Frankfurter Zoologen untersuchen "Verarbeitung von Schallereignissen im Gehirn von Wirbeltieren":

Orientierungshilfe nach Fledermaus-Prinzip

24.07.1981

Wie erkennen nachts jagende Fledermäuse, welches Beutetier sie vor sich haben ? An dessen Frequenzmodulation des Flügelschlages, die im Gehirn der Fledermaus Aktionspotentiale von bis zu ein Millivolt erzeugt. Letztere wurden vom Zoologischen Institut der Universität Frankfurt gemessen und online auf einem Laborcomputer Minc-11 von Digital Equipment erfaßt. Die computerunterstützte Grundlagenforschung über die Echo-Ortung der Fledermäuse läßt sich unter anderem bei neuartigen Orientierungssystemen für Blinde mit Echolot praktisch verwerten.

Die wissenschaftlichen Experimente mit Fledermäusen wären ohne Computerhilfe nicht durchzuführen. Das gilt auch für Untersuchungen über die Lauterzeugung und deren Funktionen im innerartigen Verband bei Wüstenrennmäusen, über die Reaktion von Jagdspinnen auf Bodenschall sowie den Versuch, hinter die Biomechanik der Lokomotion (Beinbewegung) von Vogelspinnen zu kommen.

1971 bildete sich am Zoologischen Institut der Tübinger Universität eine Arbeitsgruppe für das Forschungsvorhaben "Wie werden Schallereignisse im Gehirn von Wirbeltieren verarbeitet ?" Als Versuchsobjekt wählten die Wissenschaftler Fledermäuse, da sie ein gut ausgebildetes Hörsystem haben und sich mit Echolot orientieren. Die Ultraschallwellen zwischen 20 und 120 Kilohertz lösen in bestimmten Gehirnzellen der Fledermäuse geringe elektrische Spannungen von mehreren 100 Mikrovolt bis etwa ein Millivolt aus.

Um diese Aktionspotentiale registrieren und auswerten zu können schaffte sich die Arbeitsgruppe zunächst eine PDP-12 und schließlich, nach Frankfurt umgezogen, eine PDP 11/40 an. Inzwischen hatten sich am Zoologischen Institut weitere Arbeitsgruppen gebildet, die mit Wüstenrennmäusen und Spinnen experimentieren. Diese arbeiteten zunächst nicht nur wissenschaftlich, sondern auch in der DV autonom und mit eigener Hardware.

Die Forschungsgruppen taten sich zusammen und beförderten die PDP-11/40 zum Zentralrechner für das Zoologische Institut. "Vor Ort" installierten die einzelnen Arbeitsgruppen Minc-11-Laborcomputer. Sie sind jeweils mit einem PDP-11/23-Prozessor, einem 64 K-Worte- Memory und einem Floppy-Disk-Doppellaufwerk sowie einem grafischen Bildschirmterminal mit separater Tastatur bestückt. Für Laborgeräte, die nicht an ein IEEE-Bus-Interface angeschlossen werden können, verfügt die Minc-11 über sieben als Option erhältliche Ein-/ Ausgabe-Moduln.

So differiert auch die Laborperipherie der drei Minics am Zoologischen Institut der Johann-Wolfgang von Goethe-Universität. Gleich ausgestattet sind die Anlagen für die "Fledermäuse" und für die "Wüstenmäuse" mit folgender Laborperipherie:

- Echtzeituhr mit zwei Schmittriggern;

- 16 Kanal A/D-Wandler;

- Drei Worte digitaler Input;

- Zwei Worte digitaler Output;

- Vier-Kanal-D/A-Wandler;

- XY-Interface für Plotter.

Davon unterscheidet sich die Minc-11 bei den "Spinnen" mit je ein Wort digitaler In- und Output und einem zusätzlichen Vorverstärker für die A/D-Wandler.

