Mikros mit Btx auf dem Weg zu einem universellen Informations- und Kommunikationsmedium:

PC leert den elektronischen Briefkasten

25.02.1983

Zunehmende Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlichkeit von Personal Computern sowie der Ausbau der Telekommunikation prägte immer stärker die Informationsverarbeitung der letzten Jahre. Innerhalb der Telekommunikation wird Bildschirmtext der erste Dienst der Deutschen Bundespost sein, der einem breiten Publikum (eventuell sogar preiswert) zur Verfügung steht. R. Gerber und G. Schlageter vom Bereich Praktische Informatik der Fernuniversität Hagen untersuchen in Ihrem Referat die Integration von Personal Computern und Bildschirmtext.

Btx wird aber den Weg in den flächendeckenden Dienst mit einigen Geburtsfehlern antreten, da trotz einzelner Änderungen gegenüber dem englischen Videotex System "Prestel" (z.B. Anschluß externer Rechner) und Einführung des neuen europäischen Standards unter anderem folgende Mängel am Konzept bestehen bleiben:

- hierarchische Datenstruktur in den Btx-Zentralen,

- Retrieval ausschließlich über Menue-Technik (abgesehen vom direkten Zugriff über die Seitennummer)

- geringe Übertragungsraten

- Farbfernseher als Endgeräte mit numerischer Fernbedienung als Tastatur.

V.24 ist Voraussetzung

Ein entscheidender Schritt, konzeptionelle Änderungen in das Btx-System einzubringen, ist die Verwendung intelligenter Decoder. Ein erstes Beispiel für einen solchen intelligenten Decoder ist der von der österreichischen Post probeweise vermietete Mupid.

Die Weiterentwicklung dieser Idee, Btx-Endgeräte mit lokaler Intelligenz auszustatten, besteht in der Zusammenführung des Leistungsvermögens von Personal Computern mit den Möglichkeiten des Mediums Btx.

Die Integration von Bildschirmtext mit Personal Computern vollzieht sich in aufeinander aufbauenden Schritten, die in drei Gruppen zusammengefaßt werden können:

a) Erweiterung von Personal Computern mit der Zusatzfunktion "Btx", um diese als "gewöhnlichem" Btx-Endgeräte einsetzen zu können. Dabei wird auf die erweiterten Möglichkeiten gegenüber den konventionellen Benutzer-Endgeräten eingegangen.

b) Ausstattung von Personal Computern mit Funktionen, die dem Informationsanbieter einen komfortablen Arbeitsplatz schaffen. Der Kleinrechner übernimmt insbesonderedere Aufgaben, die bisher nur von Großrechnern mittels Btx-Rechnerverbund übernommen werden konnten.

c) Aufbau von verteilten Systemen mit Personal Computern unter Verwendung der Btx-Protokolle. Die Btx-Zentralen können in einen solchen Verbund mit einbezogen werden.

Technische Voraussetzung für den Anschluß eines Personal Computers an das Btx-Netz ist die Verfügbarkeit von V.24-Schnittstellen, die die Übertragungsgeschwindigkeiten von 1200 auf 75 Baud unterstützen. Die Auswertung beziehungsweise die Aufbereitung von Information gemäß dem Btx-Protokoll erfolgt über einen Softwaredecoder, der das gesamte Leistungsspektrum des CEPT-Standards und darüber hinaus einige Zusatzfunktionen bieten sollte.

Benutzerseitig übernimmt der Personal Computer die Aufbereitung für die Bildschirmausgabe: Der dabei verwendete Bildschirm sollte wegen der besseren Bildqualität ein Farbfernseher mit RGB-Schnittstelle oder besonders für Bildschirmarbeitspätze ein geeigneter Farbmonitor sein.

Mühsame Prozedur

Eine der wesentlichen Schwächen des jetzigen Btx besteht in der für den Benutzer mühsamen Prozedur, über Menüs die gewünschte Information aus der Btx-Zentrale herauszuziehen. Dieses schrittweise Vorgehen entlang der Zugriffspfade in den von der Post bereitgestellten Verzeichnissen kann durch den Personal Computer übernommen werden.

Dabei bezeichnet der Benutzer nur die Art des Verzeichnisses (Anbieter- oder Schlagwortverzeichnis) und den jeweiligen Suchbegriff; am Bildschirm erscheinen nicht die Zwischenschritte, sondern direkt die Leitseite des Anbieters oder eine Liste von Anbietern, die einem Schlagwort zugeordnet sind. Dieses Retrievalprogramm kann wahlweise auf lokalem Speicher oder als Telesoftware in der Btx-Zentrale zur Verfügung stehen.

Neben den Retrievalprogrammen lassen sich bei häufiger Nutzung auch die Verzeichnisse selbst lokal im Endgerät ablegen: Der Informationsanbieter muß dann allerdings einen Ergänzungsdienst für seine Verzeichnisse einrichten, der dann von den Betriebsprogrammen in Anspruch genommen wird und die lokal gehaltenen Verzeichnisse aktualisiert.

