OS2 scheitert an DOS-Popularität

24.04.1992

Bei den Anwendern ist OS/2 nicht sonderlich beliebt. Das soll sich nach dem Willen der IBM ändern. Die Auslieferung der Version 2.0 wird von einer sündhaft teuren Werbekampagne begleitet. Eine Garantie für den OS/2-Erfolg ist das nicht. Die Pro-Argumente sind nämlich technischer Natur: OS/2, das bessere MS-DOS - so lautet die Werbebotschaft. Ernüchternd für die blauen Marketiers muß sein, daß niemand widerspricht. Im Gegensatz zu IBM hält Microsoft offensichtlich nicht viel von einer Bits-und-Bytes-Diskussion (16, 32, passé!), dafür aber an DOS fest. Der Erfolg gibt Bill Gates recht. Sollten die IBM-Strategen vergessen haben, daß sich technische Überlegenheit nicht auszahlt, wenn die Chemie zwischen Anbieter und Anwender nicht stimmt, jene Mischung aus Nichtwissen und Vertrauen, für die Big Blue früher immer das richtige Gespür hatte.

Früher: Merkwürdig ist, daß IBM-Beobachter eine so verschwommene Zeitvorstellung haben. Der letzte Marketing-Erfolg ist lange her, wobei sich die Analysten streiten, ob die Charly-Chaplin-Anleihe beim Personal Computer im Jahre 1981 im nachhinein nicht eher als Schlappe gewertet werden muß - schließlich wurde den Clone-Anbietern damit das Bett bereitet.

Sei's drum, dem Image, eine reine Marketing Company zu sein, hat die Chaplinade nicht geschadet. Doch wie war das Ende der 70er Jahre beim Informationssystem 8100 oder in der zweiten Hälfte der 80er Jahre beim Abteilungsrechner 9370? Flops alle beide. Dabei hatte sich der Mainframe-Marktführer jeweils in Unkosten gestürzt, was die Entwicklung von Software betrifft. Bei der 8100 mußte es gar ein neues Betriebssystem sein, inkompatibel zur /370-Welt. Ganz besessen waren die 8100-Entwickler von der Idee, das Nonplusultra für Distributed Data Processing (DDP), für verteilte Datenverarbeitung, auf die Beine zu stellen. Sie übersahen dabei, daß die IBM-Kunden etwas ganz anderes wollten, etwas Vertrautes, /370-Kompatibles, das dann mit dem System 9370 ja auch kam zu spät freilich, denn der DDP-Wind hatte sich um 180 Grad gedreht.

Waren in der 8100-Strategie die PCs noch nicht vorgesehen, so tat sich die 9370 mit dem PS/2-Server-Konzept schwer; Konkurrenz im eigenen Hause entstand, die den beiden Systemweiten nicht gut bekam. Denn der Wind drehte sich erneut: Open-Systems-Staub wurde aufgewirbelt - und Big Blue hatte als OSF-Gründungsmitglied ganz kräftig mitgeblasen. So könnte OS/2 das Schicksal der 8100 erleiden, weil es IBM zu gut gemeint hat. Ein populistischer Bill Gates lacht sich ins Fäustchen. Allerdings hat auch Microsoft das Marketing-Glück nicht gepachtet. Die Anwender merken, wann man ihnen Sand in die Augen streuen will. Das Blinzeln sollten die Hersteller nicht falsch verstehen.