Schwere Vorwürfe unabhängiger Softwarehäuser

OSF im Zwielicht: In den USA ermittelt die Antitrust-Behörde

01.02.1991

MÜNCHEN (CW) - Gegen die Open Software Foundation werden schwere Vorwürfe von seiten der Software-Anbieter erhoben. Inzwischen ermittelt sogar die amerikanische Antitrust-Behörde. Die Unix-Organisation soll bei der Auswahl der SW-Techniken von Drittanbietern unlautere Methoden angewandt haben.

Die Federal Trade Commission (FTC) ermittelt gegen die Open Software Foundation wegen unfairen Wettbewerbs und Verletzung der Antitrust-Bestimmungen. Diese Vorwürfe sind nicht neu.

Grund zur Klage hatten die unabhängigen Software-Anbieter bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres. Damals hatte eine Reihe von ihnen der OSF auf einer Veranstaltung des Marktforschungsinstituts Dataquest vorgeworfen, die Preise zu verderben. Die von Hardwareherstellern dominierte Organisation erwerbe und vermerkte den Source-Code neuester Software-Techniken weit unter Marktwert (vergleiche CW Nr. 14 vom 6. April 1990: "Unabhängige Softwarehäuser beklagen Marktpolitik der OSF").

Zu einer formalen Klage hatten sich die ISVs (Independent Software Vendors) damals nicht durchringen können.

Statt dessen baten sie die Unix-Organisation, ein wirtschaftlich angemessenes System für den Erwerb und für die Vermarktung von Software einzuführen. Nach eigenen Angaben sah die OSF indes keinen Anlaß, daraufhin ihre Praktiken zu ändern.

Inzwischen scheint selbst OSF-Gründungsmitglied IBM mißtrauisch geworden zu sein.

Konzern-Juristen sollen dem Management nach Informationen des britischen Branchendienstes "Computergram" empfohlen haben, künftig keine Technologievorschläge gemeinsam mit anderen OSF-Sponsoren einzureichen. In Armonk argwöhnt man offensichtlich, daß die Vorliebe der OSF für Mischtechnologien von Mitgliedsunternehmen rechtswidrig sein könnte.

Die jetzt eingeleitete Untersuchung geht offensichtlich auf Beschwerden von ISVs zurück. So befragen die Juristen der für Wettbewerbsverstöße zuständigen Federal Trade Commission (FTC) derzeit Software-Unternehmen nach den Praktiken der OSF.

Als "Geschwätz" bezeichnet dagegen Dale Harris, ein US-Manager von IBMs Open Systems Group in Austin, die Vorwürfe gegen die OSF. Er vermutet, daß Konkurrenten wie Sun Microsystems oder AT&T entsprechende Gerüchte in die Welt gesetzt haben.

Diesen Verdacht weist Roel Pieper, Marketing-Vice-President der AT&T-Entwicklergruppe Unix Software Laboratories (USL) entschieden zurück: "Uns geht die Sache nichts an. Hier handelt es sich ausschließlich um einen Konflikt zwischen den Independent Software Vendors und der OSF."

Gleichzeitig verweist der USL-Manager auf das Grundproblem der OSF. Die Organisation vermenge zwei Interessen: Zum einen wolle sie Industriestandards setzen und zum anderen Produkte verkaufen. Hans-Josef Jeanrond, Europäischer Regionaldirektor der OSF, setzt diesem Vorwurf entgegen, daß seine Organisation eine Non-profit-Company sei, die zudem nicht direkt an den Markt gehe, sondern lediglich an Anbieter lizenziere.

"Die Federal Trade Commission hat uns gegenüber nicht bestätigt, daß Ermittlungen laufen", widerspricht der OSF-Manager den Meldungen, die sowohl von der IDG-Schwesterpublikation "Computerworld" als auch vom britischen und Branchendienst "Computergram" veröffentlicht wurden. Der US-Informationsdienst "Unigram-X" will darüber hinaus erfahren haben, daß die bisher "nicht öffentlichen Ermittlungen" einen "zunehmend ernsten Charakter" bekommen.

Nach Aussagen von Hans-Josef Jeanrond hat die OSF allerdings nichts zu befürchten: Gerade der umstrittene Prozeß bei der Auswahl neuer Technologien unterliege einem ausgefeilten Konzept von "Check und Balances", das von Juristen sorgfältig auf seine Rechtmäßigkeit geprüft worden sei.

So würden alle Entscheidungen einem von der OSF unabhängigen Gremium vorgelegte in dem zur Zeit auch das Konkurrenzunternehmen AT&T Sitz und Stimme habe.