Perfektionismus beim Datenschutz?

05.03.1976

Die Bundesrepublik Deutschland braucht ein Datenschutzgesetz - und zwar sehr bald. Denn die Verabschiedung eines Bundesdatenschutzgesetzes ist Voraussetzung für die Verabschiedung des neuen Meldegesetzes, das wiederum Voraussetzung ist für die Einführung des Personenkennzeichens, das wiederum Voraussetzung ist für zahlreiche sehr wichtige Vorhaben der Automation in der öffentlichen Verwaltung. Dafür nur ein Beispiel: Datenträgeraustausch der Finanzämter mit den Wirtschaftsunternehmen. Wie lange sollen denn diese Rationalisierungs-Reserven noch brachliegen?

Seit Jahren wird im Bundes-Innenministerium ein Bundesdatenschutzgesetz vorbereitet. Bereits 1972 war die erste Experten-Anhörung zum Regierungsentwurf. Es gab dann auch ein zweites Hearing. Interessenverbände verfaßten Eingaben, Druckschriften, Memoranden - je blasser und dünner die Argumente, desto dicker und hochglänzender das Papier. Es gab ein insgesamt recht hartes Ringen zwischen Lobbyisten verschiedenster Couleur im großen und ganzen hatte man den Eindruck, daß der Regierungsentwurf letztendlich doch recht ausgewogen war.

Den Terminplan einhalten

Selbstverständlich kann man jede Gesetzesvorlage noch perfektionieren. Man könnte in ein Gesetz detailliert all das hineinschreiben, was durch entsprechende Verordnungen, Novellen und ergänzende Gesetze, vor allem aber auch durch Zusätze in anderen, die jeweiligen Anwendungsfälle betreffenden Normen zu regeln ist. So schließt die Verabschiedung des vorliegenden Regierungsentwurfes durch das Parlament keinesfalls aus, daß etwa durch ein ergänzendes Gesetz später vielleicht schon recht bald, das Amt eines Bundesdatenschutzbeauftragten geschaffen wird, sofern sich dafür Konsensus im Bundestag findet. Diese Institution jetzt zugleich mit der Verabschiedung des zur Zeit beratenen Bundesdatenschutzgesetzes erzwingen zu wollen, zeugt sicherlich von den allerbesten Absichten, führt aber dazu, daß der ohnehin stark verzögerte Fahrplan für ein ganzes und sehr wichtiges Maßnahmen-Bündel total über den Haufen geschmissen werden müßte. Denn dann wäre die Zustimmung des Finanzministers und des entsprechenden Bundestagsausschusses erforderlich, da es für ein solches Amt schließlich auch Budgets geben müßte: die Zustimmung des Bundesrates wäre einzuholen, eventuell Vermittlungsausschuß, und so weiter und so weiter. Kein Ende wäre abzusehen.

Zur Zeit wird der Regierungsentwurf für ein Bundesdatenschutzgesetz im Innenausschuß des Bundestages beraten - und dort breitet sich jetzt eifernder Perfektionismus aus.

Neuer Start beim Nullpunkt?

Offenbar wurde von den zuständigen Parlamentariern viele Jahre lang der Materie nicht die gebührende Beachtung geschenkt, denn jetzt kommen Vorstellungen auf den Tisch, die zu einer solchen Verschärfung der Geheimhaltungs- und lnformationspflichten der Wirtschaft führen wurden, daß sogar die neutrale Bundesbank in einer Eingabe an den Innenausschuß warnte.

Jahrelang haben sich zu den umstrittenen Punkten die Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft geäußert, Jetzt unter Zeitdruck - denn das Gesetz sollte vor der Sommerpause des Parlaments endgültig verabschiedet sein - fängt man bei Adam und Eva wieder an, und die Bonner Lobbyisten wühlen in ihren Archiven und füllen alte Durchschriften wieder auf, um all das noch mal vorzutragen, was eigentlich für die Verabschiedung des ausgewogen Regierungsentwurfs gar nicht mehr relevant war. Die CDU CSU-Fraktion forderte bereits ein neues weiteres Experten-Hearing.

Es wäre wünschenswert wenn der Regierungsentwurf wenn Regierungsentwurf im Rahmen des vorgesehenen Terminplans zum Gesetz würde. Da man im Parlament offenbar jetzt die Bedeutung der Materie erkannt hat, wäre es zu begrüßen, wenn dieses neue Interesse dann bald zu sinnvollen Ergänzungen führen würde.

Wenn so lange geschlafen wurde, kann man bei Aufwachen nicht alles auf einmal wollen, es sei denn, man schiebt die Probleme auf die lange Bank der neuen Legislatur-Periode. Der Schaden wäre unabsehbar.