Ex-CEO Conway soll Finanzanalysten getäuscht haben

Oracle kommt der Peoplesoft-Übernahme näher

08.10.2004
MÜNCHEN (fn) - Nach der unehrenhaften Entlassung des Peoplesoft-Chefs Craig Conway leitet nun Firmengründer David Duffield das Unternehmen. Dennoch ist die Zukunft des ERP-Spezialisten ungewisser denn je.

Conway genieße nicht mehr das Vertrauen des Boards, hieß es zunächst in einer ungewöhnlich scharf formulierten Mitteilung zum Rauswurf des CEO. Eine Begründung für seine plötzliche Entlassung sickerte erst drei Tage später durch. Vor einem Gericht in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware sagte Steven Goldby, Mitglied des Peoplesoft-Aufsichtsrats, Conway habe gegenüber Finanzanalysten im September 2003 den negativen Einfluss des feindlichen Übernahmeversuchs durch Oracle auf die Peoplesoft-Geschäfte leichtsinnig heruntergespielt. In dem Verfahren, in dem Vertreter beider Unternehmen gehört werden, geht es um die Rechtmäßigkeit von Peoplesofts "Giftpillen" zum Schutz vor dieser Übernahme. Doch diese Interpretation der Conway-Entlassung ist nicht die einzige.

So vermuten einige Beobachter, dass Peoplesofts Verwaltungsrat dem Streit zwischen Conway und Oracle-Chef Lawrence Ellison nicht länger tatenlos zusehen mochte. "Die heutige Ankündigung ist im Interesse der Aktionäre", kommentiert der neue Peoplesoft-Boss Duffield die Entmachtung Conways.

Nach Ansicht vieler Experten wird durch Conways Abgang der Weg für die Übernahme durch Oracle frei. "Ich denke, spätestens im Januar oder Februar hat Ellison, was er will", meint Karin Henkel, ERP-Analystin bei Strategy Partners.

Dass nun mit Duffield der viertgrößte Peoplesoft-Aktionär das Ruder übernimmt, legen Beobachter als Hinweis darauf aus, dass die Übernahme durch Oracle im Grundsatz akzeptiert worden sei und es nunmehr lediglich darum gehe, die Firma möglichst teuer zu veräußern.

Zu einem höheren Verkaufspreis könnten auch die zuletzt überzeugenden Geschäftszahlen beitragen: Der Umsatz im dritten Quartal (Ende: 30. September) soll zwischen 680 und 695 Millionen Dollar liegen und damit höher als erwartet ausfallen. Besser als die Prognosen der Analysten lief zudem der Softwareabsatz; die Einnahmen mit Lizenzen werden sich zwischen 155 und 165 Millionen Dollar einpendeln. Derzeit bietet Oracle 21 Dollar pro Peoplesoft-Aktie. Das Gebot lag zwischenzeitlich auch schon bei 26 Dollar. Wegen der guten Zahlen und der Aussicht auf einen Abschluss der Übernahme ist der Kurs nun wieder gestiegen, so dass Ellison um eine Nachbesserung nicht herumkommen dürfte. Zum Redaktionsschluss war die Aktie 22,20 Dollar wert.

Oracle versucht unterdessen, zwei "Poison Pills" (Giftpillen), die eine Übernahme erschweren sollen, auf juristischem Weg zu entschärfen. Sie sind Gegenstand des erwähnten Gerichtsverfahrens. Eine dieser Giftpillen besteht in hohen Abfindungen für Mitarbeiter. Die zweite Initiative, das "Customer Assurance Program", räumt Peoplesoft-Kunden das Recht ein, den gezahlten Kaufpreis ihrer Software zurückzufordern, falls Oracle nach der Übernahme den Support und die Weiterentwicklung der Produkte einstellt.

Viele Peoplesoft-Kunden dürften von der Entlassung Conways erneut verunsichert worden sein - und das nicht nur, weil sie die Übernahme durch Oracle nun für wahrscheinlicher halten. Sie werden sich auch fragen, ob die drei ERP-Linien von Peoplesoft und dessen Tochter J.D. Edwards unter Duffield Bestand haben und der neue Chef zu der unlängst mit IBM besiegelten Technikkooperation stehen wird. "Duffield wird an der bisherigen Strategie nichts Wesentliches ändern", ist Lee Geishecker, Analystin bei Gartner, überzeugt. Ebenso werde der Firmengründer alles unternehmen, um eine Übernahme des Softwarehauses durch Oracle zu verhindern.

Wer ist David Duffield?

David Duffield hat das Softwarehaus Peoplesoft im Jahr 1987 gegründet und bis 1999 geleitet.

Er räumte seinen Sessel nach schlechten Geschäftszahlen und mangelhafter Produktqualität für Craig Conway. Dieser gab Peoplesoft mit der "Internet Architecture" rund um "Peoplesoft 8" einen modernen Anstrich, sorgte für die internationale Expansion und fädelte die Übernahme des kleineren ERP-Mitbewerbers J.D. Edwards ein.

Duffield hat sich vor fünf Jahren weitgehend aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Ob er Conways Produktstrategie fortsetzen wird ist noch unklar. Der Firmengründer hält als viertgrößter Aktionär etwa 5,2 Prozent der Anteile.