Outsourcing kostet Arbeitsplätze

31.01.2007
Von Peter Kreutter
Personalübernahmen und Kostensenkungen lassen sich nicht unter einen Hut bringen.

Vor allem die Befürworter des Outsourcings reden in der Diskussion um das Für und Wider von Auslagerungsprojekten der "ideale Wertschöpfungstiefe" das Wort. Dabei verweisen sie in diesem Kontext gerne auf den Automobilhersteller Porsche, der in der Fertigung des Geländewagens Cayenne nur noch neun Prozent der Wertschöpfung im eigenen Hause betreibt. Dabei unterschlagen sie jedoch, dass Porsche lediglich Teile und Produkte am externen Markt beschafft, aber den Lieferanten jedoch kein Personal überlässt. Selbst wenn es den einen oder anderen Fall geben mag, in dem auch Fertigungsmitarbeiter im Rahmen eines Auslagerungsabkommens zu einem Lieferanten wechseln mussten, erlaubt dies noch nicht den direkten Vergleich der Wertschöpfungsarchitekturen in Industrie und IT, weil die Anforderungen an die Mitarbeiter sehr unterschiedlich sind.

Hier lesen Sie …

  • Warum Outsourcing zwangsläufig auf Kosten des Personals geht;

  • Weshalb sich Einsparungen und Arbeitsplatzgarantien ausschließen;

  • warum auch Schulungen nur bedingt Erfolg versprechen;

  • warum das Prinzip der "schöpferischen Zerstörung" hier greift.

Der Auftrag an dei Outsourcer lautet: Die Kosten müssen runter, die Qualität rauf.
Der Auftrag an dei Outsourcer lautet: Die Kosten müssen runter, die Qualität rauf.
Foto: Deloitte

Die Auswirkungen des Personaltransfers auf die Auslagerungs-Abkommen kann handfeste, strategische Nachwirkungen zeigen. Im Grunde ist die Verkürzung der eigenen Wertschöpfungstiefe stets mit zwei Effekten verbunden. Sie erlaubt dem Unternehmen zwar die Nutzung spezialisierten Know-hows vom externen Markt verbunden mit entsprechenden Kostenvorteilen. Das wirkt sich jedoch unmittelbar auf den Mitarbeiterstamm aus, der die Leistungen bis zur Auslagerung intern erbracht hat: Entweder entschließt sich das Unternehmen das Know-how- oder die Kapazitäten der veränderten Wertschöpfung anzupassen.

Je stärker auf Outsourcing zurückgegriffen wird, desto radikaler fällt der Anpassungsprozess aus. So liegen die Herausforderungen für viele Unternehmen und Branchen zumeist nicht darin drei Mitarbeiter der Poststelle, zehn Kantinenkräfte oder vielleicht sogar 20 Einkäufer outzusourcen. In der Realität geht es um 500, 700 und mehr Mitarbeiter in wichtigen Supportfunktionen wie IT-Infrastruktur, Anwendungsentwicklung oder Customer-Support, deren Know-how unter dem strategischen Blickwinkel nicht mehr ins Konzernumfeld passt. Die jüngsten Nachrichten um Outsourcing-Projekte bei der Allianz, HVB oder Deutschen Bank unterstreichen dies. Sie erachten entweder den Desktop- und Netzsupport, den Rechenzentrumsbetrieb oder die Anwendungsentwicklung nicht mehr als Bestandteil ihres Kerngeschäfts. Also übergeben sie die Services samt Mitarbeitern an spezialisierte Dienstleister, die sie kostengünstiger erbringen sollen.

Quadratur des Kreises

Hier entwickelt sich zunehmend ein kritisches Spannungsfeld. Einerseits wird von Dienstleistern gefordert, die übernommenen Aufgaben kostengünstiger zu erbringen. Aktuelle Umfragen von Gartner belegen etwa, dass 70 Prozent aller Outsourcing-Verträge vor allem auf Kostensenkung zielen. Andererseits fordern die Anwenderunternehmen aus unternehmensethischen Gründen eine belastbare Arbeitsplatzgarantie für die übernommenen Mitarbeiter ein. Damit verlangen sie nicht weniger als die Quadratur des Kreises. Kostensenkung auf Seiten des Dienstleisters ist nur dann möglich, wenn er Economies of Scale and Scope umsetzen kann, sprich, er muss Leistung effizienter erbringen.

Mit nur wenigen Fragen lässt sich veranschaulichen, dass im aktuellen Marktumfeld bei steigender Mitarbeiterzahl und sozialverträglichen Arbeitsplatzgarantien kaum Einspareffekte zu erzielen sind. Wie soll ein Dienstleister die Kosten signifikant senken,

  • wenn die übernommene IT-Abteilung bereits sehr effizient gearbeitet hat?

