Philips: Flucht nach vorne

31.08.1990

Arnd Wolpers ist Geschäftsführer der Vermögensgesellschaft CMW GmbH in München.

Der Philips-Traum von einem Weltkonzern, der japanischen Konkurrenten rund um den Globus Paroli bieten kann, ist ausgeträumt.

Anstatt sechs Prozent mehr Umsatz und höherer Rendite, wie noch im April 1990 versprochen, "überraschte" Philips schon Anfang Mai mit einem Zwischenergebnis, das - unter dem Ertragsgesichtspunkt - gegen Null tendierte.

Der für 1991 geplante Wechsel des Vorstandsvorsitzenden van der Klugt zum Nachfolger Jan Timmer wurde in einer in den Niederlanden bisher einmaligen Blitzaktion vorgezogen.

Der Nachfolger, Jan Timmer, tritt die Flucht nach vorn an. Zwei Milliarden Gulden Verlust hat der Konzern für das laufende Geschäftsjahr angekündigt. Der neue Vorstandsvorsitzende "baggert" die Probleme der Vergangenheit in die Amtszeit seines Vorgängers zurück. 1989 wurden bei 57 Milliarden Gulden Umsatz 1,3 Milliarden Gulden Gewinn gezeigt. Das Ergebnis war geschönt.

Schlechte Nachrichten über Philips werden in den kommenden Wochen die Schlagzeilen der niederländischen Wirtschaftspresse beherrschen. Dies durfte dazu führen, daß der Philips-Kurs noch einmal unter Druck gerät.

Schon auf dem derzeitigen Niveau (20 Mark, 23 Gulden) lohnt die Aktie für den langfristig orientierten Anleger zum Kauf. Beim Studium des Geschäftsberichts wird deutlich, daß Philips einen Eigenkapitalanteil je Aktie (bereinigt um Verbindlichkeiten minus Vorräte und Forderungen) von mehr als 40 Gulden aufweist.

Das Kurs/Cash-flow-Verhältnis liegt bei 1/1,5. Das bedeutet, daß Philips sich, gemessen am Geschäftsjahr 1989, binnen eineinhalb Jahren aus eigener Finanzkraft aufkaufen könnte. Es dürfte - auch vor dem Hintergrund der für 1990 gezeigten Verluste - nur wenige Standardwerte in Europa geben, die unter dem Cash-flow-Gesichtspunkt ähnlich preiswert sind.

Die Gretchenfrage bei Philips heißt: Was kann Timmer leisten? Der profitabelste Bereich der N, V. Philips Gloeilampenfabrieken ist der alte Kernbereich, die Glühlampenfertigung.

Halbleiter und DV, diese Bereiche sind problematisch. Glaubt man hier Börsengerüchten, wird Philips in Zukunft eng mit Matsushita zusammenarbeiten. Im Sog der Weltaktienbaisse dürfte der Kurs noch unter die 20-Gulden-Marke rutschen.

Laptops und -Portables; darunter litten jedoch alle Anbieter: Im Monatsvergleich wurden insgesamt 23,3 Prozent weniger tragbare Mikros im PC-Fachhandel verkauft.

Die längerfristige Perspektive ist für den Hersteller gleichwohl äußerst zufriedenstellend: Im Vergleich zum zweiten Quartal 1989 gingen im Vergleichszeitraum dieses Jahres 23,8 Prozent mehr Personal Computer von Compaq über die Ladentische der US-Dealer.

Hersteller, die in der Storeboard-Liste traditionell, hinter IBM, Compaq und Apple, auf den "billigen Plätzen" stehen, hatten jüngst unter Verfügbarkeitsschwierigkeiten für PC-Komponenten zu leiden. Außerdem scheinen sie nicht in der Lage zu sein, auf Dauer die von den Kunden geforderten Service- und Supportleistungen zu erbringen.

So verzeichneten sowohl AST als auch Epson, Nec und Toshiba im Juni teils erhebliche Rückgang ihrer Stückzahlverkäufe im Vergleich zum Mai; letztgenannter Anbieter als Laptop-Spezialist war aus oben genannten Gründen besonders betroffen. AST, Shooting-star dieses Jahres, scheint übermütig geworden zu sein: Mehrere Händler berichteten von überzogenen Absatzvorgaben des Herstellers, zogen daraus die Konsequenz und sich aus dem AST-Handel zurück. In der Folge sanken, gegenüber Mai, die Juni-Stückzahlen des Unternehmens um 33,3 Prozent ab. Der Quartalsvergleich geht gleichwohl noch eindeutig an das zweite Quartal dieses Jahres: Beeindruckende 250 Prozent mehr als 1989 setzten die AST-Dealer ab.

Nur um 5,2 Prozent unter dem Mai-Ergebnis lagen die Verkäufe von Epson im Juni; der Quartalsvergleich ging nahezu unentschieden aus, wobei allerdings die erwähnte Komponenten-Knappheit zu einer leichten Schwäche des 386sx-Modelles von Epson führte. Auf der anderen Seite konnten im Juni vom Typ 386120 mehr Einheiten als im Mai an die Kundschaft gebracht werden. Zusammen mit seiner Domäne, dem Druckergeschäft, bleibt Epson im Fachhandel die Nummer drei.

Probleme hat NEC: Ein Rückgang der Verkaufszahlen von Mai auf Juni um 7,9 Prozent ist dabei noch das moderatere Anzeichen. Der Vergleich der zweiten Quartale 1989 und 1990 ergibt dagegen einen Einbruch um gleich 30,4 Prozent.

Neben der auch andere Anbieter plagenden Komponenten-Knappheit war es laut Storeboard zweifellos der Umbau der NEC-Unternehmensstruktur, der die Verkaufsergebnisse reduzierte.

NEC hat kürzlich die Bereiche Information Systems und Home Electronics zusammengelegt. Storeboard, macht dem Hersteller Hoffnung für die Zukunft: Eine geplante Neu-Positionierung der gesamten PC-Reihe, zusammen mit der Autorisierung weiterer Händler und einer Erweiterung der Serviceleistungen, werde NEC wieder zu alter Stärke zurückbringen, prophezeien die Auguren.

Auf jeden Fall haben die PC-Niedrigpreiser an Wettbewerbsvorteil eingebüßt: Der IBM-PS/1 und die angekündigte "n" Billigserie von Compaq werden künftig bessere Price-performance-Argumente als früher haben.