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Palm will ins Unternehmen - auch durch die Vordertür

27.06.2001
Palms CEO Carl Yankowski gab sich in seiner Keynote-Rede auf der TECHXNY (vormals PC Expo) zweckoptimistisch, dass die PDAs seines Unternehmens aus der Enterprise-DV bald nicht mehr wegzudenken sind.

Von CW-Redakteur Thomas Cloer

NEW YORK (COMPUTERWOCHE) - Carl Yankowski, früherer Topmanager bei Sony und Reebok, läutete am Dienstagmorgen mit seiner Keynote-Ansprache die PC-Expo in New York, neuerdings Teil der TECHXNY (Technology Exchange New York), ein. Seinen Auftritt hatte der ganz in schwarz gekleidete CEO (Chief Executive Officer) von Palm unter das Motto "Handheld Computing: Grass Roots to Corporate Standard" gestellt. PDAs, früher von Mitarbeitern quasi "durch die Hintertür" ins Unternehmen eingeschleust, sollen in Zukunft ganz offiziell die Enterprise-DV mittragen. Dazu setzt Palm auf einfache Bedienbarkeit, eine große Entwicklergemeinde sowie strategische Partner.

Yankowskis Auftritt war "von langer Hand" bestens vorbereitet - Palm hat den wohl größten Messestand prominent platziert und auch mit sonstigen (Werbe-)flächen im und um das Jacob Javits Convention Center nicht gespart. Dem Unternehmen ist offensichtlich bewusst, dass es sich an einem entscheidenden Wendepunkt befindet. In Zeiten, in denen die Konkurrenz aus dem Microsoft-Lager stark aufholt, gilt es die Weichen zu stellen, um das Palm-Betriebssystem (und idealerweise auch die hauseigene Hardware) auch in die Unternehmens-DV zu hieven.

Dazu predigte der Palm-Chef das Paradigma eines "Mobile Pervasive Computing", das von drahtlosem Netzzugang und integrierten Gesamtlösungen mit mobilen (Palm-)Endgeräten bestimmt wird. Aus dem zur Verwaltung persönlicher Daten und Informationen genutzten PDA (Personal Digital Assistant) werde zunehmend ein PNA (Personal Network Assistant). Dieser diene zum Zugriff auf Daten und Informationen - im Gegensatz zum stationären PC, auf dem Inhalte kreiert werden. "Unterschiedliche Arbeiten verlangen unterschiedliche Werkzeuge", ist sich Yankowski sicher.

Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme des Herstellers haben jedoch in letzter Zeit so manchen Zweifel aufkommen lassen, vor allem nachdem die geplante Übernahme des Datenabgleichs-Middleware-Spezialisten Extended Systems abgesagt werden musste. Einige Finanzanalysten mutmaßten gar bereits, Palm werde schon Ende dieses Jahres das Geld ausgehen. Die gestern nach Börsenschluss veröffentlichten Quartalszahlen und Restrukturierungsdetails lassen dies allerdings unwahrscheinlich erscheinen.

Die aktuellen Palm-Zahlen

Gestern nach US-Börsenschluss und damit nur wenige Stunden im Anschluss an die Keynote-Rede seines CEOs veröffentlichte Palm seine Bilanz des vierten Quartals sowie des abgeschlossenen Geschäftsjahres 2000/01.

Das vierte Quartal war schlicht ein Desaster: Palm weist einen Nettoverlust von 392,1 Millionen Dollar oder 69 Cent pro Aktie aus nach 12,4 Millionen Dollar oder zwei Cent Profit Gewinn im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Abzüglich außergewöhnlicher Belastungen verbleibt ein Verlust von immer noch 89,2 Millionen Dollar oder 16 Cent pro Aktie. Im Vorjahresquartal betrug der Proforma-Gewinn 17,2 Millionen Dollar oder drei Cent je Anteilschein. Der Quartalsumsatz belief sich auf 165 Millionen Dollar und fiel damit zumindest geringfügig besser aus als in der letzten Gewinnwarnung (Computerwoche.de berichtete) mit 140 bis 160 Millionen Dollar befürchtet. Im Vorjahresquartal hatten die Einnahmen allerdings noch bei 350,2 Millionen Dollar gelegen.

