Pilotprojekte unter anderem in Stuttgart und Muenchen DAB: Vom alten Dampfradio zum mobilen Info-Terminal

02.06.1995

MUENCHEN (CW) - Noch ist das Autoradio hauptsaechlich fuer den Musikempfang praedestiniert; im Display der Geraete lassen sich derzeit allenfalls die gewaehlten Musiksender ablesen. So lautet das landlaeufige Urteil der meisten Skeptiker in Sachen Digital Audio Broadcasting (DAB), waehrend andere Zeitgenossen das Autoradio in Verbindung mit dem digitalen Hoerfunk bereits als das kuenftige mobile Informationsterminal schlechthin sehen.

Mit DAB soll nun jedenfalls auch im Hoerfunk das digitale Zeitalter eingelaeutet werden. Statt wie bisher in analoger Form werden dabei die Radiosignale in digitale Informationen umgewandelt und entsprechend ausgestrahlt - bei einer Tonqualitaet, die, wie Experten vorhersagen, vergleichbar ist mit Aufnahmen auf Compact Discs (CDs). Ausserdem lassen sich - analog zum digitalen Fernsehen - deutlich mehr Programme ueber die verfuegbaren Funkfrequenzen transportieren.

Die zu teuren Endgeraete duerften Nachfrage bremsen

Allerdings duerften, wie das "Handelsblatt" unlaengst eine DAB- Studie der internationalen Unternehmensberatung Booz Allen & Hamilton zitierte, gesteigerter Hoergenuss und wachsende Kanalvielfalt alleine nicht ausreichen, um zum geplanten offiziellen Betriebsbeginn des digitalen Rundfunks in rund zwei Jahren genuegend Konsumenten fuer die neue Technologie zu gewinnen.

Dafuer verantwortlich ist in erster Linie die Tatsache, dass die heutigen Radios fuer den DAB-Empfang nicht geeignet sind und daher durch spezielle neue Geraete ersetzt werden muessen, die nach derzeitigen Schaetzungen um mindestens 20 Prozent teurer sein werden. Die Autoren besagter Studie zeichnen daher dem "Handelsblatt" zufolge trotz hoher, durch vollmundige Ankuendigungen der Industrie noch angeheizte Erwartungen in der Anbieterszene ein eher ernuechterndes Bild der zu erwartenden Marktdimension. So schaetzt Booz Allen & Hamilton das jaehrliche Volumen eines voll entwickelten DAB-Marktes auf weltweit lediglich sieben Milliarden Mark - und das erst lange nach der Jahrtausendwende. Der groesste Teil davon wird, so die Prognose, auf die Endgeraete, die notwendige Systemtechnik sowie Werbeeinnahmen und Rundfunkgebuehren entfallen, waehrend nur rund 100 Millionen Mark jaehrlich mit sogenannten Datenrundfunkdiensten zu erzielen sein duerften.

Gerade mit letzteren wird derzeit aber in der Hauptsache die Werbetrommel fuer den digitalen Rundfunk geruehrt. Die einzelnen DAB-Kanaele koennen (und sollen) naemlich nicht nur digitale Hoerfunkprogramme ausstrahlen, sondern auch als eine Art drahtloser Information-Highway Verwendung und vor allem Akzeptanz finden. So lassen sich mit Uebertragungsraten bis zu 3 Mbit/s pro Kanal (innerhalb eines DAB-Kanals koennen bis zu sechs Stereo- Hoerfunksender uebertragen werden, und nur zwei Drittel der Kapazitaet werden fuer die Radioausstrahlung benoetigt) auch entsprechende Datenmengen transportieren - also zum Beispiel Zusatzinformationen zu den Radioprogrammen oder Touristik- und Teleshopping-Angebote. Darueber hinaus reicht die Kapazitaet der neuen digitalen Infrastruktur aber auch aus, um neue Softwareversionen oder aktuelle Produkt- und Preisinfos an beliebig viele Empfaenger-PCs zu schicken. Nicht umsonst soll jedenfalls dem Vernehmen nach die Mineraloelindustrie damit liebaeugeln, kuenftig via DAB die Preistafeln an den Tankstellen zu steuern.

Nicht nur das Autoradio oder die heimische Stereoanlage, sondern vor allem auch der PC duerfte daher nach Ansicht von Experten als DAB-Endgeraet eine bedeutende Rolle spielen. Die Technik der Zukunft wird jedenfalls noch bis Jahresende in Stuttgart in dem Pilotprojekt "Storm" (Stuttgart Transport Operation by Regional Management) getestet. Grundlage der laut "Handelsblatt" 60 Millionen Mark teuren "Machbarkeitsstudie" ist ein Datenverbund, der saemtliche Informationen aus dem oeffentlichen und individuellen Verkehr in einem spezifischen Rechenzentrum speichert.

Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse ueber Verkehrsstroeme, Staus, Engpaesse oder freie Strecken fliessen auf unterschiedlichen Kanaelen zum Verkehrsteilnehmer zurueck. Konkret heisst dies, dass beispielsweise ein Fahrer vor Antritt einer Reise via Datex-J oder unterwegs an insgesamt elf "Storm-Infotheken" aktuelle Informationen bezueglich seiner Route abfragen kann. Gleichzeitig wird in Stuttgart aber auch die Navigation von Lkws ueber eine Zentrale, also das sogenannte Flotten-Management, erprobt. Die Test-Fahrzeuge wurden hierzu mit Systemkomponenten fuer die GPS- Satellitenortung (GPS = Global Positioning System) samt entsprechenden Bordrechnern ausgestattet.

Ganz aehnlich definiert ist auch die Aufgabenstellung im Rahmen des DAB-Pilotprojektes Bayern, fuer das der Startschuss voraussichtlich waehrend der Muenchner Medientage im Oktober 1995 fallen wird. Der Schwerpunkt der Untersuchungen wird hier, wie es bei der fuer das Projekt verantwortlichen Bayerischen Medien Technik GmbH heisst, auf dem mobilen Empfang im Fahrzeug liegen, in einer zweiten Phase ist auch die Erprobung stationaerer Empfaenger wie PCs angedacht. Damit werde, so die bayerischen DAB-Initiatoren, deutlich, dass DAB als umfassender Datenverteildienst verstanden wird, der weit ueber die Verbreitung von Hoerfunkprogrammen in CD-naher Qualitaet hinausgeht.

Zur Erprobung der mobilen Nutzung werden die Bayern voraussichtlich 4000 DAB-Empfangsgeraete an ausgewaehlte Testpersonen vergeben. Darueber hinaus sollen im Verlauf der zweijaehrigen Testphase regelmaessige sozialwissenschaftliche Untersuchungen Aufschluss ueber Akzeptanz und Nutzung der neuen Technologie ergeben. Die Finanzierung des bayerischen DAB- Pilotprojektes ist, wie es heisst, durch staatliche und privatwirtschaftliche Foerdermittel gewaehrleistet. Mit allein 21 Millionen Mark zeichnet dabei die neuen Techniken gegenueber sehr aufgeschlossene Bayerische Staatsregierung im Rahmen ihres Projektes "Offensive Zukunft Bayern" verantwortlich.