HPs offene Software-Entwicklungsumgebung

OSE: Basis für den Entwurf von offenen Softwaresystemen

21.02.1992

Offene Systeme, bieten anerkanntermaßen eine ganze Reihe von Vorteilen. Die Frage ist jedoch häufig, wie man dazu kommt, und wie man dabei mit - tatsächlichen oder auch nur vermuteten - Schwierigkeiten am besten fertig wird. OSE (Open Software Environment) von HP unterscheidet sich von vielen vergleichbaren Ansätzen dadurch, daß die dazugehörige Software-Architektur nicht vorgegeben ist, sondern auf die Kundenanforderungen zugeschnitten wird.

Obwohl der Name offene Softwareumgebung vielleicht an einen Satz von Produkten oder von Schnittstellen denken läßt, ist OSE weder das eine noch das andere. OSE ist vielmehr eine Vorgehensweise für die Definition und die Implementierung einer Software-Architektur für offene Systeme. Es besteht aus einem Referenzmodell, dokumentierten Richtlinien und Empfehlungen, Hard- und Softwareprodukten, Standards und einer ganzen Reihe von Dienstleistungen. Es soll den Anwendern bei der Auswahl offener Standards und Produkte helfen, um sowohl die Hardware- als auch die Software-Anbieterabhängigkeit möglichst gering zu halten.

Absolute Anbieterunabhängigkeit ist, selbst wo sie möglich ist, nicht immer wünschenswert, und zwar, weil verfügbare Standards notwendigerweise immer hinter dem augenblicklichen Stand der Technik hinterherhinken. Darüber hinaus bieten proprietäre Lösungen oftmals kurzfristig erzielbare Steigerungen der Produktivität oder der Systemfunktionalität im Vergleich zu solchen Lösungen, die auf Standards basieren.

Zwischen proprietären und anbieterunabhängigen Lösungen auszuwählen ist eine Entscheidung, die auf individuelle Unternehmensanforderungen basieren muß. OSE hilft dabei, die Kompromisse, die man hier zwangsläufig eingehen muß, abzuwägen.

Neben der reinen Auswahl einer Hardwareplattform sind bei der Implementierung offener Systeme eine ganze Reihe anderer Probleme zu lösen:

- Bestehende Investitionen in Hard- und Software, Ausbildung etc. müssen in die neue offene Umgebung eingebunden werden.

- Es müssen die richtigen offenen Standards, Technologien und Produkte ausgewählt werden.

- Softwarelösungen sind zu integrieren.

- Software-Abhängigkeiten müssen vermieden werden, wenn proprietäre Lösungen zum Einsatz kommen.

- Neue Technologien sollten integrierbar sein, soweit sie verfügbar sind und benötigt werden.

- Laufende Anwendungen sollen durch den Umstiegsprozeß so wenig wie möglich gestört werden.

Offene Systemlösungen für einen unternehmensweiten Einsatz zu schaffen bedeutet, diesen Herausforderungen in einem vernünftigen Kostenrahmen und mit einem kalkulierbaren Risiko zu begegnen. Da an offenen Systemlösungen normalerweise immer mehrere Hardwarelieferanten beteiligt sind, ist es die Softwareumgebung, die der Gesamtlösung letztendlich Stabilität und Durchgängigkeit verleiht. Die Spezifikation dieser Umgebung (Standards, Produkte, Technologien und Paradigmen) ist die Software-Architektur.

Eine Software-Architektur braucht kein komplexes und formales Dokument zu sein. In vielen Fällen genügt eine Liste mit Grundlagen, Standards und Softwareprodukten, die in einer Dokumentation zusammengefaßt werden können. Wesentlich ist, daß die Architektur den Anforderungen des Geschäftsumfelds entspricht. Diese Anforderungen beinhalten die Unternehmensstruktur, wichtige organisatorische Parameter und wirtschaftliche Randbedingungen. Sie beinhalten ebenfalls die bestehenden Anwendungen, die DV-Umgebung sowie zukünftige Planungen. Mit OSE unterstützt Hewlett-Packard den Entwurf einer Software-Architektur, die diesen Geschäftsanforderungen genügt.

