Im Kampf um gute DV-Spezialisten

Personalentwicklung als Rezept für hochmotivierte Mitarbeiter

08.03.1991

Nur wer gute Mitarbeiter in ausreichender Zahl für sein Unternehmen gewinnen und halten kann, wird genügend Wachstum realisieren. Und nur wer seine Angestellten "entwickelt", das heißt mit den nötigen technischen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen ausstattet, so Dietmar Goralczyk*, wird auf dem Softwaremarkt mit der nötigen Professionalität agieren können.

Die Software- und Systemhäuser müssen die rasanten Wachstumsprozesse intern bewältigen, ihr Angebot differenzieren und sich auf die verschärfte Konkurrenz ehemaliger Hardwarelieferanten einstellen. Darüber hinaus wird der europäische Binnenmarkt 1992 eine Reihe weiterer Wachstumschancen, aber auch eine weitere Verschärfung der Konkurrenz im europäischen Softwaremarkt bringen.

Diese Entwicklungen finden vor dem Hintergrund eines bereits bestehenden Personalmangels im Bereich der Software- und Systementwicklung statt. Der zukünftige Wettbewerb wird daher nicht nur ein solcher um die besseren Produkte und die Kompetenz der Produktpräsentation sein, sondern in starkem Maße auch um die qualifizierten Mitarbeiter und deren Kompetenz beziehungsweise Professionalität ringen.

Softwarebranche mittelständisch geprägt

Nur wer den Mitarbeitern attraktive Perspektiven im Unternehmen aufzeigen kann, wird das qualifizierte Personal zu Engagement, Initiative und Flexibilität "bewegen". Die Software- und Systemhäuser, die mit dem Markttempo oder darüber hinaus wachsen wollen, stehen daher vor dem Problem, eine langfristig angelegte Konzeption von "Personalentwicklung" zu realisieren.

Personalentwicklung muß verstanden werden als Gewinnung, Einbindung, Integration, Qualifikation, Professionalisierung und Entwicklung von Mitarbeitern mit dem Ziel, sie zu kompetenten und engagierten Persönlichkeiten beziehungsweise Vertretern des Unternehmens zu machen.

Die Softwarebranche ist weithin noch mittelständisch geprägt. In vielen Unternehmen ist daher die Differenzierung der Unternehmensfunktionen erst am Anfang. Sehr oft wird die Personalbeschaffung wie auch die Qualifizierung sowie Entwicklung der Mitarbeiter von der Geschäftsleitung organisiert und durchgeführt, und zwar parallel zu den sonstigen Geschäften.

Konzepte sind nur in Ansätzen vorhanden

Dies hat zur Folge, daß ein Konzept der Personalentwicklung zumeist nur in Ansätzen existiert und demzufolge Entscheidungen eher ad hoc als systematisch fallen. Die Kriterien bei der Gewinnung und Entwicklung von Personal sind häufig kurzfristiger Natur, wie zum Beispiel unmittelbare Erfordernisse laufender Projekte.

Diese kollidieren dann häufig mit eher mittel- bis langfristigen Faktoren, wie der Geschäftsplanung, der Entwicklung der Produkte und Dienstleistungen sowie dem Unternehmensprofil. Daher ist ein erster Schritt in Richtung einer Personalentwicklung der Vergleich der vorhandenen Personalressourcen mit den Erfordernissen an Personal, die sich aus der Unternehmensplanung ergeben.

Welche Produkte sollen entwickelt, welche Märkte bedient, welche unternehmerischen Ziele erreicht werden? Dies sind einige Fragen, aus deren Beantwortung sich erste Hinweise für den künftigen Personalbedarf ergeben.

Ist solchermaßen der Personalbedarf quantitativ und qualitativ durch Vergleich mit dem Personalstand und seinem Qualifikationsniveau erkannt, könnten in einem zweiten Schritt die Alternativen Beschaffung und/ oder Entwicklung analysiert werden. Hier geht es um die Beantwortung von Fragen wie: Welcher Personalbedarf läßt sich aus der Qualifizierung der vorhandenen Mitarbeiter decken? Welcher Personalbedarf muß am Markt zusätzlich beschafft werden?