Nicht ganz so katastrophal nimmt sich im Vergleich das Jahresergebnis aus. Zumindest den Umsatz konnte Palm hier von 1,06 Milliarden Dollar im Vorjahr um 47 Prozent auf 1,56 Milliarden Dollar steigern. Aber auch über zwölf Monate hinweg fiel ein herber Fehlbetrag von 356,5 Millionen Dollar oder 63 Cent pro Aktie an nach 45,9 Millionen Dollar oder neun Cent je Anteilschein Gewinn im Vorjahr. Abzüglich außergewöhnlicher Belastungen beträgt der Jahresverlust 28,5 Millionen Dollar oder fünf Cent pro Aktie. Im Vorjahr verblieb hier unterm Strich ein Gewinn von 58,4 Millionen Dollar oder elf Cent je Anteilschein. Insgesamt verkaufte Palm im abgeschlossenen Geschäftsjahr 6,4 Millionen Handhelds.

Eigenen Angaben zufolge verfügte das Unternehmen zum Ende des Geschäftsjahres über Reserven von 513,8 Millionen Dollar. Zusätzlich meldet Palm eine neu eingeräumte Kreditlinie von 150 Millionen Dollar, die ein Konsortium unter Leitung der Wells-Fargo-Tochter Foothill Capital Partners bereitstellt und die noch nicht in Anspruch genommen wurde. "Für unsere Aktionäre und Mitarbeiter war das vergangene Quartal eine echte Herausforderung", so Yankowski in einer Presseerklärung, "aber zum Glück nicht für unsere Kunden. Im zweiten Quartal des laufenden Fiskaljahres wollen wir zurück in die schwarzen Zahlen." "Palm setzet seinen Turnaround-Plan um", konzediert ABN-Amro-Analyst Rob Cihra. "Ich sehe sie aber noch nicht auf der sicheren Seite."

Finanzchefin Judy Bruner rechnet im laufenden ersten Quartal mit 200 bis 220 Millionen Dollar Umsatz sowie einem operativen Verlust von bis zu 80 Millionen Dollar. Im folgenden Dreimonatszeitraum sollen die Einnahmen dann auf 420 bis 440 Millionen steigen und unterm Strich (abzüglich außergewönlicher Belastungen) in einem Gewinn von fünf bis 20 Millionen Dollar münden. Für das dritte Quartal erwartet Bruner allerdings bereits wieder einen - saisonal bedingten - Abschwung.

Partner leisten Schützenhilfe

Was die geplatzte Hochzeit mit Extended Systems betrifft, kündigte Yankowski eine "Light"-Variante an: Palm wird die "Xtnd-Connect"-Middleware des einstigen Übernahmekandidaten im Rahmen einer strategischen Partnerschaft ab dem vierten Quartal dieses Jahres unter eigenem Namen anbieten. "Auf diese Weise sind wir wenigstens ein bisschen verheiratet", scherzte der CEO nach einer eher zaghaften Umarmung mit Extended-Chef Steve Simpson.

Yankowski hatte übrigens noch weitere Partnerschaften anzukündigen: Mit dem Consumer-Electronic-Spezialisten Panasonic will man die Verbreitung der inzwischen von mehr als 280 Unternehmen unterstützten SD-Kärtchen (Secure Digital, im "m50x" erstmals als Erweiterungssteckplatz unterstützt) vorantreiben. Der CTO von Panasonic US, Paul Liao, demonstrierte mögliche Anwendungen, indem er mit einer SD-bestückten Digitalkamera ein Foto von Yankowski schoss und das Bild bereits Sekunden später auf einem Palm zeigte, nachdem er die Karte einfach umgesteckt hatte. "This is true packet communication", scherzte der Panasonic-Mann mit Blick auf die nur briefmarkengroßen Speichermedien. Für die Zukunft - bereits im kommenden Jahr sollen Karten mit bis zu 2 GB erhältlich sein - rechnen beide Partner mit einer Fülle neuer, auch multimedialer Anwendungen.

Ebenfalls ein kleines Loblied auf Palm stimmte Jesus Mantas an, Partner bei PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Berater haben für Palm selbst eine unternehmensinterne Informationslösung entwickelt, die unter anderem Zugriff auf das Palm-interne Directory sowie das SAP-ERP-System ermöglicht. Die Lösung demonstrierte der PwC-Mann anhand seines drahtlosen "Palm VII". PwC will die Palm-Plattform im Rahmen einer globalen strategischen Allianz auch anderen Kunden verstärkt andienen und geht davon aus, dass sich beispielsweise die für Palm realisierte Lösung binnen kurzer Zeit auch andernorts realisieren lässt.

