Oracle kauft mit Stellent ECM-Wissen

07.11.2006
Rund 440 Millionen Dollar legt Oracle für den Content-Management-Spezialisten auf den Tisch.

Mit der Übernahme von Stellent schließt Oracle-Boss Lawrence Ellison eine Lücke in seinem Softwareportfolio. Das Know-how im Enterprise-Content-Management (ECM) läßt sich der weltweit zweitgrößte Softwarehersteller 13,50 Dollar in bar für jede Stellent-Aktie kosten. Das bedeutet einen Aufschlag von 27 Prozent auf den Schlusskurs des Softwareherstellers einen Tag vor dem Angebot. Beide Seiten wollen den Deal bis Ende des Jahres oder spätestens Anfang 2007 abschließen.

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Stellent: Ordentliche Bilanz

Parallel zur Übernahme meldete Stellent Zahlen für das zweite Fiskalquartal des Geschäftsjahres 2006/07. Der Umsatz verbesserte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal um zwölf Prozent auf 33,7 Millionen Dollar. Unter dem Strich stand ein Profit von 1,3 Millionen Dollar. Das ist zwar mehr als doppelt so viel wie im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, blieb aber unter den Erwartungen der Analysten.

Robert Olson, President und CEO von Stellent, bezeichnete die Übernahme als Meilenstein für sein Unternehmen. Der Deal sei für Aktionäre, Angestellte, Kunden und Partner von Vorteil. Unter dem Dach von Oracle hätte der in Eden Prairie, Minnesota, beheimatete Softwarehersteller ein besseres Standing im weltweiten Markt für ECM-Systeme. Die Menge elektronischer Daten in unstrukturierter Form wachse rasant an, begründete auf der anderen Seite Thomas Kurian, Senior Vice President von Oracle, den Zukauf. Anwenderunternehmen suchten verstärkt nach Lösungen, um diese Datenmengen zu ordnen.

Oracle steigt durch die Übernahme von Stellent mit in den ECM-Ring. Der Markt für Content-Management steckt seit Jahren in der Konsolidierung. Begonnen hat dies mit der Übernahme von Documentum durch EMC für 1,7 Milliarden Dollar im Jahr 2003. In diesem Jahr schluckte IBM den ECM-Spezialisten Filenet. Open Text schnappte sich Hummingbird für fast 490 Millionen Dollar. Auch Stellent hatte versucht, sich durch Übernahmen im Konsolidierungskampf zu behaupten. Erst im Sommer dieses Jahres verstärkte der Anbieter sein Portfolio mit Digital-Rights-Management-Technik (DRM).

Oracle sucht Anschluss

Mit den Stellent-Lösungen ist Oracle nun in der Lage, eine breite Palette an Content-Management-Funktionen anzubieten. Der Datenbankspezialist musste zuletzt befürchten, den Anschluss in diesem Segment zu verpassen. Bislang konzentrierte sich Oracle hauptsächlich darauf, strukturierte Daten auf Basis seiner Datenbankprodukte zu sortieren und zu ordnen. In Sachen unstrukturiertem Content begnügte sich der Hersteller in der Vergangenheit damit, diese Daten zu speichern und vorzuhalten. Die Verwaltung kam dabei zu kurz. Stellents "Universal Content Management Suite" soll dieses Defizit beseitigen und die Funktionen von Oracles "Content Database" ausbauen. Ihre weitere Strategie in Sachen ECM wollen die Oracle-Verantwortlichen Mitte November ausführlich erklären.

Stellent wurde in den zurückliegenden Monaten wiederholt als Übernahmekandidat gehandelt. Sue Clarke, Senior Analyst der Butler Group, hatte bereits damit gerechnet, dass der ECM-Spezialist als selbständiger Anbieter vom Markt verschwinden würde. Den Deal bewertet sie als vorteilhaft für beide Seiten. Stellent habe unter dem Dach von Oracle bessere Ressourcen und vor allem Rückendeckung, seine Produkte im Markt zu platzieren. Oracle wiederum ergänze mit Stellents Software sein eigenes Portfolio und verbessere damit seine Position im Wettbewerb.

Druck auf IBM und SAP wächst

Der Datenbankriese mache mit der jüngsten Akquisition vor allem gegenüber IBM Boden gut. Der weltgrößte IT-Konzern hatte in der Vergangenheit kontinuierlich sein eigenes ECM-Portfolio im Rahmen der Middleware-Familie "Websphere" ausgebaut, erläutert Clarke. Zudem erhöhe Oracle den Druck auf seinen ärgsten ERP-Widersacher SAP. Der deutsche Softwarekonzern verknüpft seine Business-Applikationen eng mit den Produkten von Open Text und tritt damit als eigenständiger ECM-Player im Markt nicht in Erscheinung.

Das könnte sich jedoch ändern, meint die Butler-Group-Analystin. "Oracle hat einen ECM-Anbieter gebraucht, und Stellent ist eine gute Wahl." Oracles Einstieg in den ECM-Markt habe zwar auf sich warten lassen, "aber besser spät als nie". Nun sei SAP am Zug. Clarke empfiehlt den badischen Softwerkern, Open Text zu übernehmen, bevor alle wichtigen Anbieter vom Markt verschwinden. Die Analystin geht davon aus, dass Spezialanbieter für ECM kaum eine Chance haben werden, als selbständige Unternehmen im Markt zu überleben.

Ellison im Shopping-Fieber

Oracle-Chef Ellison setzt mit dem Kauf von Stellent seine Einkaufstour fort. In den vergangenen zwei Jahren hat der Datenbankspezialist rund 20 Milliarden Dollar für Akquisitionen ausgegeben. Erst im Oktober dieses Jahres schluckte Oracle für 220 Millionen Dollar Metasolv, einen Anbieter von Service-Fulfillment-Lösungen für die Telekommunikationsbranche, sowie für einen nicht genannten Betrag den französischen Datenintegrationsspezialisten Sunopsis. (ba)