersonifizierung der Dienstleistung zum Aufbau von Hemmschwellen beim Kunden fuehren kann. Der elektronische Service sollte also moeglichst nach wie vor in eine persoenliche Dienstleistung eingebettet sein.

Persoenlicher Kontakt bleibt unverzichtbar

Fuer Paulus Neef, Geschaeftsfuehrer der Berliner Pixelpark GmbH, mangelt es den meisten Multimedia-Systemen im Einzelhandel an der Integration in die bestehenden Handelskonzepte. Nicht im isolierten Einsatz eines Touchscreens oder Kioskterminals als Inselloesung, sondern in einer ganzheitlich ausgerichteten Konzeption liegt die Zukunft der Systeme. Hierzu gehoert aus der Sicht des Handels die Nutzungsmoeglichkeit als Informationsbeschaffungs-, Warenwirtschafts- und Werbeinstrument. Ausserdem duerfen die Systeme den Mitarbeitern im Handel nicht das Anforderungsprofil eines "Kommunikationsoffiziers" abverlangen. Karstadt testet derzeit Prototypen des von der Pixelpark GmbH entwickelten "Music Master". Das System verknuepft erstmalig Infotainment mit Abverkaufssteuerung. Die interaktive "Musicbox" bietet ueber Knopfdruck Informationen zu Titeln und Interpreten, spult Songs ab und spielt bei Bedarf das zugehoerige Video ein.

Der Nutzen fuer den Warenhauskonzern liegt - neben der Kundenbindung durch Animation und der Entlastung des Verkaufspersonals - in der Verknuepfung des Music Masters mit dem Warenwirtschaftssystem der Kaufhauszentrale. Das Geraet spukt einen Bestellbon aus, mit dem der Benutzer sich die gewuenschten Titel an der Kasse abholen kann. Auf diesem Weg werden die Lagerbestaende direkt kontrolliert, und die knappen Verkaufsflaechen koennen auf ein Minimum reduziert werden.

Die Online-Verbindung zum Zentralrechner der Karstadt AG in Essen arbeitet allerdings noch verhaeltnismaessig langsam. Um die Zeitverzoegerung von zwanzig Sekunden zu umgehen, sollen die Filialen mit lokalen Datenbank-Servern ausgestattet werden. Der Music Master kann ausserdem Benutzerdaten speichern, die, als Marktforschungsinformationen aufbereitet, an die Musikindustrie verkauft werden koennten.

Vergleicht man die meist hohen Anschaffungskosten von bis zu 100 000 Mark fuer komplexe Systeme mit dem Nutzen, stellt sich fuer den Einzelhandel allerdings die Frage, ob man nur einen kleinen Kreis technikbegeisterter Freaks mit den Terminals anspricht oder tatsaechlich beim breiten Publikum einen Image- und Abverkaufsgewinn erreicht.

In kleineren Verkaufsumgebungen amortisieren sich Systeme wie der Music Master nicht. Als Alternative bietet die Telemedia GmbH, eine Tochter des Bertelsmann-Konzerns, technisch einfache Bildplattensysteme auf analoger Basis an.

Einfache Technik bei Bertelsmann

Derzeit findet das System Verwendung bei der Schaufenstergestaltung in eher problemorientierten Nachfragesegmenten wie Apotheken oder Drogeriemaerkten. Die sogenannte Teleapotheke bietet Informationen, die am Schaufenster ueber eine Tastaturfolie angesteuert werden koennen. Die gerade bei Apotheken und Drogerien eher langweilige Schaufenstergestaltung erregt so die Aufmerksamkeit der Passanten. Der Passant holt sich per Knopfdruck Informationen zu Vollwertkost, Schlaflosigkeit, gesunder Ernaehrung oder richtigem Schminkverhalten. Weitere Systeme fuer Drogerien und Lebensmitteleinzelhandel sind geplant.

Der Vorteil einfacher Systeme liegt darin, dass ihr Ausfallrisiko geringer ist. Erfolg haben Multimedia-Systeme im Einzelhandel ausserdem nur, wenn die Anbieter fuer den Full-Service verantwortlich zeichnen. Der Einzelhandel ist selten bereit, Zusatzaufgaben zu uebernehmen.

Pixel Park wie auch die Telemedia verstehen sich als Komplettanbieter. Das Angebotsspektrum spannt sich von der Systementwicklung ueber die Produktion und Anzeigenschaltung bis zur Marktforschung und Distribution der Systeme.

