Orakelbefragung

26.02.1982

Performance-Analysen, soweit sie von den Herstellern überhaupt zu bekommen sind, ähneln oft Orakeln, nur daß man die Kisten nicht schlachten kann, um die Hardware-Götter zu befragen. Dieses Dilemma gibt es überall, und es betrifft selbst DV-Chefs von Großanwendern, die sich guter Kontakte zu den Entwicklungslabors der Hersteller rühmen können.

Um die von den Computerfirmen intern ermittelten Leistungen im Praxisbetrieb zu erreichen, müssen Software-Umgebungen realisiert sein, von denen die meisten Anwender nur träumen. Marketingkunst behilft sich da mit einem "Wenn und Aber". Und so heißt es dann: "Wenn nicht das allerneueste Betriebssystem-Release implementiert ist, muß mit Leistungseinbußen gerechnet werden."

Erfahrene DV-Chefs wissen das - und stellen sich bei ihren Hardwareplanungen darauf ein, Zum Politikum wird die Sache erst, wenn die tatsächlichen Performance-Ergebnisse selbst hinter den vorsichtigsten Schätzungen zurückbleiben und die "Schuld" nicht mehr ausschließlich beim Anwender gesucht werden kann.

Geradezu ein Glücksfall ist es deshalb, wenn publik wird, wie eine neue Zentraleinheit im Hersteller-"EKG" abschneidet. So geschehen im Falle der 3081, deren Performance-Werte, ermittelt im Washington Systems Center (WSC) des Marktführers, die COMPUTERWOCHE in dieser Ausgabe veröffentlicht (siehe Seite 1: "Erst 3081 K hält, was das D-Modell versprach").

Die WSC-Werte scheinen zu bestätigen, daß es Flaschenhälse geben kann, wenn die Umgebung, das "Computer Environment", nicht der enormen internen CPU-Leistung des Prozessorkomplexes 3081 angepaßt ist. Zudem wird klar, daß optimales Tuning erforderlich ist, um die von IBM im Test ermittelten Leistungen zu erreichen. Geht man von einem "echten" Leistungsgewinn von rund 30 Prozent im 3081-Bereich aus und legt weiter einen offenbar realistischen Performance-Zuwachs von 60 bis 70 Prozent gegenüber der 3033U zugrunde, dann bekommt der migrationslustige Anwender annähernd das Zweifache seiner bisherigen DV-Leistung. Das heißt: Erst das K-Modell bringt, was IBM bereits mit der D-Version versprochen hatte.

Dabei mögen im Einzelfall die WSC-Leistungsaussagen sogar zutreffen. Die Überschlagsrechnung wichtet nämlich die einzelnen Bereiche, wie kommerzielle Datenverarbeitung oder Datenbank-Anwendungen, gleich. Je nach Benutzerprofil kann der eine oder andere Kunde im stillen Kämmerlein zu besseren Ergebnissen kommen - oder zu schlechteren.

Über aller Zahlenspielerei sollte der Marketingaspekt nicht vergessen werden: Bei der Vorstellung der 3081D hat der Computerriese erstmals seine Ankündigungspolitik geändert, mit Performance-Prognosen konservativ umzugehen. Konnten sich die IBM-Verkäufer bisher darauf verlassen, daß "Big Blue" eher zu niedrige Leistungsangaben machte, so ließ man bei der D-Präsentation, was die Performance-Unterschiede betrifft, bereits die Katze aus dem Sack.

So hat wohl mancher VB im Vertrauen auf die bisherige Praxis des Understatements seinem Kunden zu "schöne" Zahlen ins Ohr geflüstert. Da soll schon mal, wollen IBM-Wettbewerber wissen, der Faktor 2,5 oder gar 3 genannt worden sein, um die Power des Modells 3081D gegenüber einem Einzelprozessor 3033U ins rechte Licht zu rücken. Immerhin geht IBM den 3081-Performance-Problemen jetzt entschlossen zu Leibe. 1985, meinen Intimfreunde des Marktführers, sei das Ganze kein Thema mehr. Bis dahin sind es ja nur noch drei Jahre.