Die Minc-11-Laborcomputer greifen online auf Dateien der PDP-11/40 zu. Das übergeordnete System, eine 16-Bit-Maschine, verfügt über Magnetplatten, Drucker sowie Plotter und ebenfalls spezielle Laborperipherie. Neben der Auswertung der von den Minc-11-Laborcomputern erfaßten Daten werden auf der PDP-11/40 auch Modellrechnungen gemacht, morphologische Fragestellungen untersucht und die. Sonderdruckkartei des Institutes verwaltet.

Die Frankfurter Zoologen setzen ihre Labor-Fledermäuse bestimmten Schallreizen aus. Von den damit angesprochenen Zellen im Gehirn der Tiere werden Aktionsimpulse erzeugt, die zu messen sind. Dazu wird in das Gehirn der Fledermaus eine Glaselektrode mit einer ein Mikrometer dünnen Spitze und an einer, anderen Stelle im Körper eine indifferente Elektrode eingeführt, die mit einem Pulsdiskriminator und einem Spannungsverstärker verbunden sind.

Signale im freien Flug

Der Pulsdiskriminator erzeugt saubere Rechteckimpulse, die über eine Echtzeituhr online auf die Minc-11 gegeben werden. Der Rechner speichert in Form von Spike-Trains die Zeit vom Impuls bis zum Schallreiz sowie mehrere Reize in Zeitklassen auf einer Zeitachse. Ausgewertet werden die Daten in Form von Histogrammen, die beantworten sollen, wie die Fledermäuse Entfernungen oder Geschwindigkeiten messen. Eine zweite wissenschaftliche Experimentierreihe betrifft die von den Fledermäusen erzeugten und ausgesendeten Ultraschallwellen.

Sie bewegen sich im Bereich von zwei bis 120 Kilohertz und werden zunächst auf einem. Tonband aufgenommen, um dann über einen A/D-Wandler digitalisiert und auf der Minc-11 gespeichert zu werden. Da der A/D-Wandler Signale bis maximal 45 Kilohertz verarbeiten kann, wird das Tonband für die Online-Datenerfassung langsamer abgespielt. Die unterschiedlichen Arten von Fledermäusen jagen auf verschiedene Art (zum Beispiel im freien Flug oder mehr am Boden) und "senden" zu diesem Zweck auf verschiedenen Frequenzen. Die Wissenschaftler wollen nun mit Hilfe der Minc-11 herausbekommen, welche Fledermäuse welche Frequenzen verwenden.

Kommunikation unter Mäusen

Ebenfalls mit Echolot orientieren sich die Wüstenmäuse. Die einschlägige Arbeitsgruppe ist hier mehr daran interessiert, wie mit Hilfe von Schall die innerartliche Kommunikation der Tiere funktioniert, die in fast allen Wüsten dieser Welt zu Hause sind. Die Signale werden ebenfalls auf Tonband aufgezeichnet und analog vom Computer abgetastet.

Völlig anderer Natur sind die Experimente der Spinnenforscher .So zeichnen sie die Orientierungsbewegungen beim Beutefangsprung einer Jagdspinne mittels einer Videoanlage auf. Die dabei anfallenden Koordinaten werden mit Hilfe eines grafischen Tableaus in die Minc eingelesen gespeichert und zu Winkelkoordinaten verarbeitet.

Die über den "Videoumweg" digitalisierten Lokomotionsbewegungen von Vogelspinnen wertet die PDP-11/ 40 zusammen mit simultan gemessenen, mechanischen Daten wie Hämolymphdruck, Auflagekraft und Dehnungen im Außenskelett aus. Einfache Programme erlauben dabei eine Reduktion der Bewegungsdaten auf Relativkoordinaten, eine schnelle Sichtung und den Vergleich der simultan gemessenen Daten und ihre Umrechnung auf überschaubare Einheiten, die Projektion des gemessenen Kraftvektors auf ein beinfestes Koordinatensystem und eine Mittelung über mehrere Schritte.