Personalmanagement "by Zufall" hat ausgedient\Die Mitarbeiter wollen motiviert werden

24.02.1989

Qualifiziertes Personal ist für den Unternemenserfolg entscheidend. Da der Markt für DV-Spezialisten leergefegt ist, müssen die Personal verantwortlichen neue Wege gehen. Dazu gehört auch, das Image des Hauses bei den eigenen Mitarbeitern ins rechte Licht zu rücken. Klaus. D. Widdig* beschreibt, wie professionelles Personalmanagement gehandhabt werden sollte.

Nach wie vor wird nur ein solches Unternehmen erfolgreich am Markt bestehen können, das über die bestehen Mitarbeiter verfügt. Diese Mitarbeiter fallen aber nicht wie reife

Früchte vom Himmel. Beleuchtet man die Personallandschaft, so erkennt man, daß gerade im Personalmanagement sehr vieles im argen liegt.

Für jeden Abteilungsleiter ist sonnenklar daß er seine Aktivitäten und Geldmittel plant. Alle Bereiche scheinen derartige Hausaufgaben gemacht zu haben. Lediglich die Abteilung Personal hinkt in vielen Fällen hinterher und lebt von der Hand in den Mund, überläßt zu vieles dem Zufall.

Auch künftig wird der Arbeitsmarkt nicht einfacher werden, ganz im Gegenteil. Will man überleben -und dies geht eben nur mit gut qualifizierte Mitarbeitern - , so muß man erheblich flexibler reagieren und moderne Personalentwicklungsmaßnahmen eben sorgfältig kalkulieren .

In einer Wettbewerbsökonomie, einer Gesellschaft in permanenter Evolution, müssen die Organisationen der Industrie, des Handels und der Verwaltung sich ständig wandeln, wenn sie den vielseitigen Ansprüchen ihrer Umwelt gerecht werden wollen.

Im Zusammenwirken mehrerer ist die Leistung einer Gruppe nicht gleich der Summe der isolierten Einzelleistungen. Ob die Gruppenleistung größer oder kleiner ist, hängt nicht allein vom Wissen und Können der Beteiligten ab, sondern auch von ihren Verhalten. Dieses Verhalten wird insbesondere von der Motivationsstruktur der Betreffenden, ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen und ihrem Können sowie durch die Bedingungen der relevanten Umwelt beeinflußt. Erheblich stärkeren Einfluß üben aber die sozialen Einflußgrößen aus, zu denen vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Kollegen und zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten gehören.

Mitarbeiterorientierte Führung verlangt nicht nur ein ganz bestimmtes Führungsverhalten, sondern auch ein äquivalentes Verhalten der Mitarbeiter. Eine Delegation von Verantwortung zum Beispiel setzt ein ganz bestimmtes Verhalten des Vorgesetzten voraus, nämlich die Bereitschaft, zu delegieren, und vom Mitarbeiter die Bereitschaft, diese Verantwortung auch zu übernehmen. Ein nur auf Wissen oder auf Wissen und Können abgestelltes Personalentwicklungsprogramm, das nicht auch gleichzeitig den Verhaltensaspekt mit einbezieht, ist unvollständig.

Personalentwicklung trainiert also die einzelnen darauf, ihre Rollen besser auszufüllen, in den Gruppen besser zu arbeiten und bessere Entscheidungen zu treffen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß es nicht genügt, nur auf die individuellen Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen einzuwirken, um die Organisation tiefgreifend zu ändern.

Aus diesen Forderungen nach Entwicklung und Anpassung an äußere und innere Notwendigkeiten ist eine neue Disziplin der Management- Lehre hervorgegangen: die Organisationsentwicklung .

Organisationsentwicklung ist ein zusammenfassender Begriff für die Bemühungen, zur Humanisierung der Arbeitsbedingungen sowie zur Steigerung der Flexibilität und Veränderungsbereitschaft einer Organisation beizutragen. Dabei sollte von vorneherein versucht werden, nicht nur die Einstellungen und Verhaltensweisen von Organisationsangehörigen, sondern auch die strukturellen Bedingungen einer Organisation zu berücksichtigen.

Alte Strukturen werden heute permanent kritisch überdacht und teilweise in Frage gestellt. Nicht jeder ist in allem der Beste. Daher rückt die Gruppe mehr und mehr in den Mittelpunkt. Somit haben Führungsseminare, in denen Themen wie Führungsstile, Kommunikation, Kooperation, Gruppendynamik, Problem- und Konfliktlösungstechniken und so weiter behandelt werden, ihre Berechtigung.

Mit unserem Schulwissen kommen wir nicht mehr aus. Wissensexplosion, kritische Mitarbeiter und zunehmender Wettbewerbsdruck machen die Aneignung neuer bisher unbekannter Kenntnisse und Fähigkeiten notwendig.

Alle Übungen in einem Führungsseminar haben das Ziel, dem Manager sein eigenes Verhalten bewußter zu machen, um ihm die Möglichkeit zu geben, es eventuell neu zu überdenken und zu ändern, damit er bessere Entscheidungen treffen kann.

