Pech für den Weltmeister?

02.02.1979

WASHINGTON (ik) - Hecht im Karpfenteich schien der neugebackene amerikanische Champion æ78 - das "Belle" vom Ken Thomson (Bell Telephone Labs, New Jersey) - bei der IX. US-Schachcomputer-Meisterschaft '78 gewesen zu sein.

Selbst das unter den zwölf Finalisten hochfavorisierte Weltmeisterprogramm "Chess 4.7." - und das ist die eigentliche Sensation des im Washingtoner Sheraton Parkhotel ausgetragenen Finalturniers - vermochte in der 2. Runde seinen Siegeszug nicht zu stoppen.

Nach dieser Glanzleistung die bisherige Elowertung von nur 1475 Punkten entsprach derjenigen eines Anfängers! - kam nach Expertenmeinung von einem schwachen Tag des Computerriesen kaum die Rede sein. Chess 4.7. läuft auf einer 5mal schnelleren Cyber 176 und sein Elo von 2030 entspricht der Wertung eines Meisterspielers.

Der große Durchbruch ist vor allem auf die 2jährige intensive Entwicklungsarbeit, besonders auf dem Gebiet der Eröffnung und des Mittelspiels zurückzuführen. (In der Eröffnungsbibliothek des auf einer DEC PDP 11 laufenden Siegesprogrammes sind 10 000 Anfangspositionen gespeichert.)

Daß der dritte Platz, in dem so stark besetzten Turnier, zwischen dem auf dem Mikro "Jupiter" laufenden "Sargon II." von Dan und Kathe Spracklen aus Kalifornien und "Chaos" geteilt wurde, war die Sensation Nummer zwei.

Es zeigte sich, daß durch die optimale Nutzung der beschränkten Speicherkapazität mit Hilfe maßgeschneiderter Assembly Z-80 auch Mikros durchaus in der Lage sind, mit den Jumbos Schritt zu halten. Das "Sargon II." kam schon mit relativ bescheidenen 2000 Eröffnungspositionen, fester Baumhorizonttiefe, dafür aber mit einer variablen "Searchtime", bestens zu recht.

Die "Mikro-Erfolge" sollten aber nicht überbewertet werden: "Sargon II." hat nach einer Niederlage in der ersten Runde lediglich durch restliche Siege über die weit unterlegenen Gegner das Startfeld "von hinten aufrollen" können - typische Schwäche eines im Schweizer System gespielten Turniers.

Nicht gerade begeistert über die Leistung seines Sprößlings "Brute Force" (trotz der IBM 370/168-Stütze) war der Kanadier Louis Kessler von der Manitoba Universität.

Nach den Zügen 1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.Sc3 de4: 4.Se4: e6 5.Lc4 b5? 6.Le2 Le7 7.0-0 La6? 8.d4 Sf6 9.Se5?? - läßt seinen Springer seelenruhig stehen. 9... 0-0 - Der Rappe wird weiterhin ignoriert. 10.Le3 Dc7 11.f4 h6 12.Dd3 - endlich gedeckt! 12... c5? 13.Lf3 b4 14.c4 bc4: en passant gab es beim Weißen (Brute Force) für das Schlagen im Vorbeigehen keinen Input. "Dank" dieses Kunstfehlers kam das in Fortran geschriebene Programm als Schlußlicht ins Ziel.