Ablagemöglichkeit begrenzt

Die Komplexität der Anfragen richtet sich nach dem Angebot des einzelnen Anbieters. Das mögliche Spektrum reicht von einzelnen Schlagworten über durch boolesche Operatoren verknüpfte Suchbegriffe bis zu komplexen Anfragen, wie sie in Datenbanksystemen oder auch Information Retrieval Systemen verwendet werden.

Weitere Hilfen zur Unterstützung des Informationsabrufs, aus der Btx-Zentrale sind

- das Markieren von abgerufenen Seiten durch den Benutzer, wobei entweder nur die Adresse der Seite oder die Seite selbst zum Beispiel in einem Stack lokal gespeichert wird,

- der Aufbau benutzerspezifischer Verzeichnisse, in denen der Benutzer Adressen von Seiten seinen individuell definierten Schlagworten zuordnet,

- das Ablegen von Btx-Seiten auf dem lokalen Hintergrundspeicher unter Angabe der Lebensdauer, um so Mehrfachzugriffe auf Seiten mit stabilem Inhalt zu vermeiden (zum Beispiel Speichern von Fahrplänen der Bundesbahn bis zum nächsten Fahrplanwechsel).

Mit der Einrichtung des Mitteilungsdienstes durch die Deutsche Bundespost wurde die direkte Kommunikation zwischen den Btx-Teilnehmern ermöglicht; allerdings muß derzeit eine Mitteilung durch den Benutzer explizit aus seinem elektronischen Briefkasten entnommen werden. Auch ist die Ablagemöglichkeit von Mitteilungen in der Btx-Zentrale begrenzt.

Mittels eines Personal Computers ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, diesen Mitteilungsdienst qualitativ zu verbessern und - auf der Basis dieses Mitteilungsdienstes - neue Funktionen zu realisieren. Als Vorlage dienen Funktionen aus der Büroumgebung, die unter dem Begriff "elektronik mail" zusammengefaßt werden.

Basisfunktion ist dabei das automatische Entleeren des Briefkastens in der Btx-Zentrale durch regelmäßiges oder durch wiederkehrende Ereignisse gesteuertes Überprüfen auf Posteingang (polling). Nach Entnahme der Mitteilungen können diese auf anwendungs- oder benutzerspezifische Eingangskörbe im Personal Computer verteilt werden, so daß beispielsweise auch eine automatische Verarbeitung von und Reaktion auf Mitteilungen möglich wird.

Ausgangsseitig unterscheidet der Personal Computer zwischen Normalbriefen, die bis zum nächstmöglichen Verbindungsaufbau zur Btx-Zentrale gesammelt werden, und Eilbriefen, die sofort ihren Weg via Btx antreten. Eine Protokollierung sollte auch hier - ebenso wie beim Mitteilungsempfang - möglich sein.

Vorübergehend nicht öffentlich

Personal Computer, die als Btx-Endgeräte für Informationsanbieter dienen sollen, benötigen neben dem oben beschriebenen Funktionsspektrum Funktionen zur Erstellung und Verwaltung von Informationsangeboten.

Grundlegend sind solche Hilfen, die den Informationsanbieter beim Editieren von Btx-Seiten, insbesondere bei aufwendiger Grafik, unterstützen. Neben komfortabler Editiersoftware muß das Btx-Endgerät Anschlüsse zu Grafiktabletts, Scannern etc. umfassen.

Das Erstellen von Informationsangeboten wird ausschließlich lokal abgewickelt, die erstellten Btx-Seiten lokal gespeichert und verwaltet. Diese Btx-Seiten-Datei beinhaltet sowohl Seiten, die in der Btx-Zentrale und zusätzlich lokal zur Datensicherung gehalten werden, als auch solche, die vorübergehend nicht öffentlich über die Btx-Zentrale abrufbar sind.

Ebenfalls lokal wird die Verknüpfung der einzelnen Btx-Seiten, die in die Btx-Zentrale eingebracht werden sollen, vorgenommen, so daß der Informationsanbieter die von ihm erstellten Zugriffspfade in seinem Angebot testen und korrigieren kann, ohne den Änderungsdienst in der Btx-Zentrale in Anspruch nehmen zu müssen. Abschließend übernimmt der Personal Computer dann noch das Einspielen dieser Seiten in die Btx-Zentrale.

Anbieter erinnert automatisch

Schon bei relativ kleinen Informationsbeständen ist es wünschenswert, den Anbieter durch Übersichten darüber zu unterstützen, welche Seiten er in der Btx-Zentrale hält, welche Beziehungen zwischen Seiten bestehen, wann jede einzelne Seite erstellt beziehungsweise veröffentlicht wurde und wann diese aktualisiert werden muß.