Palms Plattform: Reality Check

Neben den strategischen Partnerschaften bestimmten eine Reihe von Anwendungsbeispielen aus der real existierenden IT-Welt die Keynote, die vornehmlich in Form von Videoeinspielungen dargereicht wurden. Bei der Auswahl wurde Yankowski zufolge Wert darauf gelegt, nicht nur die "Mobilisierung von Legacy-Anwendungen" zu zeigen, sondern auch "taufrische Lösungen". Die Bandbreite der teils durch auf die Bühne gerufene Gäste erläuterten Beispiele reichte dabei von einem Campus-Informationssystem der Wharton School of Business über Branchenlösungen aus der Logistik- und Baubranche bis hin zu Anwendungen im Gesundheitswesen. Hier versprach unter anderem der Chef von Patient Keeper Inc., mit Palm-Hilfe medizinische Fehler zu reduzieren.

Laut Gartner (Computerwoche.de berichtete) steht Palm unter dem wachsenden Konkurrenzdruck durch Microsoft und dessen "Pocket-PC"-Plattform, die in vielen Unternehmen bereits auf Server-Infrastruktur aus dem gleichen Hause trifft und damit nicht zuletzt für "One-stop-Shopper" interessant erscheint. Kleine Seitenhiebe auf die Konkurrenz ließ sich der ansonsten sehr sachliche Yankowski nicht nehmen: Natürlich sei die Hardware der Pocket PCs oft erheblich leistungsfähiger als die von Palm-PDAs (Personal Digital Assistants). Das nütze aber dem Anwender wenig, wenn die zusätzlichen Ressourcen durch ein leistungshungriges und nicht eben kompaktes Betriebssystem wieder aufgefressen würden.

Ein bisschen Spaß muss sein

Außerdem gratulierte Yankowski Microsoft und seinen Hardware-Partnern artig zum millionsten verkauften Pocket PC. Gefolgt von der gehässigen Randbemerkung, angesichts 15 Millionen verkaufter Palm-OS-Handhelds gebe es ja wohl noch einiges aufzuholen. Neben der Konkurrenz zur Pocket-PC-Division arbeite man aber mit anderen Microsoft-Abteilungen hervorragend zusammen, so der Palm-Manager - vor allem, was Microsofts Backend-Produkte wie etwa den jüngst vorgestellten Mobile Information Server angehe.

Das Publikum zeigte sich von den Ausführungen Yankowskis nicht sonderlich begeistert. Irgendwie fehlte der Pepp - so richtig aufleben konnte das nicht einmal voll besetzte Auditorium eigentlich nur, als David Lettermans Late-Show-Parodie eines Palm-Werbespots eingespielt wurde, in dem eine unbekannte Schöne einem unbekannten Schönen im Zug gegenüber in letzter Sekunde vor der Abfahrt per Infrarot ihre Telefonnummer von Palm zu Palm beamt. Letterman, Harald-Schmidt-Vorbild und zynischer Moderator der "Late Show", bekommt in seiner Variante des Spots stattdessen die Botschaft "Stop staring at me, freakshow!" auf seinen Palm geschickt.

Auch noch ganz lustig: Die neueste Erfindung der Firma MotionSense. Deren SD-Karte kann, in einem Palm-Handheld eingesteckt, Bewegungen des Geräts erkennen und diese zur Steuerung von Software nutzen. So lässt sich beispielsweise einhändig durch eine Landkarte navigieren oder ein Spiel steuern. "Ein Joystick ohne Joystick", wie Yankowski passend bemerkte.

Einige Neuigkeiten gab es dann auch noch in einer kurzen Frage-und-Antwort-Session im Anschluss an die Keynote. Carl Yankowski räumte ein, dass das Unternehmen neue Wireless-Lösungen in der Pipeline hat. Für den bereits betagten und zurzeit in den USA zum Schleuderpreis verkauften Palm VII wird es einen Nachfolger mit Farbbildschirm geben, und auch für Europa sei ein ähnliches integriertes Gerät geplant (der Palm VII lässt sich wegen seiner CDMA-Technik hierzulande nicht nutzen). Einen zeitlichen Rahmen dazu wollte der Palm-Chef allerdings nicht preisgeben.

Hintergrund: Um Ihnen einen virtuellen Eindruck von der PC Expo zu verschaffen: Die gesamte Ausstellungsfläche ist grob geschätzt nicht einmal so groß wie die Halle 1 der deutschen Lesern bestens bekannten CeBIT. Dennoch gilt die Veranstaltung neben der (kaum größeren) Comdex Fall im Herbst in Las Vegas als zweite große IT-Leitmesse der USA. Aktuelle Informationen finden Interessierte unter www.techxny.com.