  • wenn die zu übernehmenden Mitarbeiter etwa aufgrund ihrer Bank- oder Versicherungsherkunft ein höheres Gehaltsniveau haben als vergleichbare Mitarbeiter in der IT-Industrie?

  • wenn lokale Arbeitsplatzgarantien vereinbart wurden, aber eigentlich Commodity-Leistungen in Niedriglohnländer verlagert werden müssen, um vorgegebene Ziele zu erreichen?

  • wenn die übernommenen Mitarbeiter über Spezialwissen verfügen, das am externen Markt gar nicht und vom bisherigen Arbeitgeber im Lauf des Auslagerungsprojekts immer seltener nachgefragt wird?

Mitarbeiter schulen

Die Antwort auf diese Fragen fällt ebenso einfach wie desillusionierend aus. Entweder nimmt das auslagernde Unternehmen zumindest teilweise Abschied vom Ziel einer signifikanten Kostensenkung. Um den Übergang der betroffenen Mitarbeiter möglichst weich zu gestalten, muss es vielleicht sogar höhere Kosten tragen. Der Dienstleister kann den übenommenen IT-Experten dann einen sichereren Hafen bieten und ihre vorhandenen Fähigkeiten weiterentwickeln. Diese Bereitschaft wird ihren Preis haben, denn letzten Endes obliegt dem Service-Provider damit im Einzelfall auch die mittelfristige Freisetzung von Mitarbeitern, was eigentlich Aufgabe des Anwenderunternehmens gewesen wäre. Will ein Unternehmen Outsourcing-Services günstig vom Dienstleister beziehen, muss es die Herkulesaufgabe der Kapazitäts- und Know-how-Anpassung jedoch selbst schultern.

Allerdings sollten sich beide Seiten darüber im Klaren sein, dass die nahe liegende Option, betroffene Mitarbeiter zu schulen, um ihnen neue Aufgaben zu übertragen, häufig nur eine theoretische Möglichkeit ist. Am Beispiel der Automobilbranche heißt das: aus einem Bandarbeiter lässt sich kein spezialisierter Entwicklungsingenieur machen. Ebenso groß dürfte die Herausforderung sein, aus einem Cobol-Programmierer einen gefragten SOA-Spezialisten zu machen. Mit steigender Zahl an betroffenen Mitarbeiter stoßen die entsprechenden Maßnahmen an ihre logischen Grenzen.

Outsourcing und Mitbestimmung

  • Der Betriebsübergang ist eine unternehmerische Entscheidung. Sie erfordert daher nicht die Zustimmung des Betriebsrats. Allerdings muss er unterrichtet werden.

  • Der Betriebsübergang kann weder für den alten noch für den neuen Arbeitgeber Grund für betriebsbedingte Kündigungen sein.

  • Arbeitnehmer können dem Wechsel innerhalb von drei Wochen widersprechen, sie werden dann zunächst weiter beschäftigt. Gibt es keinen sachlichen Grund für ihre dauerhafte Weiterbeschäftigt droht ihnen eine betriebsbedingte Kündigung.

  • Laut Gesetz genießen die betroffenen Mitarbeiter ein Jahr Bestandsschutz.

  • Die Mitarbeiter beziehen die gewohnten Gehälter.

  • Der Arbeitgeber ist zur frühzeitigen und umfassenden Information verpflichtet. Auf die angeblich mangelhafte Unterrichtung stützt sich etwa eine Klage, die BenQ-Mobile-Mitarbeiter gegen Siemens eingereicht haben.

Schöpferische Zerstörung

Getrieben durch technologische Veränderungen, größere Nachfrage nach Branchen-Know-how sowie internationalen Lohnkostendifferenzen stehen sowohl auf Kunden- als auch auf Dienstleisterseite weitreichende Strukturveränderungen an. Entsprechende Projekte sind umso schwieriger, je sie konsequenter sie umgesetzt werden. Personalanpassungen sowohl im Rahmen von IT-Outsourcing-Projekten als auch bei Dienstleistern wird es künftig häufiger geben.

Es gibt bereits einige Beispiele, in denen Unternehmen den Veränderungsprozess konsequent vorantreiben, um eine Zukunftsperspektive zu schaffen oder zu bewahren. Der TK-Konzern Vodafone hat große Teile der IT an IBM und EDS ausgelagert und dabei selbst Mitarbeiter freigesetzt. Nur so lassen sich die Kostenziele erreichen, die Vodafones Wettbewerbsposition wieder verbessern. Auch IT-Dienstleister wie Capgemini oder EDS unterziehen das eigene Know-how einer kritischen Überprüfung und trennen sich etwa vom Geschäft mit Netzwerk- oder Field-Services, während sie in anderen Bereichen gleichzeitig Personal einstellen. Der Prozess der "schöpferischen Zerstörung, wie der Ökonom Joseph Schumpeter dieses für langfristiges Wachstum notwendige, paradoxe Spannungsfeld einst trefflich umschrieben hat, wird hier manifest.