Durch bessere Zusammenarbeit und gesteigerte Kommunikation werden mehr Zufriedenheit und höhere Effizienz des Unternehmens erreicht.

Die gedankliche Auseinandersetzung mit folgenden Statements könnte manchem Personalverantwortlichen schon erheblich weiterhelfen:

- Wir werden im kommenden Jahr in folgenden Abteilungen Personal suchen.

- Es wird sinnvoll sein, für eine größere Anzahl externer Bewerber das ein oder andere Assessment-Center durchzuführen.

- Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, ob wir intern Führungsnachwuchskräfte in ausreichender Zahl haben, um mittelfristig weiterhin am Markt bestehen zu können.

- Es gibt den einen oder anderen Mitarbeiter, dessen Stärken und Schwächen wir gerne einmal intensiv gecheckt hätten.

- Unsere Führungskräfte müßten mit den neuesten Erkenntnissen zur Personalführung vertraut gemacht werden.

- Es gibt latent vorhandene Probleme in der Zusammenarbeit innerhalb einer Abteilung beziehungsweise zwischen verschiedenen Abteillungen, die sich negativ auf das Betriebsergebnis auswirken. Darüber müßte unbedingt mal gesprochen werden.

- Es gibt verschiedene Sonderprojekte, die in Angriff genommen werden müssen, wie zum Beispiel Stellenbeschreibungen, Coachinggespräche, betriebliches Vorschlagswesen.

Qualifizierte Mitarbeiter sind kein Geschenk des Himmels oder notwendiges Übel. Sie sind das wichtigste Kapital eines jeden Unternehmens. Viele Firmen wundern sich, daß sie keine Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt finden können. Warum ist das so? Vermutlich sind diese Firmen für die jungen Leute nicht attraktiv genug. Gleichzeitig wird oft das häufige Abwandern von Hoffnungsträgern beklagt. Das sind Mitarbeiter, um die man sich nicht gekümmert hat, denen man nichts geboten hat und die man nicht motiviert hat.

Hier wäre der Hebel anzusetzen. Während viel Geld in Werbung und Außenimage gesteckt wird, verkümmert die PR nach innen. Gibt es Personalentwicklungskonzepte, Nachfolgeprogramme, Traineeprogramme?

Wir hören oft, der Markt für qualifizierte DV-Fachleute sei leergefegt. Dies stimmt nur bedingt. Es gibt genügend Mitarbeiter, die gerne einmal wechseln würden. Nur ist hierfür die rechte Motivation erforderlich. Warum soll ein qualifizierter Systemanalytiker zu einem anderen Unternehmen wechseln, wenn er auf seiner Hierarchieebene im Organigramm stehen bleibt und sich auch gehaltlich nicht weiterentwickeln kann? ln seinem jetzigen Unternehmen kennt er sich aus, kennt seine Pappenheimer, hat seinen geregelten Ärger. Im neuen Unternehmen weiß er erst später, gegebenenfalls zu spät, wie die Machtverhältnisse verteilt sind, wer das Sagen hat, wer die graue Eminenz ist. Es müßte schon an Tollkühnheit grenzen, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen.

Ein zusätzlicher weitverbreiteter Irrtum ist die häufig anzutreffende Vorstellung, man fände die "eierlegende Wollmilchsau", indem man eine Stellenbeschreibung einfach an die FAZ schickt, 10 000 bis 25 000 Mark bezahlt und hofft, bald eine Herde dieser seltenen Tiere vor der Tür stehen zu haben. Mit anderen Worten: Bei steigender Nachfrage nach gut ausgebildeten Ingenieuren wird die Suche nach "Brillanten" nicht erfolgreich sein, wenn man dabei immer auf den alten Trampelpfaden wandelt, wo die Brillanten von anderen schon längst ausgegraben worden sind.

Vielmehr wird es darauf ankommen herauszufinden, welches Segment des Arbeitsmarktes ein Bewerberpotential bereithält, das nach einer kurzen Phase der Investition den Anforderungen entspricht und dann meist noch eine höhere Motivation besitzt als die "eierlegenden Wollmilchsäue" und wie man diesen Teil des Bewerbermarktes bedürfnisgerecht anspricht.

Ob man die eben geschilderten Befunde nun akzeptieren will oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Nur eines ist klar: Mit Personal-Management "by Zufall" kann sich auch der Erfolg nur durch Zufall einstellen. Wir meinen, selbst wenn man in Urlaub fährt, plant man manchmal schon ein Jahr im voraus seine Reiseroute. Man kann sich natürlich auch auf eine Fahrt ins Blaue freuen. Nur braucht man sich nicht zu wundern, wenn man sich in einer Sackgasse wiederfindet, oder vor einem Abgrund, nach dem Motto: Gestern standen wir noch am Rand der Klippe, aber heute sind wir schon einen Schritt weiter!

*Diplom- Psychologe Klaus D. Widdig ist Gesellschafter der Widdig Personalberatung GmbH in Köln.