IBM und Computer 2000 kooperieren

OS/2 und kaufmännische Software gehen in hiesigen Massenmarkt

12.06.1992

MÜNCHEN/DÜSSELDORF (ciw) - Die IBM Deutschland hat mit dem größten Distributor des Landes, der Münchener Computer 2000 AG (C2000), ein Vertriebsabkommen geschlossen, das OS/2 und zwei betriebswirtschaftliche Softwarelösungen für Einsteiger umfaßt. Außerdem haben die Marketing-Strategen von Big Blue mit "Helpware" eine Hotline-Beratung für PS/1- und PS/2-Endbenutzer eingerichtet, die 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar sein soll.

Streng nach der Maxime "Angriff ist die beste Verteidigung hat die IBM mit der Verfügbarkeit der 32-Bit-Version von OS/2 erneut eine große Kampagne gestartet, die dern Betriebssystem endlich weltweit zum Durchbruch verhelfen und den Rivalen Microsoft das Fürchten lehren soll. Bisher konnten die Armonker nach eigenen Angaben insgesamt rund 400 000 Kopien der Version 2.0 an den Mann bringen. Allein hierzulande, so der Generalbevollmächtigte der IBM Deutschland GmbH" Wolfram Ischebeck, habe man in den sechs Wochen der Verfügbarkeit 40 000 Kopien verkauft. "Wir haben mehr Bestellungen, als wir Pakete ausliefern können", freut sich Ischebeck.

Dennoch verspürt man offenbar auch in Böblingen die Notwendigkeit, das Betriebssystem nicht nur über die IBM-Fachhändlerschaft und an die eigene Hardware-Klientel zu vertreiben: "Unsere 500 autorisierten Handelspartner erreichen diesen Markt nicht vollständig, deshalb haben wir uns entschlossen, über C2000 mit ihren über 7000 Wiederverkäufern in die offene Distribution zu gehen", sagte der IBM-Manager. Allerdings hat die IBM der C2000 kein exklusives Vertretungsrecht eingeräumt, weil es, so Manuela Kiele, OS/2-Vertriebsverantwortliche der IBM in München, "noch mehr Handelspartner geben könnte".

OS/2-Einführungspreis gilt noch bis Ende Juni

Bis zum 30. Juni dieses Jahres bieten die Böblinger das Betriebssystem noch zum Einführungspreis von 285 Mark an. Ab Juli muß der Kunde dann 403 Mark auf den Tisch legen. Die Extended Services und der OS/2 LAN Server sollen ab Mitte Juni beziehungsweise ab Juli in deutscher Sprache verfügbar sein, stellte Kiele in Aussicht.

Mit der Übernahme des Vertriebes der betriebswirtschaftlichen Einsteigersoftware "IBM Fakturierung 1" und "IBM Offene Posten 1" engagiert sich C2000 jetzt auch für die Distribution von IBM-Applikationen. Die HS-Hamburger Software GmbH ist Entwicklerin und Lizenzgeberin der je 1240 Mark teuren Pakete. Geschäftsführer Thomas Schünemann erklärte die mehr als eine Million kleineren und mittelständischen Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern zur Hauptzielgruppe für diese Software: "Hier herrscht noch ein immenser Bedarf an kaufmännischen Lösungen, nicht letzt deshalb, weil 64 Prozent der Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern noch keine DV für diese Aufgaben einsetzen", zitierte Schünemann aus einer passenden Statistik.

Weitere Abkommen mit C2000 möglich

Die IBM könne sich auch vorstellen, so Ischebeck, weitere Abkommen mit dem Münchner Handelshaus zu schließen. Allerdings wies der Generalbevollmächtigte lediglich auf "weitere Netzwerkkomponenten hin". Noch zurückhaltender zeigte sich Ischebeck angesichts der Frage nach den Vertriebswegen der englischen IBM-Clone-Tochter Individual Computer Product International Ltd. (ICPI) in Deutschland: "Ob, wie und wann die Produkte dieser Firma hierzulande vertrieben werden, ist noch nicht entschieden."

Vorentscheidungen scheinen indes bereits gefallen zu sein. Bill McCracken, General Manager Personal Systems Europe und Kontaktmann (IBM Jargon: Contact Executive) zur britischen Low-end-Tochter äußerte sich der COMPUTERWOCHE gegenüber dahingehend, daß die ICPI das Geschäft von England aus betreiben und in den anderen europäischen Ländern Distributoren einsetzen werde.

In Großbritannien unterzeichnete der Geschäftsführer des neuen Unternehmens, Allan Willscher (ehemals IBM Belgien/Luxemburg), bereits in der vergangenen Woche einen Distributionsvertrag mit der englischen C2000-Tochter Frontline. McCracken sagte außerdem, daß man auch mit der deutschen Mutter Gespräche führe. Jochen Tschunke, Vorstandsvorsitzender der Computer 2000 AG, bestätigte indirekt Gespräche zwischen seinem Haus und der IBM. "In der Grobplanung der IBM ist offenbar vorgesehen, daß die unter dem Markennamen 'Ambra' vertriebenen Rechner im Herbst auch in Deutschland auf den Markt kommen." Allerdings sah sich Tschunke außerstande zu erklären, ob Computer 2000 auch in Deutschland ein Alleinvertretungsrecht für die Maschinen erhalte: "Soweit sind die Gespräche noch gar nicht gediehen."

Mit Helpware Anwendern weiteren Service bieten

Eine weitere Neuerung in der Marketing-Strategie der IBM, das Dienstleistungspaket "Helpware", wurde am Dienstag vergangener Woche auch in Deutschland angekündigt. Ab sofort kann jeder Endbenutzer von PS/1- und PS/2-Systemen im Rahmen einer Clubmitgliedschaft - Beitrag: 100 Mark pro Jahr - über eine "rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr" besetzte Hotline die IBM um Hilfe bei der Lösung seiner DV-Probleme bitten. Das gilt allerdings nur für IBM-Hard- und Software und nicht für Schwierigkeiten mit Spezialsoftware; dafür sind nach wie vor die IBM-Handelspartner zuständig. Barbara Lange, die für die neue Dienstleistung verantwortlich zeichnet, betonte, daß bei Problemen, die sich via Hotline nicht lösen ließen, "die Anfragen an den zuständigen Fachhändler oder Softwarehersteller weitergeleitet" würden. Neben dem Hotline-Dienst erhält das Clubmitglied ein vierteljährliches Magazin und die Möglichkeit, zu Sonderpreisen an IBM-Seminaren und -Workshops teilzunehmen. Drei Monate können neue Mitglieder das Helpware-Angebot kostenlos nutzen.