Technikpakt soll Verteidigung gegen Oracle stärken

Peoplesoft sucht Schutz bei IBM

01.10.2004
MÜNCHEN (CW) - Peoplesoft hat auf seiner Kundenveranstaltung "Connect 2004" eine weitreichende Kooperation mit IBM angekündigt. So will der Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Anbieter seine Produkte künftig an IBMs Integrationsplattform "Websphere" anpassen. Während Peoplesoft mit dem Deal seine Verteidigung gegen Oracle verstärkt, möchte Big Blue in erster Linie sein Geschäft mit Infrastrukturlösungen ausbauen.

Bei dem Deal handle es sich um das "bedeutendste Abkommen in Sachen Unternehmensapplikationen in der Geschichte beider Firmen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von IBM und Peoplesoft. Das Abkommen ist vorerst auf fünf Jahre befristet. Vertreter beider Unternehmen bezifferten das finanzielle Volumen des IT-Pakts auf etwa eine Milliarde Dollar. Wann die Kooperation in Kraft treten soll, vermochten die Beteiligten jedoch nicht zu sagen. Die Verträge sollen im vierten Quartal 2004 unter Dach und Fach gebracht werden.

Im Rahmen dieses Abkommens will Peoplesoft seine Business-Applikationen an IBMs Infrastrukturplattform Websphere anpassen. Zu IBMs Middleware-Portfolio zählen Application Server, Portal sowie Integrationsanwendungen. Außerdem wollen die Peoplesoft-Verantwortlichen ihre Softwareprodukte für die Zusammenarbeit mit IBMs Datenbank DB2 optimieren. Die eigenen Entwicklungs-Tools sollen langfristig durch IBMs Entwicklungs-Framework "Eclipse" abgelöst werden.

Neben der Zusammenarbeit in technischer Hinsicht wollen beide Unternehmen auch Vertriebs- und Marketing-Anstrengungen bündeln. So kündigte die Peoplesoft-Führung an, ihren Kunden neben den eigenen Applikationen auch Produkte aus IBMs Middleware-Portfolio anzubieten. Außerdem sollen in den nächsten Jahren gemeinsame Entwicklungs- und Marketing-Zentren aufgebaut werden. Es sei geplant, über die kommenden Jahre hinweg in regelmäßigen Abständen eng miteinander integrierte Produkte auf den Markt zu bringen, erläuterte IBMs Softwarechef Steve Mills die Ziele der Kooperation.

Mit Hilfe des Partners IBM könnte Peoplesoft Boden gegenüber Wettbewerbern wie SAP gutmachen. Während die Softwerker aus dem Badischen bereits seit Jahren mit "Netweaver" die Entwicklung einer eigenen Integrationsplattform forcieren, hatte Peoplesoft dem bislang nur wenig entgegenzusetzen. Zwar bietet der im US-amerikanischen Pleasanton beheimatete Softwareanbieter mit "Appconnect" Integrationsfunktionen an. Diese beschränken sich jedoch größtenteils auf die eigenen Anwendungen und reichen in ihrer Funktionalität nicht an die Infrastrukturplattformen der Konkurrenz heran. Für die Anbieter von Business-Applikationen wird es jedoch zunehmend wichtiger, ihren Kunden Möglichkeiten zu verschaffen, Anwendungen verschiedener Hersteller miteinander zu verknüpfen, um übergreifende Geschäftsprozesse abbilden zu können.

Die IBM-Verantwortlichen wollen mit dem Deal ihr Middleware-Geschäft ankurbeln. Allerdings ist die Vereinbarung mit Peoplesoft nicht exklusiv. Seit Big Blues Abschied aus dem Anwendungsgeschäft Ende der 90er Jahre baut der IT-Riese auf Kooperationen mit Softwarepartnern. So gibt es beispielsweise eine ähnliche Allianz mit dem Customer-Relationship-Management-(CRM-)Anbieter Siebel. Experten zufolge schafft IBM mit der Kooperation mit Peoplesoft ein Gegengewicht zur kürzlich bekannt gegebenen Allianz zwischen SAP und Microsoft. Beide Softwareunternehmen hatten im Mai dieses Jahres angekündigt, künftig enger für eine verbesserte Produktintegration zusammenzuarbeiten.

