Kolumne

"Personal Digital Accident"

06.04.2001
Christoph Witte Chefredakteur CW

Neuerdings hat die goldene Zukunft die Tendenz, immer schneller zur hässlichen Gegenwart zu werden. Das gilt insbesondere für so genannte Zukunftsmärkte, auf denen - namensgemäß - mehr Prognosen als konkrete Produkte verkauft werden. Zuletzt geschehen ist das dem Markt für Personal Digital Assistents. In diesem Segment wird zwar schon recht ordentlich verkauft, aber Branchenbeobachter und Finanzanalysten betrachteten das gegenwärtige Umsatzniveau erst als Vorboten eines sich rapide entfaltenden Marktes. Mit Palms Umsatz- und Gewinnwarnung erhob jedoch letzte Woche die Realität ihr hässliches Haupt.

Selbstverständlich werden die Rücknahme der Prognose und das sich abschwächende Umsatzwachstum auf die nachlassende amerikanische Konjunktur geschoben, die zurzeit schließlich als Begründung für jede schlechte Nachricht herhalten muss.

Doch es gibt noch andere Indizien für eine mögliche Implosion dieses Marktes: Zunächst einmal ist er gar nicht so groß wie angenommen, zumindest weitaus kleiner als der PC-Markt (siehe Seite 41). Darüber hinaus konkurrieren verschiedene Lager miteinander, die den Markt zusätzlich zersplittern. Da ist zunächst Palm, dessen Betriebssystem auch noch von Handspring, IBM und Sony eingesetzt wird. Das zweitgrößte Lager hat sich rund um Microsofts Pocket PC gebildet. Hierzu gehören Schwergewichte wie Compaq oder Hewlett-Packard. Die dritte Gruppe entstand rund um den britischen Hersteller Psion, der außerdem noch ein inzwischen kränkelndes Konsortium namens Symbian ins Leben rief, in dem die großen Handy-Hersteller vertreten sind.

Wahrscheinlich schreitet dieses Gemeinschaftsprojekt auch deshalb so langsam voran, weil die Handy-Firmen entdeckt haben, dass sie so etwas wie die natürlichen Feinde von Palm und Co. sind: Wenn die Annahme stimmt, dass in den reichen Industrienationen schon bald jeder Zweite mobil telefonieren wird, und wenn man gleichzeitig in Betracht zieht, dass die Handy-Anbieter gemeinsam mit den TK-Carriern krampfhaft nach neuen Services suchen, vermag man sich vorzustellen, was mit den PDA-Anbietern geschehen kann. Wenn sie an den unterschiedlichen Plattformen festhalten und weiter so wenig in Konvergenzprodukte investieren, die Handys und elektronische Assistenten verschmelzen, dürften schon bald die Handy-Anbieter -mit oder ohne Symbian - beziehungsweise die Carrier das Heft in der Hand halten. Sie haben zwei entscheidende Vorteile: Die Zahl ihrer Benutzer ist groß genug, dass sich die Entwicklung eigener Applikationen lohnt, und sie können diese dann als Mietservice ihren Kunden mit der Telefonrechnung belasten. Microsoft beispielsweise scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Es heißt, dass Bill Gates jetzt weniger in den Pocket-PC investiert und dafür sehr viel Geld in sein künftiges Handy-Betriebssystem "Stinger" pumpt.