Aufgrund der Struktur der Softwarebranche ist es den meisten Unternehmen nicht möglich, die bei obiger Analyse erkannten Personalentwicklungsbedürfnisse auf breiter Front gleichzeitig anzugehen. Dies wäre auch gar nicht sinnvoll. Vielmehr läßt die Analyse die spezifischen Engpässe deutlich werden. Solche Engpässe sind beispielsweise:

- ein sehr junger Mitarbeiterstamm mit zwar teilweise hoher bis sehr hoher Erstqualifikation, vor allem im technischen Bereich, aber sehr wenig Berufserfahrung und noch weniger Management-Erfahrung,

- ein mehr technisch ausgebildeter und orientierter Mitarbeiterstamm,

- die oftmals vorhandenen Defizite im Bereich des Managements komplexen Projekte; Ursache sind hier ebenfalls der sehr junge Mitarbeiterstamm mit wenig Erfahrung in Führungsverantwortung und die mehr technische Orientierung, die Faktoren wie Zeit und Kosten in den Hintergrund drängt.

Dies ermöglicht zwar die schnelle Hinführung zum Problem, verhindert aber die für das Projekt-Management nötige Überblicksorientierung. Es ist eben etwas anderes, ein Detailproblem innerhalb eines Projektes zu lösen, wo der orientierende Rahmen durch das Projekt vorgegeben wird, als diesen Orientierungsrahmen selbst zu schaffen, ihn über den Projektverlauf hindurch zu gestalten und dabei Kosten und Zeiten als wesentliche Faktoren der Erfolgsrechnung immer angemessen im Auge zu behalten sowie schließlich hohe Kundenzufriedenheit zu gewährleisten.

In der Heranführung der Mitarbeiter an die Verantwortung für komplexe Projekte und in der dabei nötigen Ausbildung von Fähigkeiten zum Projekt-Management liegt ein weiterer Engpaß in der Personalentwicklung bei Software- und Systemhäusern.

Teamfähigkeit und Mitarbeiterführung, Beraterkompetenz und Projekterfahrung sind die zentralen Felder der Personalentwicklung für Software- und Systemhäuser. Einerseits, weil diese Fertigkeiten aufgrund des raschen Wachstums und der spezifischen Mitarbeiterstruktur unterentwickelt sind, andererseits, weil von der zureichenden Ausprägung dieser Fähigkeiten der Erfolg in der Dienstleistungsbranche Software in hohem Maße abhängt.

Für viele Unternehmen der Softwarebranche sind folgende Fragen zukunftsentscheidend:

- Wie motiviert und integriert man neue Mitarbeiter?

- Wie lassen sich funktionsfähige Teams aufbauen?

- Wie können Mitarbeiter an Projektverantwortung herangeführt und wie können Fähigkeiten des Projekt-Managements aufgebaut werden?

- Wie wird Führungsverantwortung und Teamgeist herangebildet und praktiziert?

- Wie läßt sich systematisch die Beraterkompetenz ausbilden und erhöhen?

- Wie verstärkt man die Kundenorientierung der Mitarbeiter?

- Wie lassen sich Initiative, Engagement, Einsatzbereitschaft herstellen und trotz raschen Wachstums aufrechterhalten?

Die in diesen Fragen aufgeworfenen Probleme lassen sich nur in einem integrierten Konzept der Personalentwicklung lösen. Die Konzentration auf Analyse und Entwicklung der Kompetenzen, die den größten Engpaß darstellen - wo aber zugleich auch der Erfolg am schnellsten wirksam wird -, gibt fast jedem Unternehmen die Möglichkeit, in ein solches Konzept der Personalentwicklung schrittweise und systematisch einzusteigen auch und dann, wenn Mittel und Zeit dafür begrenzt sind. Und die Erfolge werden durch diese Konzentration rasch sicht- und für das Unternehmen umsetzbar.