Durch Zusammenschluß entsteht ein PC-Software-Gigant

PC-Branche wächst zusammen: Lotus Corp. fusioniert mit Novell

13.04.1990

CAMBRIDGE/MÜNCHEN (jm) - Die Lotus Development Corp. und die Novell Inc. kommen unter ein Dach: Am 6. April unterzeichneten beide einen Letter of Intent des Inhalts, daß Novell eine Tochtergesellschaft von Lotus wird. Mit der Fusion entstände das mit 978 Millionen Dollar weltweit umsatzstärkste PC-Software-Unternehmen.

Finanziert wird der Zusammenschluß durch Austausch der Aktien beider Firmen. "Das neue Unternehmen würde in der BRD wahrscheinlich einer Holding gleichen", meinte Bernd Buchholz, Geschäftsführer der Novell GmbH, Düsseldorf. Daß es mit dem Zusammenschluß der Marktführer von Tabellenkalkulationsprogrammen und Netzwerkbetriebssystem-Software nicht sein Bewenden hat, scheint wahrscheinlich. "Sinn macht, da noch eine bis zwei Firmen zu beteiligen, die mit einer am Markt starken Textverarbeitung und Datenbank-Software aufwerten können. Das wären potentielle Kandidaten," überlegte Buchholz weiter. Da Lotus strategische Allianzen mit Wordperfect unterhält und Minderheitsaktionär bei der Datenbankfirma Sybase ist, stellen Branchenkenner entsprechende Überlegungen zu einer Multifusion an.

Beide Unternehmen wollen ihre Boards of Directors zusammenschließen. Danach bleibt Jim Manzi weiterhin Chairman, President und CEO des Fusionsunternehmens. Ray Noorda, CEO bei Novell, wird als Vice Chairman agieren.

"Die Fusion kam auch für uns einigermaßen überraschend," meinte Willi Söhngen, Geschäftsführer der Lotus Development GmbH in München. Er könne sich vorstellen, daß Novell in Zukunft einer der vier Divisionen zugeordnet werde, die sich nach der kürzlich erfolgten Umstrukturierung von Lotus etabliert haben. Weitere Aussagen zu dem neu entstehenden Softwareriesen wollte er nicht machen, allerdings sieht der Lotus-Mann für die Zukunft keine Corporate-Identity-Probleme: "Wie das neue Unternehmen heißen wird, ist zwar noch nicht bekannt. Aber der Name Lotus wird mit Sicherheit nicht wegfallen."

Nach Bekanntgabe der Unternehmensverbindung am Freitagnachmittag sanken die Kurse von Lotus um etwa 6 Prozent, die von Novell um knapp 10 Prozent. Allerdings erlebten Novell-Aktien in den letzten Wochen einen Aufschwung von etwa 26 auf knapp 44 Dollar pro Aktie. Mit der Zusammenfügung entsteht das umsatzstärkste PC-Softwareunternehmen weltweit. Hatte bisher die Microsoft Corp. mit 952 Millionen Dollar Umsatz für 1989 an der Spitze gestanden, so würden die vereinten 978 Dollar-Millionen (556 Millionen Dollar Lotus, 422 Millionen Dollar Novell) den ersten Platz bedeuten. "Microsoft hat eine große Applikations-Basis aber wenig Netzwerk-Software. Wir haben beides," umreißt Buschmann die starke Position des Fusionsunternehmens. Das Marktforschungsunternehmen IDC jedenfalls glaubt, daß durch diesen Elefanten-Merger die gesamte Struktur des Software-Marktes verändert werde. Beide Unternehmen besitzen darüber hinaus eine solide finanzielle Basis.