Beispielsweise kann der Anbieter durch das Btx-Endgerät automatisch daran erinnert werden, daß er bestimmte Seiten aktualisieren oder sperren muß. Der Aufwand, der durch die Wartung des Informationsbestandes entsteht, kann zusätzlich durch Programme im Endgerät gesenkt werden, die aus wohldefinierten Anlässen bestimmte Daten in genau gekennzeichneten Btx-Seiten automatisch ändern.

Der zweite Bereich, in dem Informationsanbieter unter Umständen in ganz erheblichem Maße entlastet werden können, ist die Auswertung von Antwortseiten, die über den Mitteilungsdienst ankommen. Anbieter mit eigenem externen Rechner sind in der Lage, Datensammelseiten durch entsprechende Programme in ihrem Rechner auszuwerten.

Eine ähnliche Funktion kann nun für den Klein-Anbieter wiederum der Personal Computer übernehmen, der, wie eben beschrieben, den Briefkasten in der Btx-Zentrale automatisch entleert und die verschiedenen Typen von Antwortseiten unterschiedlichen Eingangskörben zuführt.

Weitgehend "stand alone"

Personal Computer werden derzeit weitgehend "stand alone" eingesetzt. Die Möglichkeiten bezüglich der Kommunikation von Btx oder zum Beispiel die automatische Auswertung von Anwortseiten durch den Personal Computer verdeutlichen die Erweiterungen des Anwendungsspektrums von Kleinrechnern, wenn diese an ein Übertragungsnetz angekoppelt sind. Bisher wurde ein Datenaustausch von einem Endgerät zu einem anderen via Btx nur am Rande erwähnt.

Btx-Endgeräte in diesem Zusammenhang sind

- (Groß-)Rechner mit X.25-Schnittstelle, die als externe Rechner über Datex-P an die Btx-Zentrale gekoppelt sind

- (Klein-)Rechner mit V.24-Schnittstelle, die als Benutzer beziehungsweise Anbieterterminal über die Telefonleitung an die Btx-Zentrale gekoppelt sind.

Eine Koppelung von Rechnern mit X.25-Schnittstelle untereinander soll hier nicht betrachtet werden, da diese sicherlich nicht über das Btx-Netz realisiert wird.

Koppelung zu Großrechnern

Anders sieht dies bei einem Verbund von Rechnern beider Kategorien aus. Das Btx-Netz übernimmt hier die Verbindung zwischen den Endgeräten und gewährleistet durch seine Norm einen Anschluß unterschiedlicher Geräte. In dieser Koppelung zu Großrechnern übernimmt der Personal Computer die Funktion eines intelligenten Terminals. Die Anwendungen auf einem sochen Verbund werden dadurch dezentralisiert und tragen somit zur Entlastung der Großrechner bei.

Als Anwendungsbeispiele seien genannt

- komfortable Systeme zur Kontoführung,

- Datensammelsysteme für Bestellungen,

- Datenbanken mit weiträumigem Nutzerkreis,

- Simulation von Großrechner-Terminals (vgl. Projekt "Bird" des Rechenzentrums der Fernuniversität.

Die Struktur solcher Systeme ist sternförmig; ein Großrechner bildet den Mittelpunkt, die Kleinrechner sind auf diesen ausgerichtet.

Komfortables Medium

Die beschriebenen Integrationsstufen zeigen die Bedeutung der Zusammenführung von Personal Computer und Bildschirmtext für beide Komponenten auf: Die Kleinrechner verlassen ihre Rolle als isolierte Datenverarbeitungsanlagen, Bildschirmtext wird zu einem komfortablen Informations- und Kommunikationsmedium.

Die so entstandene integrierte "Informationsstation" erlaubt den Informationsabruf aus der Btx-Zentrale, den Zugriff auf Datenbestände externer Rechner, die Verwaltung von Daten sowohl auf lokaler Ebene als auch auf Speichern anderer Kleinrechner innerhalb eines verteilten Systems. Ebenso ausgeprägt sind die Funktionen für die Kommunikation und die Verarbeitung von Daten.

Es dürfen allerdings nicht die Schwachstellen übersehen werden, die durch das Übertragungsmedium Btx eingebracht werden. Die ursprüngliche Idee sah nicht diese Art von Anwendungen für Bildschirmtext vor: Die geringen Übertragungsraten von 1200 beziehungsweise 75 Baud verbieten Anwendungen mit hohem Übertragungsvolumen.

Dennoch bietet diese Integration eine nicht zu übersehende Perspektive für die Zukunft: Zum ersten Mal wird ein offenes Kommunikationsnetz für ein breites Publikum geschaffen, das über die Btx-Protokolle einen preiswerten Einstieg in die Datenfernverarbeitung gestattet. Durch die Verwendung leistungsfähiger, aber preiswerter Kleinrechner werden auf diesem Wege neue Benutzergruppen erschlossen, für die bisher die Möglichkeiten der Datenverarbeitung im Verbund verschlossen waren.