Zusaetzlich haben Multimedia-Anbieter im Handel damit zu kaempfen, dass der Einzelhandel zu teure Marketing-Instrumente nicht akzeptiert, ohne die Industrie als Financier zwischenzuschalten. Die Markenartikelindustrie muss durch die Nutzung der Systeme als Werbetraeger zur Implementierung beitragen. Den Handelskonzernen wiederum muss Multimedia als echtes Differenzierungsmittel zur Aufwertung des Images und Freisetzung von Rationalisierungspotentialen gegenueber der Konkurrenz schmackhaft gemacht werden.

Weitere Anwendungsmoeglichkeiten im Dienstleistungsbereich koennten sich vor allem im Reisemarkt auftun. Erstmals wurde 1992 auf der Internationalen Tourismus-Boerse in Berlin ein entsprechendes Angebot vorgestellt. Das System der franzoesischen Firma Eurotop sieht vor, Reisebueros und Veranstalter ueber ISDN zu vernetzen. Die Digitalisierung der Bildinformationen muss der Veranstalter vornehmen. Die Erfassung der Katalogseiten erfolgt mit einer Videokamera. Die angeschlossenen Reisebueros koennen neben dem Abrufen der Bildinformationen auch direkt beim Veranstalter Buchungen vornehmen. Langfristig liessen sich mit solchen Loesungen die zumeist teuren und wenig oekologischen Kataloge reduzieren. Das System ist immerhin in der Lage, 3000 Reisebueros zu bedienen.

Abschliessend ist festzuhalten, dass sich das Multimedia- Marktpotential nur durch horizontale und vertikale Synergien verschiedener Anbieter optimal ausnutzen laesst. Einzelkaempfermentalitaeten wird angesichts der Konzentration auf der Nachfragerseite im Einzelhandel nicht viel Erfolg beschieden sein.

In den USA und in Japan werden Verbindungen geknuepft, an denen sich deutsche Anbieter ein Beispiel nehmen sollten.

Erst die derzeit in Amerika vereinbarten Merger zwischen Firmen wie Time Warner und der amerikanischen Telefongesellschaft US- West bieten die Grundlage fuer eine Marktpenetration auf breiter Basis. In den naechsten fuenf Jahren investiert diese Medienallianz fuenf Milliarden Dollar in den Ausbau eines Glasfasernetzes, das Multimedia-Einsaetze aller Art erlaubt. Solche branchenuebergreifenden Pakete oeffnen den Horizont fuer multimediale Vermarktung. Dies haben auch japanische Anbieter erkannt und sich in der "International Multimedia Association" zusammengeschlossen. Wenn das Marketing- und Vertriebs-Know-How der Unterhaltungs- und Medienindustrie mit den Innovationspotentialen der Hard- und Software-Entwickler verschmilzt, wird der grosse Schub nach vorne erwartet.

Weiterfuehrende Literatur:

Graf, Joachim/Treplin, Daniel

Multimedia - Das Handbuch fuer interaktive Medien, Loseblattsammlung Neue Mediengesellschaft Ulm, Muenchen

Preis: 78 Mark

ISBN: 3-923759-84-3

Informationsdienst Multimedia

Erscheinungsweise: monatlich

Preis: 360 Mark jaehrlich

High Text Verlag, Muenchen

(im selben Verlag erscheint auch das Multimedia Yearbook93)

Multimedia - Systems,

Interactions and Applications

Springer Verlag, Heidelberg

Preis: 120 Mark

ISBN: 3-540-55201-4

The Producers Handbook of Multimedia Authoring for CD-I

(Leitfaden fuer Professionals)

Philips IMS Home Office

Building SFH-6

NL-5600 JB Eindhoven, Niederlande

XBook

(Umfangreiche Uebersicht ueber Programme im Multimedia- und DTP- Bereich, sowie mehrere hundert Buchtitel)

Gottlieb Verlag, Hanau

Preis: 78 Mark

ISBN: 3-88392-014-2

Multimedia-Berater:

Digmar AG, St. Gallen

(Digitales Marketing und Interaktive Elektronische Systeme)

Ansprechpartner: Guenter Bader, Professor Weinhold-Stuenzi

Rosenbergstrasse 69

CH-9000 St. Gallen

Pro Lernen Beratungsgesellschaft mbH

Friedrichstrasse 14

65 185 Wiesbaden

Young & Rubicom GmbH

Bleichstrasse 64

60 313 Frankfurt

Pixel Park Multimedia Produktionsgesellschaft GmbH

Reuchlinstrasse 10-11

10 553 Berlin

Ansprechpartner: Paulus Neef