Die offene Software Umgebung OSE besteht im wesentlichen aus sieben Teilen:

- dem OSE-Ansatz als einer Vorgehensweise für die Definition einer Software-Architektur in einer Multi-Vendor-Umgebung,

- diese Vorgehensweise baut auf einer Reihe grundlegender Prinzipien und Richtlinien auf, die im wesentlichen HPs Erfahrungen beim Aufbau offener Systeme widerspiegeln,

- dem OSE-Framework, einem Referenzmodell, das die Bewertung von Produkten, Standards und Technologien erleichtert,

- Auswahl- und Bewertungskriterien, die insbesondere auf die Einsetzbarkeit von Produkten im Rahmen offener Systeme abzielen,

- OSE-Beratungsleistungen, die von Open-Systems-Experten durchgeführt werden und Kunden bei der Implementierung offener Systeme helfen,

- OSE-Design-Guides, also Dokumentationen empfehlenswerter Vorgehensweisen insbesondere für die Entwicklung von Anwendungen, um die Flexibilität und damit die Lebenszeit der entstehenden Lösungen zu maximieren sowie aus

- Open-Systems-Produkten, das heißt Softwarelösungen von Hewlett-Packard und Softwarehäusern, die auf den Richtwerten und Empfehlungen von OSE basieren, um eine offene SW-Umgebung zu realisieren.

Diese Elemente ergänzen sich zu einer vollständigen Lösung. Beispielsweise setzen eine Reihe von OSE-Anwendern die Standardsprache ANSI-SQL ein, um auf Datenbanken zuzugreifen. Da dieser Standard jedoch nicht vollständig ist, bietet Hewlett-Packard produktunabhängige Beratungsleistungen an, die erläutern, wo ANSI-SQL ausreicht, wo es nicht ausreichend ist und wie Erweiterungen implementiert werden müssen, um zu einer möglichst geringen Anbieterabhängigkeit zu gelangen. Ein OSE-Design-Guide hilft bei der Auswahl eines relationalen Datenbankproduktes. Schließlich bietet HP auf seinen Plattformen alle fahrenden relationalen Datenbanken an, ebenso wie HPs eigenes RDBMS-Produkt. Alle diese Komponenten helfen beim Aufbau einer offenen Lösung mit größtmöglicher Flexibilität und maximalem Investitionsschutz.

Mit OSE lassen sich offene Systemlösungen auf einer Vielzahl von Rechnersystemen aufbauen, die offene Standards unterstützen; dies schließt Systeme von Hewlett-Packard und anderen Anbietern ein. OSE ist sowohl auf verteilte Client-Server-Umgebungen als auch auf traditionelle Host-Terminal-basierte Systeme anwendbar. Es ist weder eine "Unix-Strategie", noch beinhaltet es bestimmte Softwareprodukte, etwa eine bestimmte Datenbank, auf allen Plattformen. OSE ist sowohl in Fällen anwendbar, wo bereits eine Software-Architektur definiert ist, die überprüft werden soll, als auch in den Fällen, wo mit einer solchen Definition erst begonnen wird.

Open Software Environment ist für diejenigen gedacht, die mit dem Entwurf von offenen Systemen, der Produktauswahl und den Fragen der Integration von Anwendungen betraut sind. Diese "System Builder" sind auch die ersten, die mit der Problematik offener Systeme konfrontiert sind. Mit OSE realisierte Lösungen werden dann von Anwendern und Betreibern dieser Systeme genutzt.

OSE erlaubt die Auswahl von Standards und Produkten, es ist nicht eine Liste dieser Produkte selbst. Trotzdem haben HP und seine Partner natürlich eine Vielzahl von Produkten aus dem Bereich offener Systeme anzubieten. Alle strategischen Produkte von HP unterstützen die für das jeweilige Anwendungsgebiet verfügbaren Standards, wie TCP/IP, OSI, ANSI-SQL, X-Windows, OSF Motif, MS-Windows etc.

lntegrationsmöglichkeiten mit anderen Plattformen

Wo offene Standards nicht verfügbar sind, etwa in den Bereichen CASE und Entwicklung von grafischen Oberflächen, bietet Hewlett-Packard Integrationsmöglichkeiten mit anderen Plattformen. Dies begann mit Produkten wie Open Mail, New Wave, Soft Bench, Open View und ME10 und soll in Zukunft auf eine Reihe weiterer Lösungen ausgedehnt werden.

Darüber hinaus hat HP eine enge Partnerschaft mit weiteren Anbietern aus dem Bereich offener Systeme aufgebaut und bietet in diesem Rahmen relationale Datenbanken, Anwender-Tools und CASE-Werkzeuge auf all seinen Rechnerplattformen an.

Mit OSE bietet HP einen Wegweiser für offene Systeme:

- Da es auf den Einzelfall zugeschnitten wird, kann es bestehende Investitionen in Hard- und Software schützen.

- Da es Richtlinien und Empfehlungen anstelle von starren Produktstrukturen beinhaltet, läßt es sich auf zukünftige Veränderungen des Unternehmens- und Technologieumfeldes anpassen.

- Aufbauend auf offenen Standards, kann es ein Maximum an Hard- und Software-Anbieterunabhängigkeit gewährleisten.

Helmut Benttsche ist Marketing-Leiter Ose bei der Hewlett-Packard GmbH, Bad Homburg.