Obwohl sich die Peoplesoft-Verantwortlichen bemühten, einen Zusammenhang der IBM-Allianz mit Oracles Übernahmeversuchen herunterzuspielen, ist die Verbindung offensichtlich. "Peoplesoft dreht damit eine Technik-Giftpille, um nicht vom Rivalen geschluckt zu werden", meint beispielsweise Paul Hamerman, Analyst von Forrester Research. Oracle steht mit seinem Datenbankgeschäft in hartem Wettbewerb zu IBM. Außerdem versuchen die Kalifornier, ihr Applikations- und Integrationsgeschäft in Schwung zu bringen. Laut den bislang durchgesickerten Informationen planen die Oracle-Verantwortlichen, im Falle einer geglückten Übernahme die Peoplesoft-Produkte an die eigenen Plattformen anzupassen. Das könnte vor dem Hintergrund des IBM-Peoplesoft-Pakts jedoch schwierig werden, prognostiziert Meta-Group-Analyst Barry Wilderman.

Für Peoplesoft ist das Votum IBMs ein wichtiger Vertrauensbeweis eines bedeutenden Partners, meint Jim Shepherd, Analyst von AMR Research. In der Branche kursieren bereits seit geraumer Zeit Spekulationen, IBM könnte Peoplesoft als "Weißer Ritter" im Kampf gegen den Erzrivalen Oracle zu Hilfe eilen. Die Verantwortlichen von Big Blue hatten derartige Überlegungen stets zurückgewiesen. (ba)

EU entscheidet im Oktober

Die Europäische Kommission will bis Ende Oktober darüber entscheiden, ob sie Oracles Versuch, Peoplesoft feindlich zu übernehmen, blockieren will. Offenbar plant EU-Kommissar Mario Monti, den Fall noch während seiner Amtszeit abzuschließen, die nach fünf Jahren Ende Oktober ausläuft. Einen konkreten Terminplan gibt es aber bisher nicht. Die Behörde hatte ihre Untersuchungen wegen fehlender Unterlagen von Seiten Oracles im April 2004 vorerst auf Eis gelegt. Experten mutmaßen jedoch, dass eine Wiederaufnahme wegen des laufenden Verfahrens in den USA nicht forciert worden war. Nach dem Urteil pro Oracle von Richter Vaughn Walker geht man allgemein davon aus, dass sich die europäischen Kartellbehörden dem Spruch ihres US-amerikanischen Kollegen anschließen.

Peoplesofts Albtraum

"Hatten Sie jemals einen Albtraum, der nie zu enden schien?" fragte Peoplesoft-Chef Craig Conway sein Publikum anlässlich der Keynote zur Eröffnung der Kundenveranstaltung Connect 2004 in San Francisco. "Wir haben einen", antwortete der CEO im Hinblick auf die anhaltenden feindlichen Übernahmeversuche seitens Oracles. Nachdem ein US-amerikanisches Gericht vor wenigen Wochen die Übernahme genehmigt hat, verstärkt der Datenbankspezialist seine Anstrengungen. So wurde die Frist für die Annahme der Offerte ein weiteres Mal verlängert. Peoplesoft-Aktionäre haben nun bis zum 8. Oktober Zeit, ihre Anteile zu veräußern. Derzeit bietet Oracle 21 Dollar je Papier. Damit hätte der Deal ein Gesamtvolumen von rund 7,7 Milliarden Dollar. Marktbeobachter gehen mittlerweile davon aus, dass Oracle die Übernahme gelingt. Nachdem die Kartellbehörden keine Einwände mehr haben, dürften vor allem institutionelle Anleger, die knapp drei Viertel der Peoplesoft-Anteile halten, dem Oracle-Angebot aufgeschlossener gegenüberstehen. Die Peoplesoft-Führung will indes weiter Widerstand leisten und weist das Angebot als unzureichend zurück. Um seine Aktionäre bei Laune zu halten, muss der Anbieter jedoch gute Zahlen präsentieren. Mit einem Rabattprogramm, dem Angebot kostenloser Schulungs- und Serviceleistungen sowie günstigen Krediten sollen die Geschäfte angekurbelt werden.